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Visionäre, Weltretter und die Angst vor Unbelehrbaren

Die Diskussion über die Grenzen des Wachstums ist in vollem Gange. Quer durch die Wissenschaftsdisziplinen, durch Unternehmen und politische Parteien. Denn die Uhr tickt bedrohlich. Das kann jeder Autobesitzer beim Blick auf die Spritpreise erkennen.

Von Ursula Storost | 10.11.2011
    "Ohne Wachstum keine Nachfragebelebung."

    So formulierte es der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU Fraktion Hans Michelbach im Jahr 2009.

    "Ohne Wachstum keine Nachfragebelebung. Ohne Wachstum keine Arbeitsplätze, ohne Wachstum keine Kaufkraftmehrung, ohne Wachstum keine Investitionen."

    Kurzum laut Michelbach bedeutet Wachstum ein Land voller blühender Landschaften. Dabei hatte schon 1972 der Club of Rome, eine Vereinigung hochrangiger Menschen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, erkannt:

    "Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht."

    Inzwischen sind unzählige Ökonomen, Ökologen, Soziologen und sonstige Wissenschaftler der Meinung, dass die Grenzen unseres Wachstums bereits erreicht sind. Viele Politiker setzen allerdings weiter auf Wirtschaftswachstum. Wie Angela Merkel in ihrer Videobotschaft vom 5. November.

    "Wir tun als Bundesregierung alles dafür, damit Arbeitsplätze erhalten werden, damit das Wachstum gestärkt wird, damit Deutschland ein starker Wirtschaftsstandort sein kann."

    Wachstum, das heißt: neue Märkte, neue Konsumgüter, neue Verbraucherausgaben. Und neue Verschuldung. Bleibt es bei der bisherigen Wachstumsrate, dann wird die Weltwirtschaft am Ende dieses Jahrhunderts etwa 80 mal so groß sein wie vor 50 Jahren. Dabei weiß selbst ein Spitzenunternehmer wie Dr. Michael Otto, Aufsichtsratsvorsitzender des global erfolgreichsten Versandhauses Otto Group: Wir sind am Ende der Wachstumsleiter angekommen.

    "Wir werden sicherlich weltweit quantitativ nur noch sehr begrenzt wachsen können. Und da müssen wir eben sehen in welchen Regionen, in welchen Ländern das besonders notwendig ist. Aber ich glaube in den Industrieländern werden wir uns auch klarmachen, dass wir vom quantitativen Wachstum abkommen müssen und viel stärker qualitatives Wachstum in den Vordergrund rücken müssen."

    Und, philosophiert Michael Otto weiter, es müsse jetzt vor allem darum gehen, die Zufriedenheit und das Wohlergehen der Menschen wachsen zulassen.

    "Da glaube ich, ist vor allen Dingen eine Entwicklung, Verbesserung in der Gesundheit ein ganz wichtiges Thema. Ein Thema dann auch in der Bildung, in der Kultur, im spirituellen Bereich. Und ich glaube, dass sind Dinge, die stärker in den Blickpunkt rücken müssen. Das heißt also, dass für uns ein qualitatives Wachstum viel wichtiger ist als quantitatives Wachstum."

    Der Deutsche Bundestag hat im letzten Jahr eine Enquete-Kommission eingesetzt. Unter dem Titel "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" soll die überfraktionelle Arbeitsgruppe Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt aufzeigen. Und sie soll einen neuen Wohlstandsindikator entwickeln.

    "Wir haben in den letzten Jahrzehnten eine Politik erlebt, die dem Traum nachgerannt ist, wenn die Wirtschaft wächst, dann erledigen sich viele andere Aspekte möglicherweise von selbst. Das hat aber nicht funktioniert. Wir haben eine Wirtschaft gesehen, die zur Politik gesagt hat, ja, ihr wollt Wirtschaftswachstum. Dann müsst ihr aber auch Dinge in Angriff nehmen, die Wirtschaftswachstum für uns ermöglichen. Wir machen das Wachstum ja. Und dann kam die klassische Forderung nach Deregulierung und auch Flexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt."

    Daniela Kolbe ist Physikerin, Mitglied des Bundestages und Vorsitzende der Enquete Kommission. Die 31-jährige Politikerin glaubt, dass man erkennen müsse: Wirtschaftswachstum ist immer gut für die Wirtschaft, die Manager und die Börsennotierung. Aber nicht unbedingt für das Wohlergehen der Bürger.

    "Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass das Wirtschaftswachstum gewachsen ist und gleichzeitig der Wohlstand für viele Leute überhaupt nicht zugenommen hat. Im Gegenteil, wir haben einen Deregulierung auf dem Arbeitsmarkt gesehen, die dazu geführt hat, dass immer mehr Menschen in prekäre Beschäftigungen beschäftigt sind. Wir haben sieben Millionen 400 Euro Jobs. Trotz Wirtschaftswachstum."

    Statt Arbeits- und Sozialrecht im Sinne des höheren Unternehmerprofits aufzuweichen, müsste die Regierung die Wirtschaft mehr an die Zügel nehmen, fordert Daniela Kolbe.

    "Genau genommen würde ich sagen, dass es eine der großen Fragen ist, die die Politik derzeit beantworten muss. Ob sie in der Lage ist noch die Steuerungsmöglichkeiten in der Hand zu haben und wirklich das Leben der Menschen zu gestalten. Also sind wir in der Lage, das Primat der Politik zurückzugewinnen. Das ist die große Frage, die drüber steht."

    Was die Welt dringend brauche, sei ein Wachstum an Wissen, zum Beispiel, wie können wir mit weniger Ressourcen, mit weniger Energie Autos, Kühlschränke oder Stahlträger herstellen?

    "Das sind Technologien, die wir dringend brauchen. Wir sind sieben Milliarden Menschen auf dieser endlichen Welt und es werden mehr werden. Und diese Menschen wollen einen materiellen Wohlstand erreichen. Und das müssen wir eben deutlicher ressourceneffizienter hinbekommen."

    Die Wirtschaft so, wie sie ist, ist ruinös. Für die Ökosphäre und für die Menschen, sagt Niko Paech. Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Oldenburg. Viele der neuen Produkte sind kontraproduktiv. Denn den Menschen fehle einfach die Zeit, sie zu genießen.

    "Es gibt keine einzige Konsumaktivität, die in der Lage ist, einen Menschen glücklicher zu machen, ohne dass dieser Mensch eigene Zeit in diese Konsumaktivität investiert."

    Immer neue smartere Produkte versprechen immer mehr Glück und Zufriedenheit. In Wahrheit, so Niko Paech, verplempern wir Unmengen der knappen Zeit, um erst mal Konsumentscheidungen zu treffen. Auch wenn Multitasking uns suggeriert, die Zeit überwinden zu können. Das menschliche Hirn hat seit der jüngeren Steinzeit nur begrenzte Kapazitäten.

    "Und man kann zeigen, dass mit zunehmender Gütervielfalt, immer weniger Zeit übrig bleibt, um die Dinge dann Glück oder Nutzen stiftend auch zu verwenden. Wenn man sich in solch einem Hamsterrad bewegt, kommt man an einen Punkt, wo zusätzlicher Konsum nicht nur kein Glück mehr stiftet, sondern einem sogar die Zeit klaut, die man sonst übrig hätte, um mit den schon vorhandenen Konsumgütern glücklicher zu werden. Denn in dieser Situation dann ist Suffizienz, so nennt man die Kunst der Mäßigung. Kein Verzicht, sondern Selbstschutz."

    Glück sei auch immer eine Frage des Sich-Einlassens auf Dinge. Man müsse den Dingen Zeit geben, um überhaupt glücklich machen zu können, resümiert Niko Paech. Dazu bräuchten wir kein Wirtschaftswachstum. Sondern ein Umlernen.

    "Die Fähigkeit zu entwickeln in einer Welt ohne Wirtschaftswachstum zu leben, ist ein Übungsprogramm. Der Mensch ist, was er übt. Man muss üben, weniger Fleisch zu essen, nicht mehr zu fliegen. Man muss üben mit den Dingen, mit denen man sich umgibt, so umzugehen, dass sie lange halten. Man muss wieder handwerkliche Kompetenzen erwerben. Das ist nicht nur ein ökonomischer Akt, das macht einfach glücklich. Weil die sogenannte Selbstwirksamkeit, die steigt damit, weniger zu konsumieren und dafür mehr zu produzieren."

    Die Wirtschaft müsse schrumpfen, fordert der Ökonom. Beispiel: Wenn man Autos, Kameras, Bohrmaschinen oder Küchengeräte mit der Nachbarschaft teilen würde, müsse man weniger davon produzieren.

    "Es gibt überall Beispiele, kleinere soziale Inseln, es gibt viele schon vorhandene Lebensstile, die all das vorweg nehmen, was zukünftig sowieso der Rest der Welt auch nur noch machen kann. Spätestens, wenn der Preis für ein Barrel Rohöl bei über 2000 $ liegt. Dann stellt sich nicht mehr die Frage, ob wir eine Postwachstumsökonomie gerne hätten. Sondern dann ist eine solche Postwachstumsökonomie der letzte Ausweg vor Chaos und Würdelosigkeit. Mit geht es darum, die Zivilisation zu retten."

    Und wie stellen sich die Wirtschaftsbosse, die Großbänker zu den Ideen des Niko Paech? Die werden mitmachen, sagt der Volkswirt. Beispiel Herr Ackermann. Der erfolgsverwöhnte globale Player wird einer kleinen Genossenschaftsbank arbeiten.

    "Er wird vor allem als jemand fungieren, der kleineren, regional wirtschaftenden Betrieben, Kapital vermittelt. Er wird das auf transparente Weise tun. Er wird in ökologische Produkte und Produktionsprozesse dann als Bank investieren. Oder diesen Produzenten helfen."

    Sozialwissenschaftler und Publizist Professor Meinhard Miegel. Er ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung Denkwerk Zukunft, die eine kulturelle Erneuerung auf ihre Fahnen geschrieben hat. Meinhard Miegel beobachtet, dass selbst konservative Volkswirtschaftslehre neuerdings ihren tradierten Wachstumsbegriff erweitert.

    "Indem man zum Beispiel sagt, Wachstum sei auch die höhere Wertschätzung vorhandener materieller Güter. Das heißt zum Beispiel dass eine Frau früh vor den Kleiderschrank tritt, ihn öffnet und sagt, gestern hab ich noch gar nicht gewusst, was für schöne Kleider ich eigentlich habe. Sie ist ganz beglückt. Und in diesem Moment hat in den Vorstellungen von einzelnen Ökonomen ein Wachstumsprozess stattgefunden, weil nämlich nunmehr diese Kleider so viel wertvoller sind als sie am Abend vorher waren. Rein im Bewusstsein des Betrachters."

    Die materiell gesättigten Menschen der westlichen Industrienationen müssten sich daran gewöhnen, dass das BIP-Wachstum rückläufig sein werde. Und die Bundeskanzlerin sinkende Wachstumsprozente verkündet.

    "Das hat sie ja im vorvorigen Jahr schon einräumen müssen. Gesunken um annähernd vier Prozent. Solche Entwicklungen werden künftig häufiger sein. Wer immer die politische Verantwortung trägt, wird das der Bevölkerung mitzuteilen haben, dass sich da etwas verändert. Und die interessante Konsequenz wird sein, dass die allermeisten sagen, davon haben wir gar nichts bemerkt. Denn das war ja auch im vorvorigen Jahr so, dass die Bevölkerung diesen Rückschritt, diesen Rückgang im Wachstum nicht in ihr persönliches Leben umgesetzt hat. Genauso wenig wie sie Wachstum als Zugewinn empfindet."

    Untersuchungen der letzten 30 Jahre in den westlichen Industrieländern belegen, Wirtschaftswachstum und materielle Güter machen Menschen nicht glücklicher, erklärt Professor Karlheinz Ruckriegel. An der Nürnberger Georg-Simon-Ohm Hochschule für angewandte Wissenschaften lehrt er Makroökonomie und interdisziplinäre Glücksforschung. Was macht Menschen glücklich.

    "Da geht's hauptsächlich um Sachen wie soziale Kontakte, gelingend, um persönliche Freiheit, um Gesundheit. Und es geht natürlich auch um eine befriedigende Erwerbs- und Nichterwerbsarbeit. Also befriedigend heißt, man sollte einer Tätigkeit nachgehen, die einem liegt, die Befriedigungspotenzial in sich trägt. Und das sollte nicht nur gelten für die Arbeit, sondern auch für die Tätigkeiten, die man neben der Arbeit macht. Wie Hobbys und sonstige Sachen. Auch in der Familie."

    Auch die OECD, die Vereinigung der führenden Industrienationen hat inzwischen Vorschläge ausgearbeitet, womit Regierungen ihre Bürger zufriedener und glücklicher machen können.

    "Beispielsweise nicht auf irgendeine BIP-Zahl starren, sondern es geht um die Frage, wie schaut es aus mit der Verteilung des Einkommens in der Gesellschaft. Es geht um die Frage, wie ist der Gesundheitszustand, wie ist der Bildungszustand, wie ist das Sozialkapital, wie kommen die Menschen miteinander zurecht. In den Städten etc. Das ist der Ansatzpunkt in Zukunft."

    Zum Beispiel einen Mindestlohn, wie er inzwischen auch von der Bundesregierung diskutiert wird, hält der Glücksforscher im Sinne der OECD für einen konkreten Beitrag zu mehr Zufriedenheit. Ebenso Chancengleichheit. Erreichen ließe sich das alles auch finanziell. Statt minimaler Steuerentlastungen für den Einzelnen, könne man das Geld in allgemeine Zufriedenheit investieren.

    "Dass jedes Kind dieselben Chancen hat, unabhängig von welchem Hintergrund das Kind kommt. Das heißt, hier geht's darum zu sagen, was will eine Gesellschaft. Wir sind ja demokratisch verfasst. Das heißt,wenn die Gesellschaft sagt, wir wollen jetzt haben, dass wir beginnen mit einer Chancengleichheit bei uns im Bildungssystem, dann kann man sie umsetzen."

    Und, entgegen aller populistischer Politikeräußerungen, müsse ein schrumpfendes Bruttoinlandsprodukt keineswegs weniger Arbeitsplätze und weniger Wohlstand bedeuten, betont Karlheinz Ruckriegel. Ganz im Gegenteil. Weil Energie und Rohstoffe immens teuer werden, werden wir einen großen Bedarf an menschlicher Arbeitskraft bekommen.

    "Wir werden erleben eine partielle Deindustrialisierung der Landwirtschaft. Die Landwirtschaft ist heute der industriellste Bereich, den wir in unserer Volkswirtschaft haben. Wir werden eine Reparaturwirtschaft anstelle einer Produktionswirtschaft haben. Mit anderen Worten, das kaputte Gerät, der kaputte Koffer, was auch immer, wird repariert werden. Wir werden ihn nicht einfach wegwerfen und einen neuen dafür hinstellen. Weil dieser neue Koffer, dieses neue Gerät ja nichts anderes ist als Rohstoffe und Energie. verbunden mit ganz wenig Arbeit."

    Die Vision des Ökonomen: in Zukunft wird es viele kleine Dienstleister geben, die sehr nah am Kunden sein werden.

    "Die wiederum sehr, sehr arbeitsintensiv sind. Sodass ich mir mit Arbeitsmarkt die geringsten Sorgen mache."

    Visionen ganz anderer Art hat der Chemiker, Verfahrenstechniker und Umweltforscher Professor Michael Braungart. Wachstum sei gut, behauptet er.

    "Die Frage ist ja, was man wachsen lassen möchte. Wenn man Zerstörung wachsen lässt, wenn man Landschaftsverbrauch wachsen lässt, dann sind wir praktisch wie ein Krebsgeschwür. Wenn man aber nützlich sein kann den anderen Lebewesen was nutzt, dann könnten wir viel mehr wachsen."

    Das von vielen Umweltschützern propagierte Vermeiden, Reduzieren und Sparen sei der falsche Weg, behauptet Michael Braungart. Der umtriebige Querdenker lehrt an den Hochschulen Lüneburg, Rotterdam, Twente und Delft . Seine Überzeugung: unsere Produktions- und Lebensweise nur einzuschränken ist immer noch Zerstörung. Jeder Baum aus dem Regenwald, jedes Barell Erdöl, muss im Produktionskreislauf bleiben.

    "Eben nicht Müll wachsen zu lassen sondern Dinge wachsen zu lassen, die zurück in Kreisläufe gehen. In biologische Kreisläufe. Wenn die Dinge verschleißen, wie Schuhsohlen, wie Bremsbelege, wie Autoreifen oder wie Waschmittel, das muss biologische nützlich sein oder technisch nützlich wie Waschmaschinen, wie Fernseher. Ich verbrauche ja keine Waschmaschine. Ich nutze die ja nur. Also es gibt nur noch zwei verschiedene Sorten von Produkten für die Biosphäre und die Technosphäre. Und dann ist Wachstum förderlich. Man freut sich über Wachstum."

    Cradle to cradle heißt Michael Braungarts Konzept. Übersetzt heißt das "von der Wiege zur Wiege" und meint, dass aus Neuem nach Gebrauch wieder Neues entstehen soll. Allerdings handelt es sich dabei nicht um herkömmliches Recycling, bei dem aus dem Rohmaterial minderwertigere Produkte entstehen. Braungarts Idee heißt Upcycling.

    "Ich will auch nicht immer wieder als Meerschweinchen wiedergeboren werden. Das heißt ich nutze die Intelligenz des Produktes und gebe mit jedem Kreislauf wieder neue Intelligenz dazu. Wenn ich die schönsten Werkstoffe hab, kann ich dann den Teppichboden mit ner Beleuchtung verbinden, zum Beispiel Oder ich kann den Teppichboden machen, dass er Feinstäube bindet, zum Beispiel."

    Inzwischen hat Michael Baumgarten Firmen gewonnen, die nach seiner Idee Produkte herstellen. Produkte, die nach Gebrauch wieder zu hochwertigen innovativen Produkten verarbeitet werden. Zum Beispiel Teppichböden.

    "Da muss er nicht mehr den billigsten Dreck einsetzen, weil er ja das Material verliert. Sondern er kann die schönsten und besten Materialien verwenden. Denn nach fünf oder acht Jahren geht das Produkt zurück. Es ist von herein so konstruiert, dass man es auseinander nehmen kann. Und dass man die beiden Komponenten, die Deckschicht und die untere Schicht getrennt wieder zurück in neue Teppichböden einsetzen kann."

    Wir müssen die Dinge neu erfinden, sagt Michael Braungart. Mit besten, unschädlichen Materialien.

    "Wir werden eine Waschmaschine auf dem Markt haben in kurzer Zeit, wo man den Leuten nur noch dreitausendmal Waschen verkauft. Damit kann ich die beste Waschmaschine einsetzen. Und nach dreitausendmal Waschen geht die Waschmaschine zurück zum Hersteller, der dann eben nur noch die Nutzung der Waschmaschine verkauft."

    Genauso will Michael Braungart zukünftig auch Elektronik produzieren. Nicht Ex-und Hopp. Sondern, umweltverträgliche Beständigkeit.

    "Im Radio find ich im Durchschnitt 2600 Chemikalien drin. Wollen die Leute wirklich 2600 Chemikalien haben oder wollen sie nur den Deutschlandfunk anhören. Es ist doch unfair, den Menschen zum Eigentümer für Sondermüll zu machen, wenn sie nur Radio hören wollten."

    Neue Klebstoffe, neues Know-how. In Holland und den USA hat Braungarts Idee schon viele Firmen und Nutzer gefunden..

    "Wir haben das erste Toilettenpapier gemacht jetzt seit zwei Jahren, was für Klärschlamm geeignet ist. Normalerweise verseuchen sie mit einem Kilogramm Toilettenpapier, egal ob Recycling oder neues Papier über fünf Millionen Liter Wasser, weil die Druckfarben und die Papierchemikalien nie für biologische Kreisläufe gemacht sind."

    Inzwischen gibt es auf Europaebene Millionen Fördergelder für Braungarts cradle to cradle Idee. Denn auch um Arbeitsplätze müsse man sich bei dieser Vision keine Sorgen machen.

    "Diese Dinge, die wir machen sind arbeitsintensiv aber brauchen viel weniger Materialien. Weil die Materialien ja immer in Kreisläufen bleiben. "
    Sollte Michael Braungarts Idee sich durchsetzen, hätte die Menschheit nicht nur Wachstum, gute Produkte und Gesundheit. Sondern auch eine neue Kultur des Miteinander.

    "Eben eine Kultur der Unterstützung, gut zu sein. Nicht eine Kultur den Menschen zu kontrollieren möglichst wenig schädlich zu sein."