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Visionärer Kinomagier

Sein Kino steht für barocke visionäre Erzählkunst, für ein maßloses, oft auch als sentimental abgetanes Kino. Mit der tragisch-komischen Filmparabel "La Strada" wurde Federico Fellini auf einen Schlag weltberühmt. Am 31. Oktober 1993 starb er an den Folgen eines Herzinfarkts.

Von Marli Feldvoß | 31.10.2013
    Mit der tragisch-komischen Film-Parabel "La Strada" wurde Federico Fellini 1954 auf einen Schlag zu einem weltweit gefeierten Regisseur. Ihm zu Ehren wurde sogar ein neuer Oscar für den besten fremdsprachigen Film eingeführt. Bezeichnenderweise hatten die Produzenten das Projekt zunächst als zu unkommerziell abgelehnt und für eine Starbesetzung mit Silvana Mangano und Burt Lancaster plädiert. Aber Fellini hatte die Rolle des kindlichen Clowns Gelsomina eigens seiner Frau Giulietta Masina auf den Leib geschrieben, während ihm Anthony Quinn als Rauhbein Zampanò zufällig über den Weg gelaufen war. Gelsomina und Zampanò gehören heute zu den Archetypen des Weltkinos.

    O-Ton aus "La Strada"
    Er: "So musst Du sagen: Jetzt kommt der große Zampanò! Los!"
    Sie: "Jetzt kommt der große Zampanò. Jetzt kommt der große Zampanò. Jetzt kommt der große Zampanò." (Trommelwirbel)

    Mit seiner Mischung aus Realismus, Fantasie und Spiritualität stellte "La Strada" die Weichen für ein neues italienisches Kino, das sich - gegen den Ansturm der Kritiker - von der Vormundschaft des tonangebenden Neorealismus befreien sollte. Fellinis Erfolgsgeheimnis lag in der Entwicklung eines ganz persönlichen, poetischen Filmstils, der zunehmend von autobiografischen Elementen durchzogen war. Das Markenzeichen "fellinesk" steht hingegen für sein späteres extravagantes, überladenes, groteskes, bizarres Kino, das die leer gefegten Landschaften der frühen Filme mit ihren Außenseiterfiguren zum Verschwinden brachte.

    In den Vordergrund rückte aber bald auch die Selbstbefragung eines "Auteur", der mit dem Schauspieler Marcello Mastroianni sein perfektes Alter Ego gefunden hatte. Dessen Auftritt als Schriftsteller in "La dolce Vita" markierte den Wendepunkt; in der Rolle des Filmregisseurs Guido in Fellinis unumstrittenem Meisterwerk "Achteinhalb" durchläuft Mastroianni ein Krisenszenario, das alle Ebenen der künstlerischen Existenz zur Sprache bringt.

    O-Ton aus "Achteinhalb"
    "Eine Krise. Totaler Mangel an Einfällen. Was ist, wenn es nicht nur eine vorübergehende ist, mein Verehrtester, wenn es der endgültige Einsturz eines Lügengebäudes wäre – aus Unvermögen und Talentlosigkeit. Schnick."

    Der am 20. Januar 1920 im Seebad Rimini geborene Federico Fellini hat einen weiten Weg zurückgelegt. Er sah sich lange als Journalist, Zeichner und Karikaturist. Dann schrieb er Sketche fürs Radio oder Gags fürs Kino, um sich zuletzt als Drehbuchautor und Regieassistent bei Roberto Rossellini zu profilieren. Der Künstler war bereits 32 Jahre alt, als er sich endgültig fürs Kino entschied und 1952 mit "Lo sceicco bianco" (Der weiße Scheich) seinen ersten Spielfilm drehte.

    Es war nur eine Frage der Zeit, bis der zunächst so gefeierte Regisseur wegen seiner barocken Maßlosigkeit in Verruf geriet und der Vorwurf erging, er habe mit Filmen wie "Casanova" oder "La città delle donne" die Beziehung zur Gegenwart und zum modernen Italien gänzlich verloren. Erst nach seinem Tod kam es zu einer neuen Wertschätzung seines Werks, das mit schonungslosem Blick den kulturellen Niedergang Italiens, das künstlerische und moralische Ausbluten im Zeitalter der Zerstreuung und des kommerziellen Fernsehens, vorweggenommen habe. Zur Verwirklichung seiner kinematografischen Albträume zog sich Fellini immer mehr in die Filmstudios von Cinecittà zurück.

    Federico Fellini: "Das hat nichts mit Verschrobenheit oder einer Verkrustung innerhalb Cinecittàs zu tun. Hier kann ich alles so machen, wie ich es mir vorstelle. Draußen, da scheint die Sonne. Zur Sonne kann man nicht sagen: mehr nach links, mehr nach rechts. Für meine Art Film besteht die absolute Notwendigkeit, im Studio zu drehen."

    Federico Fellini starb am 31. Oktober 1993 an den Folgen eines Herzinfarkts. Über 130.000 Menschen pilgerten ins legendäre Studio 5, um ihm Adieu zu sagen. Sein Sarg war vor der Kulisse seines vorletzten Films "Intervisa" aufgebahrt. Ein Film ohne Story, ohne Drehbuch, für Fellini, der nun selbst den Regisseur gab "eine kleine Plauderei unter Freunden".

    O-Ton aus "Achteinhalb":
    "Also, ich führe Euch an. Gebt Euch alle die Hände!"