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Visionen und Realpolitik

Oslo, 2009. US-Präsident Barack Obama wird mit dem Friedensnobelpreis geehrt. Der Friedensnobelpreis für den amerikanischen Präsidenten, für sein Bemühen um Völkerverständigung, Diplomatie und Abrüstung: ein vorauseilender Akt. Denn handfeste politische Erfolge konnte Barack Obama in puncto Abrüstung zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufweisen. Immerhin aber, und das wog offenbar schwer für das Nobelkomitee, hatte und hat der amerikanische Präsident eine Vision.

Von Ursula Welter | 03.02.2011
    "A world without nuclear weapons."

    Prag, April 2009. Barack Obama skizziert das Projekt "Global Zero":

    Eine Welt ohne Atomwaffen. Ein großes Versprechen. Andere Realpolitiker vor Obama, Helmut Schmidt etwa oder Henry Kissinger hatten sich bereits dafür eingesetzt. Mit Obama spricht sich zum ersten Mal ein amerikanischer Präsident ausdrücklich und entschieden für die totale atomare Abrüstung aus. Eine Rede, ein Preis. Was hat die neue Führung in Washington seither bewegt an dieser Front? Welche Befunde liegen auf dem Tisch, wenn sich von morgen an Experten und Politiker zur 47. Münchener Sicherheitskonferenz treffen?


    Der russische Präsident Medwedew, Tschechiens Staatsoberhaupt Klaus und US-Präsident Obama in Prag
    Der russische Präsident Medwedew, Tschechiens Staatsoberhaupt Klaus und US-Präsident Obama in Prag (AP)
    "New Start"
    Moskau und Washington haben sich geeinigt, Duma und Senat haben dem Abkommen zugestimmt. Bei den strategischen Atomwaffen wird abgerüstet. Binnen sieben Jahren soll die Zahl der Atomsprengköpfe von 2200 auf 1550 sinken. "New Start" verdient das Prädikat "historisch wertvoll" - , der Pakt wird als größter Abrüstungserfolg seit Jahrzehnten gefeiert. Dennoch: Wäre "New Start" gescheitert, etwa an den neuen Mehrheitsverhältnissen in den USA, hätte an der Rüstungsfront Willkür geherrscht. Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München:

    "Es war ein wichtiger Erfolg der Obama-Administration, da ein Scheitern von New Start bedeutet hätte, dass wir im Bereich der strategischen Waffen in eine Ära der Instabilität gekommen wären, da sowohl die Amerikaner als auch die Russische Föderation im Bereich der strategischen Waffen hätten machen können, was sie wollen."

    So aber profitiere die ganze Welt, sagte auch Russlands Präsident, Dmitri Medwedew, anlässlich der Unterzeichnung des Vertrages in Prag:

    "Im Endeffekt haben wir ein Dokument bekommen, das eine Balance zwischen den Interessen Russlands und der USA hält. Das Wichtigste ist: Hier gibt es keinen Gewinner und Verlierer. Zwei Seiten haben gewonnen, die ihre Sicherheit gefestigt haben. Und davon profitiert die ganze Welt."

    Und tatsächlich. Obamas Team verkämpft sich nicht mehr in ideologischen Gräben, Russland wird zum Partner aufgewertet, denn die Verhältnisse haben sich geändert. Das Vermächtnis des Kalten Krieges, die atomaren Arsenale, auf denen die USA und die Russische Föderation sitzen, sind nicht mehr zeitgemäß. Und: Washington braucht Moskau nicht zuletzt, um dem Iran im Ringen um dessen Atompläne die Stirn bieten zu können.

    Bei allen Differenzen, sagt Hillary Clinton, die amerikanische Außenministerin, gebe es Grund, stolz zu sein. Angesichts der Abrüstungsvereinbarungen, der diplomatischen Annäherungen, der wachsenden Gemeinsamkeiten mit Moskau. Denn mit diesen beiden muss auf der Bühne der atomaren Abrüstung alles beginnen: Es sind Russland und die USA, die nahezu 90 Prozent aller Nuklearwaffen weltweit besitzen. Oliver Thränert von der Stiftung Wissenschaft und Politik:

    "Das mag jetzt in der gegenwärtigen weltpolitischen Situation etwas altertümlich anmuten, dass das jetzt alles, was die nukleare Abrüstung anbelangt, im bilateralen amerikanisch-russischen Rahmen sich abspielt, weil man sich daran gewöhnt hat, dass ganz andere Mächte China, Indien, Brasilien in der Weltpolitik ( vor allem in der Weltfinanzpolitik) eine Rolle spielen. Aber, wenn es um Atomwaffen geht, ist Russland neben den USA nach wie vor der wichtigste Spieler, weil sie über sehr viele Atomwaffen verfügen, etwa so viele wie die USA."

    Jubel also über den "New Start-Vertrag" und die Vereinbarungen zur Abrüstung bei strategischen Atomwaffen - aber: Es gibt Stolpersteine - für die Umsetzung dieses Vertrages und damit für alle weiteren Abrüstungsschritte.

    Die "Raketenabwehr"
    Zum Schutz ihres Territoriums will die NATO einen Raketenabwehrschirm spannen. Unter George W. Bush wollten die USA das System im Alleingang mit Tschechien und Polen errichten, unmittelbar vor der Haustür Moskaus. Auch deshalb ist Barack Obama davon abgerückt. Nun wird an einem Schutzschild gearbeitet, das nicht zuletzt potenzielle Angriffe aus dem Iran abwehren und das land- und seegestützt seine Wirkung entfalten soll. Russland ist eingeladen, mitzumachen. Diese Einladung der NATO interpretiert die Russische Föderation auf ihre Weise. In Moskau ist davon die Rede, es werde an einem - Zitat: "gemeinsamen Raketenabwehr-System" gearbeitet. Wo aber die Hoffnung zu groß ist, ist Enttäuschung nicht weit. Denn Moskau wird nur ein Abwehrsystem mittragen, das seine eigene Verteidigungsfähigkeit nicht infrage stellt. Russland zu verprellen, hieße aber, Fortschritte bei der atomaren Abrüstung zu gefährden. Oliver Thränert:

    "Die russische Duma hat deutlich gemacht, dass es hier einen Zusammenhang gibt zwischen Raketenabwehr einerseits und nuklearer Abrüstung andererseits. Und hat deutlich gemacht, dass, sollten die USA ein Abwehr-System in Qualität und Umfang entwickeln, das die russische nukleare Zweitschlagfähigkeit zu unterlaufen droht, dass dann Russland die Option eines Ausstieges, der in einem solchen internationalen Vertrag immer möglich ist, dass sie diese Option dann ziehen würden."

    Noch sind alle Raketenabwehrpläne unkonkret. Aber schon jetzt heißt es hinter vorgehaltener Hand im Westen, Moskau sei auch deshalb kein gleichberechtigter Partner, weil dort das Know-how fehle. Auch sei kaum vorstellbar, dass die NATO-Partner Russland ein Vetorecht einräumen würden, wenn es dann eines schönen Tages um die Frage des konkreten Einsatzes der Raketenabwehr gehe. Ein solches Vetorecht aber könnte genau das sein, was Moskau unter "Partnerschaft" versteht. Noch wahrscheinlicher aber ist, sagt Carlo Masala von der Bundeswehruniversität in München, dass die Sache am Ende am Geld scheitert. Als in Lissabon, beim NATO-Gipfel, die Raketenpläne abgenickt wurden, hätten nur die Zahlen für die Plattform auf dem Tisch gelegen. Die Plattform aber sei nur ein erster Schritt, anschließend müssten Milliarden in Entwicklung und Unterhalt des Systems gesteckt werden. Masala:

    "Angesichts der Finanzkrise sehe ich nicht, wo europäische Staaten hier das Geld herholen sollen, und ich sehe das Problem auch mittelfristig für die USA."

    Sollten die Raketenabwehrpläne von NATO und Russland aus dem einen oder dem anderen Grund auf die lange Bank geschoben werden, könnte sich dies als Bremsklotz für weitere Abrüstungsschritte erweisen. Alles hängt mit allem zusammen.

    US-Präsident Obama beim Atomgipfel in Washington
    US-Präsident Obama beim Atomgipfel in Washington (AP)
    Die taktischen Atomwaffen
    Im Einflussgebiet der NATO werden 200 bis 300 taktische Nuklearwaffen vermutet. Darunter etwa 180 atomare sogenannte Freifallbomben vom Typ B-61, die in fünf europäischen Ländern stationiert sind, auch in Deutschland. Russland, auf der anderen Seite, soll über einige Tausend taktische Nuklearwaffen verfügen. Verlässliche und offizielle Zahlen gibt es auch hier nicht. Taktische Nuklearwaffen entfalten eine geringere Sprengkraft als strategische, der Wirkungsgrad ist kleiner. Moskau gleicht mit der hohen Zahl dieser taktischen Atomwaffen die Schwäche im konventionellen Rüstungsbereich aus. Das Ungleichgewicht in den Beständen des Westens und des Ostens macht Abrüstungsverhandlungen schwer; wie es scheint, ist Moskau nicht ernsthaft daran interessiert, in nächster Zeit über eine Reduzierung dieser Nukleararsenale zu reden. Vielmehr hat Präsident Medwedew klargestellt, wie wichtig diese Waffen für sein Land seien. Hier schielt Russland nicht nur, aber auch auf China, das seinerseits massiv aufrüstet. Aber auch auf der anderen Seite, der Seite der NATO, herrscht keine Einigkeit darüber, ob, wann und wie im Bereich der taktischen Atomwaffen abzurüsten sei. Deutschlands Außenminister pocht darauf, dass die Amerikaner ihre taktischen Waffen aus Deutschland abziehen; Frankreich hält dagegen, der nukleare Schutzschirm der Amerikaner für Europa dürfe nicht noch löchriger werden - und Paris werde alles daran setzen, seine Stellung als Atommacht zu verteidigen. Diese Gegensätze innerhalb der NATO treten immer dann deutlich zutage, wenn Russland fordert, dass die französischen und britischen Atombestände in Abrüstungsverhandlungen einzubeziehen seien. Oliver Thränert von der Stiftung Wissenschaft und Politik:

    "Die Russen argumentieren im Grunde genau spiegelbildlich zu dem, was die NATO zu Zeiten des Kalten Krieges argumentiert hat: Da wir gegenüber der NATO jetzt konventionell unterlegen sind, brauchen wir eine numerische Überlegenheit bei nichtstrategischen Kernwaffen, die haben sie im Moment, und ich sehe im Moment nicht die ganz großen Anzeichen, dass sie gewillt sind, diese in Verhandlungen einzubringen."

    Raketenabwehr in weiter Ferne und unter Finanzierungsvorbehalt, Reduzierung der taktischen Nuklearwaffen kompliziert und vorläufig nicht in Sicht. Wie weit also ist Obamas Team auf dem Weg zur globalen, atomaren Null gekommen?

    Der Atomtest-Stopp-Vertrag, Comprehensive Test-Ban Treaty, CTBT
    Mehr als 2000 Atomwaffentests sind weltweit bislang durchgeführt worden. Zuletzt hat Nordkorea getestet. Eigentlich liegt seit Mitte der neunziger Jahre ein Teststoppvertrag auf dem Tisch der Weltgemeinschaft, nur in Kraft getreten ist er nie, ein zahnloser Papiertiger bislang. Dabei sollte CTBT ein wesentlicher Baustein sein im Bemühen, erstens atomar abzurüsten und zweitens zu verhindern, dass atomares Waffenmaterial weiter verbreitet wird. Non-Proliferation lautet das Stichwort. Vor allem die Nicht-Kernwaffenstaaten sollen gehindert werden, Atomwaffen zu entwickeln oder zu erwerben. Ein Haken an dieser Forderung: Die Kernwaffenstaaten sind bisher nicht mit gutem Beispiel vorangegangen - vor allem die USA haben das Teststoppabkommen bislang nicht ratifiziert. Deshalb war es ein großes Versprechen, als Barack Obama im Frühjahr 2009 in Prag diese Unterschrift in Aussicht stellte.

    Obamas Sicherheitsberater sagen, es gäbe Anzeichen, dass auch China zur Ratifizierung bereit sei, wenn Washington seine Unterschrift leiste. Das Team im Weißen Haus unterstellt, dass es hier eine Art Domino-Effekt geben könne: Auf die Unterschrift Chinas könne dann die Indiens folgen, später jene Pakistans. Eine Logik allerdings, die Lücken hat. Nicht zuletzt Nordkorea macht keine Anzeichen, den Vertrag zu unterzeichnen. Spätestens an dieser Stelle kämen die Domino-Steine Obamas zum Stillstand. Vor allem aber wird der amerikanische Präsident selbst Schwierigkeiten haben, die Sache durchzusetzen. Technisch hat er zwar alle Argumente auf seiner Seite: Reale Atomtests sind längst nicht mehr nötig, die Welt der Computer ist leistungsstark, Simulieren im Labor ist kein Problem mehr. Aber wo sollen die Mehrheiten für Obamas Vorhaben herkommen? Schon die Debatte um "New Start", um die strategischen Atomwaffen hat gezeigt, dass es nicht fachlich-sachliche Argumente sind, die die Entwicklung bestimmen - Carlo Masala von der Bundeswehruniversität München

    "Die politische Debattenkultur, auch die außen- und sicherheitspolitische Debattenkultur in den USA, ist mittlerweile sehr stark degeneriert. Was wir haben, ist eine teils hysterische oder von Unkenntnis geprägte oder bewusst verzerrte Darstellung, was diese Verträge an Nachteilen für die USA bringen ... da kommen Sie teilweise mit guten Argumenten nicht weiter."

    Sollte Barack Obama mit seinem Plan daheim scheitern und sollten die USA den Atomtest-Stopp-Vertrag nicht ratifizieren, wäre das eine politische Niederlage für ihn. Für die atomare Abrüstung, sagt Oliver Thränert von der Stiftung Wissenschaft und Politik, müsse das aber nicht unbedingt einen Rückschlag bedeuten:

    "Wir haben in Wien bereits eine sehr gut funktionierende Organisation für das Teststoppabkommen, das verschiedene weltweit angelegte Messstationen aufgebaut hat, um verdeckte Nukleartests aufdecken zu können -, die sind sehr weit fortgeschritten, das ist eine gute Arbeit, die die machen, das hat sich im Rahmen der nordkoreanischen Nukleartests gezeigt, und deswegen ergibt sich die paradoxe Situation, dass das Abkommen schon sehr gut wirkt, obwohl es noch nicht in Kraft getreten ist, und wichtiger noch als eine amerikanische Ratifikation ist, dass Amerika sich auch in Zukunft entsprechend, und hier ist der amerikanische Beitrag sehr wichtig, an der Finanzierung des Teststoppabkommens beteiligt."

    Bringt Obama für die Ratifizierung des Atomtest-Stopp-Abkommens nicht die erforderlichen Mehrheiten auf die Beine, würde also aus Sicht der Experten auch eine finanzielle Spritze helfen, den Test-Stopp zu befördern. Und womöglich hat ein weiteres Projekt Erfolg, mit dem der amerikanische Präsident die atomare Abrüstung vorantreiben will.

    Zur Genfer Abrüstungskonferenz in diesem Jahr will Washington den 65 Vertragsstaaten ein Papier vorlegen, mit dem das Ende der Produktion von spaltbarem Material für Atomwaffen besiegelt würde. Carlo Masala von der Bundeswehruniversität München:

    "Es ist wahrscheinlicher, dass Washington sich hier durchsetzen kann als beim Teststopp, weil die existierenden Nuklearmächte kein Interesse haben, dass weitere Nuklearmächte dazukommen. Insofern ist die Wahrscheinlichkeit, dass hier die Idee eines Moratoriums oder eines Verbots der Produktion von spaltbarem Material bei den existierenden Nuklearmächten auf fruchtbaren Boden fällt, sehr groß."

    Allerdings gibt es hartnäckigen Widerstand gegen dieses Vorhaben etwa in Pakistan, das sich schon jetzt gegen ein Abkommen stemmt, mit dem die Produktion von spaltbarem Material beendet würde. Wie aber sonst kann die Zahl der Atommächte weiter klein gehalten und der Verbreitung von waffenfähigem Nuklearmaterial Grenzen gesetzt werden?

    "Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen" NVV, englisch NPT
    Dieser Jahrzehnte alte Vertrag bildet den Kern der internationalen Bemühungen um Nichtverbreitung und atomare Abrüstung. Er hält die Kernwaffenstaaten zur atomaren Abrüstung an und ermöglicht den Nicht-Kernwaffenstaaten auf der anderen Seite, die Kernenergie zu zivilen Zwecken zu nutzen. Das ist der Deal zwischen Nuklearmächten und nuklearen Habenichtsen. Hillary Clinton, die amerikanische Außenministerin, hat das zum Auftakt der New Yorker Konferenz zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrages 2010 einmal mehr unterstrichen.

    Für die einen das Atom zur Verteidigung, für die anderen das Atom zur Energiegewinnung. Die Sache klingt eindeutig, ist sie aber nicht, wie der Fall Iran zeigt. Aus der zivilen Nutzung lässt sich militärisches Potenzial schöpfen. Oliver Thränert:

    "Wenn man Iran auf dem Weg zur Bombe nicht stoppen kann, rückt das Ziel einer atomwaffenfreien Welt in ganz, ganz weite Ferne."

    Dennoch findet der Iran in der Abschlusserklärung der jüngsten Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsvertrag keine Erwähnung. Stattdessen hat sich die internationale Gemeinschaft, auf Betreiben der arabischen Staaten, darauf verständigt, Israel an den Pranger zu stellen. Dass das Land Atommacht ist, wird weithin vermutet - offiziell bestätigt wurde das nie. Im Jahr 2012, so wurde es in New York im vergangenen Jahr beschlossen, soll eine Konferenz zu Errichtung einer "Zone ohne Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten" stattfinden. Fortschritte in der Substanz, etwa was den Iran angeht, gab es indes nicht. Dennoch gilt die Überprüfungskonferenz als Erfolg des Obama-Teams, denn in der Vergangenheit hatte sich dieses Gremium auf überhaupt nichts einigen können.

    "Zunächst muss man sagen, dass die Obama-Administration einen sehr guten Job gemacht hat bei der Überprüfungskonferenz im vergangenen Jahr, anders als Bush, sie hat dafür gesorgt, dass es überhaupt zu einem gemeinsamen Schlussdokument, das ja im Konsens angenommen werden muss von über 190 Vertragsstaaten, gekommen ist, das ist oftmals gescheitert, 2005 ist man gescheitert, 2010 hat man wenigstens ein Abkommen."

    Ein Abkommen, das auf die staatlichen Kernwaffenbesitzer zielt. Wie aber lässt sich erreichen, dass die Atommächte Indien, Pakistan und Israel das Vertragswerk unterzeichnen und dass Nordkorea und der Iran die Regeln des Nichtverbreitungsvertrages einhalten? Auch hier setzen Obamas Sicherheitsberater auf die Vorbildfunktion der USA. Der Präsident, so sagen sie, habe nie geglaubt, dass Iran oder Nordkorea allein dadurch zur Vernunft kämen, dass die USA sich vorbildlich verhielten. Dennoch: Mit einer glaubwürdigen Haltung Washingtons zur atomaren Abrüstung wachse die internationale Unterstützung und damit der Druck, gegen solche Staaten vorzugehen. Eine These, die in Sicherheitskreisen "fragwürdig" genannt wird. Denn der Dominoeffekt kann auch anders aussehen. Gelingt es nicht, den Iran zu stoppen, könnten andere Staaten im Nahen und Mittleren Osten ihrerseits auf die atomare Karte setzen wollen, weil sie sich durch die Nuklearpläne ihrer Nachbarn bedroht fühlten. Ein nukleares Wettrüsten in der arabischen Welt stünde dann dem Bemühen Russlands und Washingtons gegenüber, die Atombestände des Kalten Krieges zu reduzieren.

    Die Bombe in den falschen Händen
    Nukleare Sprengsätze in den Händen von Terroristen. Das ist das andere große Bedrohungspotenzial, das Washington an die Wand malt. Sprengsätze, die sich zusammensetzen aus ehemals staatlichen, schlecht kontrollierten Beständen, oder auch aus zivil genutztem Nuklearmaterial, etwa aus Krankenhäusern. Der Schwarzhandel blühe, Bauanleitungen für Bomben inklusive, sagen einzelne Sicherheitsexperten. Wie groß ist die tatsächliche Bedrohung? Professor Carlo Masala von der Bundeswehruniversität in München:

    "Nachdem die Sowjetunion implodiert ist, hat eigentlich jeder uns vorhergesagt, dass angesichts der Tonnen von Material der schlecht bewachten Sprengköpfe des desolaten Zustands der Streitkräfte es nur eine Frage der Zeit sei, bis Staaten oder nicht staatliche Akteure Sprengköpfe kaufen können oder genug spaltbares Material kaufen können, um Atomwaffen produzieren zu können. Bis heute ist es nicht eingetreten, weil das Problem von allen Seiten als ein dringliches erkannt ist. Das Horrorszenario, dass El Kaida irgendwann über die Bombe verfügt also gering."

    Entwarnung also? Wohl kaum. Dennoch ist das Thema atomare Abrüstung kein Gassenfeger. Die Zeiten der Ostermärsche sind vorbei, und selbst Obama, der Friedensnobelpreisträger, wird als vieles wahrgenommen, nicht aber als "Abrüstungspräsident". Warum? Carlo Masala:

    "Ich glaube, generell punktet er nicht... weil das nicht die Fragen sind, die die Menschen bewegen. Die Gefahr, die von Nuklearwaffen ausgeht, ist nach 1990 schlagartig aus dem Bewusstsein der Menschen verschwunden und in Zeiten von Finanz- und Wirtschaftskrise sind die Leute an Jobs interessiert."

    Ist Atomare Abrüstung also Nebensache? Das nicht, sagt der Wissenschaftler, aber Nichtverbreitung von Kernwaffen, Atomtest-Stopp, Abrüstung taktischer und strategischer Waffen, Raketenabwehr - das alles sei kompliziert, vielleicht zu kompliziert für ein breites Publikum.

    "Viele Sachen, die die Obama-Adminstration schon gemacht hat im Bereich der Abrüstung, dass sie sie der Öffentlichkeit kaum vermitteln können - wenn Sie in den USA leben - wir sind relativ sicher vom groß angelegten Angriff, dann ist es sehr schwierig der Bevölkerung zu erklären, dass dieser Präsident im Bereich der Abrüstung bislang sehr viele, sehr wichtige und wertvolle Schritte unternommen hat."