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Visual Arts-Festival Mira
Die Köpfe hinter Lasershow & Co.

Immer häufiger greifen Produzenten von elektronischer Musik für ihre Live-Auftritte auf die Hilfe visueller Künstler zurück. Auf dem Visual-Art-Festival "Mira", das jetzt in Berlin stattfand, standen die visuellen Künstler direkt neben den Musikern auf der Bühne. Auch um klarzustellen: beide zählen gleich viel.

Von Katja Hanke | 13.06.2016
    Lasershow, konzipiert von Michael Ramjoué: grüne, blaue und rote Lichtkegel vor schwarzem Hintergrund überschneiden sich
    Eine Lasershow, konzipiert von Michael Ramjoué, der auch die Musiken zu seinen Shows selbst komponiert und einspielt. (picture alliance / dpa / Art's Birthday)
    Das Gelände um das Funkhaus Berlin liegt die meiste Zeit verlassen am Flussufer der Spree, ein denkmalgeschützter Gebäudekomplex aus den 1950er-Jahren, aus dem 40 Jahre lang der DDR-Rundfunk sendete. Seit 1990 steht er zum größten Teil leer. An diesem Nachmittag aber sitzen viele junge Menschen auf Bänken und am Wasser, reden, trinken Bier, dazu legt ein DJ Hintergrundmusik auf. Sie sind zum Visual-Arts-Festival "Mira" gekommen, das aus Barcelona zu Gast ist.
    Das Konzept des Festivals ist ungewöhnlich: Visuelle Künstler und Musiker arbeiten zusammen an einer einmaligen Live-Show, die sie auf dem Festival zeigen. Ausgedacht haben sich das junge Leute aus der Musikszene von Barcelona. Sie wollten ein Musik-Festival organisieren, aber gleichzeitig auch ihre Leidenschaft für Visuelle Kunst einbringen, sagt einer der Gründer, Oriol Pastor.
    "In den meisten Clubs sieht man gar nicht, wer die Visuals macht, und man kennt auch die Namen nicht. Alle bezahlen zwar Eintritt für einen bestimmten Musiker, aber es gibt auch unglaublich gute Visuals. Die Namen dieser Künstler erscheinen aber nicht auf dem Line-Up. Wir schreiben alle Namen ins Line-Up, ganz egal, ob Musiker oder visuelle Künstler."
    Außerdem stehen beim Mira-Festival die visuellen Künstler direkt neben den Musikern auf der Bühne und nicht irgendwo am Rand.
    "Das ist unsere Philosophie. Visuelle Künstler verbringen genauso viel Zeit wie Musiker mit ihrer Kunst, vielleicht sogar noch mehr. Wir zollen beiden Seiten genauso viel Respekt: den visuellen Künstlern und den Musikern."
    Tagsüber gibt es Vorträge in einem Kuppelzelt. Die Video-Künstlerin Carla Chan erklärt zum Beispiel, welche Techniken sie für ihre Fulldome-Produktion "Black Moves" benutzt hat, also für ein Video, das den Betrachter nicht nur 360 Grad umgibt, sondern auch über ihm in der Kuppel zu sehen ist. Wenig später liegen rund 50 Leute auf Kissen im Zelt und schauen in die Kuppel, die vollständig mit einer Leinwand überzogen ist. Dort schieben sich schwarz-weiße Gebilde wie fließende Lava ineinander, sie pulsieren, werden größer und massiver, bauen sich auf wie Berge und verschwinden dann wieder aus dem Blickfeld.
    "Ich habe mich sofort in diese Räume verliebt"
    Das eigentliche Highlight des Festivals sind aber die Säle des Funkhauses, wo am Abend die Konzerte stattfinden. Das Gebäude sei der perfekte Ort für das Festival, meint Oriol Pastor.
    "Wenn man diese großen, alten Säle mit dem vielen Holz und den bestimmt zehn oder zwölf Meter hohen Decken betritt, kann man den Raum richtig fühlen. Ich habe mich sofort in diese Räume verliebt und alles daran gesetzt, dass es klappt. Ich wollte sie unbedingt mit Musik füllen. Das war verrückt."
    Für ihre Live-Video-Performance haben die deutsche Künstlergruppe Transforma und der französische Künstler Yro, der die Musik komponiert hat, drei Tische in den großen Saal gestellt. Über jedem hängt eine Kamera. Die Künstler bearbeiten und bewegen auf den Tischen verschiedene Objekte und Materialien. Die Bilder sind direkt auf der Leinwand zu sehen, manche schneiden sie vor Ort so schnell hintereinander, dass abstrakte Filme entstehen, die auch mit der Musik harmonieren. Der Auftritt im Funkhaus ist etwas Besonders, sagt Luke Bennett von Transforma:
    "Von solchen Sälen träumt man und danach will man nur noch in solchen Räumen spielen. Er hat nicht nur einen besonderen Klang, sondern auch die Halbkreissituation, also die Leute können auch richtig sehen, was wir machen, die Leute sind näher an der Arbeit und das ist etwas ganz Wichtiges bei dieser Performance. Und dieser sehr imposante Raum hat was Kathedralisches und weil auch die ganze Performance etwas Ritualistisches hat, passt das ganz gut."
    Das Musikspektrum reicht von düster-experimentell über leichte Popsongs bis zu atmosphärischem Techno. Der englische Produzent Kode9, einer der Erfinder von Dubstep, tritt zusammen mit dem Künstler Lawrence Lek auf. Der hat zum Bass-Sound des Engländers eine bunte 3D-Welt entworfen und führt durch ein futuristisches Gebäude mit menschenleeren Fluren und bizarren Räumen.
    Die Zuschauer schauen fasziniert auf die Leinwand, wiegen die Körper ein wenig hin und her, einige tanzen. Bilder und Musik spielen perfekt zusammen. Die Bilder lassen die Musik intensiver klingen, durch sie scheint die Musik eine Geschichte zu erzählen. Das ist spannend, gerade, wenn es nicht ums Tanzen sondern ums Zuhören geht.