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Vitamin-A-Superbanane
"Ich bin ein bisschen überrascht über den Hype"

Eine gentechnisch veränderte Banane mit besonders viel Beta-Carotin, der Vorstufe von Vitamin A, steht kurz vor dem ersten Test an Menschen. Ernährungswissenschaftler Michael Krawinkel zeigt sich im DLF überrascht vom Hype um die Neuentwicklung: Bei den bisher bekannten Veröffentlichungen über derartige "Superbananen" habe der Beta-Carotin-Gehalt im Bereich von Paprika gelegen.

Professor Michael Krawinkel, Uni Gießen im Gespräch mit Jule Reimer | 18.06.2014
    Besteck und eine Banane liegen auf einem orangefarbenen Teller.
    Eine neue gentechnisch veränderte Banane wird momentan in den USA getestet. (picture alliance / ZB / Jens Kalaene)
    Jule Reimer: Freiwillige in den USA werden bald sechs Wochen lang gentechnisch veränderte Bananen essen, die mehr Vitamin A enthalten als herkömmliche Bananen. Wissenschaftler züchteten eine solche Banane, unterstützt durch die Stiftung des Microsoft-Gründers Bill Gates und seiner Frau Melinda, die sich auch mit Millionenbeträgen in Impf-Kampagnen in Entwicklungsländern engagieren. Konkret handelt es sich um eine Kochbanane, die an sich schon sehr nahrhaft ist und dank Gentechnik mehr Alpha- und Beta-Karotine als die herkömmliche afrikanische Banane enthält. - Am Telefon begrüße ich den Kinderarzt Michael Krawinkel, der an der Universität Gießen den Lehrstuhl für Ernährungswissenschaften einnimmt und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung berät. Herr Professor Krawinkel, was bewirkt denn Vitamin A im Körper?
    Michael Krawinkel: Nun, das Vitamin A hat eine wichtige Funktion für unsere Augen, für unsere Sehfunktion. Sowohl die Dunkel-Adaptationsstörung oder die Nachtblindheit sind auf Vitamin-A-Mangel zurückzuführen als auch Schäden an der Hornhaut bei schwerem Vitamin-A-Mangel über längere Zeit.
    Die Kochbanane ist in Afrika ein Grundnahrungsmittel
    Daneben ist das Vitamin A für die Immunreaktionen oder für Immunreaktionen von großer Bedeutung und auch für die Integrität, wie wir sagen, unserer Haut und Schleimhäute.
    Reimer: Ist so eine Kochbanane das richtige Nahrungsmittel, um Unterernährung, Mangelernährung ausgerechnet in armen Ländern zu bekämpfen?
    Krawinkel: Die Kochbanane ist ja weit verbreitet im Afrika südlich der Sahara als Grundnahrungsmittel und spielt dort schon eine große Rolle in der Versorgung mit Nahrungsenergie, als im Wesentlichen Lieferant von Stärke, aber auch einige Spurenelemente, Mineralstoffe, Vitamine sind in der Banane enthalten. Und jetzt geht es ja scheinbar um eine Sorte, in der besonders Pro-Vitamin A angereichert ist.
    Reimer: Ist das die einzige Quelle für Vitamin A, oder gäbe es da auch andere Möglichkeiten?
    Krawinkel: Die einzige Quelle ist es ganz sicher nicht. Wir nehmen Vitamin A aus Nahrungsmitteln von Tieren, also Fleisch und Fleischprodukten oder Fisch auf, oder auch Milch und Milchprodukte. Wir nehmen Pro-Vitamin A, muss man sagen, aus pflanzlichen Lebensmitteln auf. Das muss im Körper erst zu Vitamin A umgewandelt werden. Und dieses Pro-Vitamin A kommt in zahlreichen Nahrungspflanzen, in zahlreichen, ich will sagen, natürlichen Nahrungspflanzen vor und kann dort ...
    Reimer: Auch in der Region Nordafrika, in Subsahara-Afrika?
    Krawinkel: Auch in Subsahara-Afrika. Das, woran wir zuerst denken, Karotten oder Spinat oder andere dunkelgrüne Blattgemüse, aber auch Wassermelone oder Paprika, Aprikosen kommen als Quelle für Pro-Vitamin A, im Wesentlichen Beta-Karotin in Frage und werden genutzt. Gerade in Afrika gibt es eine enorme Vielfalt an dunkelgrünen Blattgemüsen.
    Reimer: Dieser Mangel ist dann worauf zurückzuführen, auf Armut, auf Unwissenheit?
    Krawinkel: Unwissenheit spielt sicher eine sehr große Rolle. Häufig sind Traditionen und ist traditionelles Wissen verloren gegangen. Darüber hinaus begrenzt Armut tatsächlich auch den Zugang zu dieser Vielfalt an möglichen Nahrungsquellen. Insbesondere der Zugang zu tierischen Nahrungsmitteln, also vom Tier abgeleiteten Nahrungsmitteln, ist für arme Menschen sehr kritisch.
    Reimer: Die können sich kein Fleisch leisten? Das können sie nicht kaufen und keine Tiere halten, weil sie sie nicht bezahlen können?
    Armut begrenzt den Zugang zur Vielfaltalt an Nahrungsmitteln
    Krawinkel: Genau. Die können sich kein Fleisch leisten und keinen Fisch. Auch wenn Sie sich vorstellen: Das Leben in einem sehr beengten Raum in einem Slum macht es natürlich schwierig, auch auf pflanzliche Vitamin-A-Quellen zurückzugreifen. Deswegen haben angereicherte Lebensmittel dort eine Bedeutung.
    Reimer: Würden Sie es auf diesem Wege auch angehen? Sie sind ja auch Kinderarzt.
    Krawinkel: Ich würde es auf dem Wege angehen, dass man diese natürlichen Lebensmittel nutzt, und ich bin ein bisschen überrascht über den Hype jetzt, über diese sogenannte Superbanane mit dem Vitamin A. Im Grunde gab es schon 2006 und 2008 wissenschaftliche Veröffentlichungen zum Thema aus verschiedenen Regionen der Erde, auch aus Australien, und die Beta-Karotin-Gehalte, über die da berichtet wurde, liegen im Bereich der Paprika zum Beispiel als Gemüse. Es ist leider in den neuen Berichten, die in die Presse kommen und auch im "Spektrum" veröffentlicht waren, nirgends angegeben, wie viel Beta-Karotin denn nun in der Banane drin ist, in dieser neuen. Und man muss immer im Hinterkopf haben: Um Beta-Karotin oder Vitamin A aufzunehmen, braucht man auch zusätzlich Fett, denn das sind fettlösliche Vitamine beziehungsweise Pro-Vitamine.
    Reimer: Und das muss man dann unter Umständen auch in Form von Öl zum Essen kaufen können. Ich danke Ihnen! - Das war der Kinderarzt und Ernährungswissenschaftler Michael Krawinkel von der Universität Gießen zu der neuen Superbanane.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.