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Vive la France? Vive l'Allemagne?

Auf 50 Jahre Elysée-Vertrage blicken Deutschland und Frankreich zurück - da geht es um den Frieden und die Freundschaft. Aber auch um handfeste Wirtschaftsinteressen. Eine Spurensuche.

Von Michael Braun | 22.01.2013
    Wenn der TGV aus Paris Ost einläuft, dann wird Frankfurt ganz international. Die Durchsage kommt auch in Französisch. Rund vier Stunden braucht der Zug, heute trotz des Wetters nur eine kleine Verspätung. Ein französischer Geschäftsmann gönnt sich eine Zigarette auf dem Bahnsteig. Ja, sagt er, er habe einen beruflichen Termin hier.

    Seit dem Machtwechsel in Paris von Sarkozy zum Sozialisten Hollande, sagt er, seien die Beziehungen nicht einfacher geworden, vor allem die Haltungen zur Haushaltspolitik seien unterschiedlich.

    Frankreichs Wirtschaft wächst langsamer als die deutsche. 2013 schrumpft sie vermutlich. Der Staat kommt frühestens 2014 in eine Neuverschuldung, die das Drei-Prozent-Kriterium von Maastricht unterbietet. Von ausgeglichenen Haushalten nichts zu sehen. Ein Grund für die relativ schlechte Wirtschaftslage: Frankreich sei es nicht gelungen, auf außereuropäischen Drittmärkten ähnlich stark wie Deutschland Fuß zu fassen. Das habe Folgen, sagt Barbara Böttcher, die für die Deutsche Bank Frankreich analysiert:

    "Wir haben zwischen Deutschland und Frankreich ja immer eine Balance in dem Sinne gehabt, dass Deutschland der wirtschaftlich stärkere Partner gewesen ist und Frankreich über seine Außenpolitik insgesamt der politisch starke Partner. Was wir jetzt beobachten im Zuge der Eurokrise ist, dass Deutschland ein Stück weit besser eben aus der Wirtschafts- und Finanzkrise herausgekommen ist und gleichzeitig auch der entscheidende politische Akteur auch in der Eurokrise ist."

    Immer noch ist Deutschland Frankreichs größter Exportmarkt. Rund 17 Prozent der französischen Exporte gehen über den Rhein. Umgekehrt sind es 9,5 Prozent. Deshalb hätte es Frankreich gern, wenn Deutschland mal den Exportmotor drosselte und die Binnennachfrage, auch die nach französischen Produkten, ankurbelte.

    Die Verflechtungen an der Basis sind durchaus eng. Die Zahl der französischen Tochterfirmen in Deutschland liegt bei etwa 4000 mit etwas mehr als 300.000 Beschäftigten. Umgekehrt gibt es gut 3100 deutsche Firmen mit Tochtergesellschaften in Frankreich, auch sie mit gut 300.000 Angestellten.

    "Auf Mikroebene, würde ich sagen, es gibt immer neue Liebesgeschichten zwischen Franzosen und Deutschen. Aber auf Ebene der Staaten? Ich meine, wie die Bevölkerung das sieht, dass beide Staaten nicht zusammen konvergieren oder Alleingänge versuchen."

    Sagt Jean-Philippe Lacour, der Wirtschaftskorrespondent von "Les Echos" in Deutschland.

    "Ich denke, die Probleme Frankreichs existierten schon. Also, Herr Hollande hat ein Land gefunden, das in ziemlich schwieriger Wirtschaftslage ist und immer mehr skeptisch sich selbst betrachtet. Man möchte viel von Deutschland lernen, ich glaube aus französischer Sicht. Aber auch keine Lektion erteilt bekommen."

    Sie sollten sich zusammenraufen, meint der Geschäftsmann auf dem Frankfurter Bahnhof. Denn Deutschland und Frankreich, das seien nun mal die entscheidenden Mächte in Europa.