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Völkermord an Herero und Nama
Viel Druck im Kessel bei Verhandlungen mit Namibia

Seit zwei Jahren laufen zwischen Deutschland und Namibia Verhandlungen um Anerkennung und Entschädigung für den Völkermord an den Herero und Nama durch deutsche Schutztruppen vor über 100 Jahren. Die Gespräche waren ins Stocken geraten, jetzt ist nach einem Jahr Pause wieder in Berlin verhandelt worden.

Von Christiane Habermalz | 30.09.2017
    "Deutschland muss bezahlen": Forderung auf einem Auto in Windhuk, Namibia.
    "Deutschland muss bezahlen": Forderung auf einem Auto in Windhuk, Namibia. (BRIGITTE WEIDLICH / AFP)
    Am liebsten wäre es den Verhandlungsführern, dem CDU-Politiker Ruprecht Polenz und dem honorigen, langjährigen namibischen Diplomaten Zed Ngavirue gewesen, wenn gar nichts an die Öffentlichkeit gedrungen wäre. Das Auswärtige Amt wollte noch nicht einmal bestätigen, dass dieser Tage die namibische Delegation zu Gesprächen in Berlin ist. Man hat Stillschweigen vereinbart, bis es erste konkrete Ergebnisse bei den schwierigen Verhandlungen gibt.
    Forderung nach Anerkennung, Entschuldigung, Entschädigung
    Doch wo viel Druck im Kessel ist, lässt sich der Deckel oft nicht draufhalten. Die Herero-Vertreter in der namibischen Delegation sind ungeduldig. Anerkennung, Entschuldigung, Entschädigung, das sind für sie die drei Schlüsselwörter für eine Aussöhnung. Doch nach fast zwei Jahren bilateraler Gespräche wird immer noch um Worte gefeilscht.
    "It is especially now that we have an issue of terminologies. So that in itself it is been seen as a delayment from the German side."
    Wir haben mit den Deutschen ein Terminologie-Problem, das allein verzögert die Verhandlungen von der deutschen Seite aus sehr, sagt John Kasaona, Herero und Mitglied des Technical Committee der namibischen Verhandlungsdelegation. Er sitzt mit zwei weiteren Delegationsmitgliedern, den Herero-Chiefs Festus Tjikuua und Freddy Nguvauva, in einem Berliner Restaurant.
    Nicht unerhebliche Summe "zur Heilung der Wunden"
    Denn die Deutschen sind willig, sie wollen sich offiziell entschuldigen, sie wollen eine nicht unerhebliche Summe, wie Ruprecht Polenz es ausdrückt, "zur Heilung der Wunden" in Projekte und Infrastruktur stecken, die den Siedlungsgebieten der Nachfahren der überlebenden Herero und Nama zugutekommen. Doch dies soll geschehen, ohne dabei die Worte "Völkermord", "Entschuldigung", und "Reparationszahlungen" zu verwenden. John Kasaona schüttelt den Kopf.
    "Für uns ist die Sache einfach so, wie sie ist! Die Deutschen wollen Reparationszahlungen leisten, aber nicht sagen, wofür. Wie soll das gehen, wenn sie das Wort Völkermord nicht benutzen wollen? Sie wollen sich entschuldigen, aber ohne das Wort Entschuldigung auszusprechen! Wenn sie sich zu sehr verdrehen, wird in Namibia diese Entschuldigung am Ende niemand anerkennen. Wir müssen an dem Punkt endlich weiterkommen."
    Furcht vor dem Präzedenzfall
    Für die deutsche Seite ist die Sache heikel. "Völkermord" oder "Reparationen" sind völkerrechtliche Termini, "Entschuldigung" impliziert ein Schuldeingeständnis auch im juristischen Sinne. Man fürchtet einen Präzedenzfall, der andere Entschädigungsforderungen, etwa aus Griechenland oder Italien für die Massaker der SS an der Zivilbevölkerung zur Folge haben könnte. Doch auch die namibische Regierung ließ sich zuletzt Zeit.
    Sie dürfte noch mit einem Auge auf das US-Bezirksgericht in New York blicken.
    Dort haben einzelne Herero-Vertreter Deutschland auf Reparationszahlungen verklagt, außerdem fordern sie, direkt an den Verhandlungen beteiligt zu werden. Windkoek hat zwar dementiert, selber eine Klage vorzubereiten, gleichzeitig aber internationale Anwälte mit der Prüfung einer eigenen Klage beauftragt. Vielleicht nur als Druckmittel - doch es sorgt für Irritationen beim deutschen Partner. Dennoch seien die jüngsten Gespräche in konstruktiver und angenehmer Atmosphäre verlaufen, erklärte Ruprecht Polenz gestern Abend gegenüber dem Deutschlandradio.
    "Wir haben große Aufmerksamkeit auf die Vorbereitung der Rückführung namibischer Gebeine gelegt, hatten da auch heute eine Ortsbesichtigung mit Vertretern der evangelischen Kirche am französischen Dom, und das wird jetzt, so ist die Planung, unter Beteiligung der evangelischen Kirche in Deutschland, der namibischen Kirchen und der beiden Regierungen vorbereitet."
    Zukunftsstiftung und Infrastrukturprojekte
    Auch in anderen Punkten herrscht bereits weitgehend Übereinstimmung. Eine gemeinsame, würdige Gedenk- und Erinnerungspolitik auf beiden Seiten, das sind zentrale Punkte der Zukunftsstiftung, die in Folge der Verhandlungen gegründet werden soll, außerdem Projekte zur Berufsbildung, zu Energie- und Wassergewinnung, Wohnraumbeschaffung für Familien. Die Herero haben noch ein weiteres Thema in die Verhandlungen eingebracht: Sie wollen ihre von den Deutschen gestohlenen Kulturgüter zurückhaben.
    "Unsere Chiefs, unsere Leute fragen immer noch nach dem Gürtel, den mein Ururgroßvater getragen hat, als er 1894 von den Deutschen exekutiert wurde. Es war ein kostbarer, historischer Gürtel, der jeweils für besondere Verdienste an hohe Würdenträger weitergegeben wurde. Nach seiner Hinrichtung haben die Deutschen den Gürtel mitgenommen, und andere Kulturobjekte auch. Er muss hier in Deutschland irgendwo sein."
    Aber wo, ob in einem Museum oder irgendwo auf dem Dachboden von Nachfahren eines deutschen Schutztrupplers, das weiß er nicht. Es sind noch viele Fragen offen auf dem Weg zur deutsch-namibischen Versöhnung.