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Vogelfiasko im Pazifik

Als vor rund 3500 Jahren erstmals Menschen auf die pazifischen Inseln gelangten, bot sich ihnen eine unberührte Tier- und Pflanzenwelt. Doch dies sollte sich schnell ändern. Wenige Jahrhunderte nach ihrem Eintreffen waren knapp 1000 Vogelarten ausgestorben.

Von Michael Stang | 26.03.2013
    Hochrechnungen zufolge verschwanden gleich nach Ankunft der ersten Siedler auf Melanesien, Mikronesien, West- und Ostpolynesien sowie Hawaii mindestens 160 Vogelarten.
    Hochrechnungen zufolge verschwanden gleich nach Ankunft der ersten Siedler auf Melanesien, Mikronesien, West- und Ostpolynesien sowie Hawaii mindestens 160 Vogelarten. (picture alliance / dpa - Pekka Sakki)
    Mit den Siedlern kam der Tod. Auf diese einfache Gleichung lässt sich die Ankunft des Menschen zumindest in Melanesien, Mikronesien, West- und Ostpolynesien sowie Hawaii reduzieren. Als erstmals Menschen vor rund 3500 Jahren die Inselwelt des Pazifiks bewohnten, hatte das erheblichen Einfluss auf die Vogelwelt, so der Biologe Richard Duncan von der Universität Canberra in Australien.

    "Für unsere Studie haben wir zuerst geschaut, welche Vögel heute noch auf diesen Inseln wohnen. Dann haben wir uns angesehen, ob von diesen Tieren auch Knochen bei Ausgrabungen entdeckt wurden oder nicht. Denn nicht von allen Tieren bleiben zwangsläufig Knochen erhalten. Danach haben wir uns die Knochen der ausgestorbenen Vögel angeschaut und überschlagen, wie viele Vögel einst dort gelebt haben, auch wenn wir nicht von allen diesen Tieren heute Fossilien finden."

    Damit konnte Richard Duncan hochrechnen – und das ist der Kernpunkt der neuen Studie – wie groß der Artenschwund der Vogelwelt tatsächlich war, denn nun gibt es erstmals statistisch belastbare Zahlen auch über ausgestorbene Arten, von denen es keine Knochenfunde gibt. Diesen Hochrechnungen zufolge verschwanden gleich nach Ankunft der ersten Siedler mindestens 160 Vogelarten. 3000 Jahre später war die Vogelwelt massiv reduziert.

    "Wir haben nun einen wesentlich besseren Überblick darüber, wie viele Vögel tatsächlich damals verschwunden sind. Wir haben 41 Inseln untersucht und festgestellt, dass dort rund zwei Drittel der Vögel seit Beginn der ersten menschlichen Besiedlung ausgestorben sind. Rechnen wir das auf die ganze pazifische Inselwelt hoch, muss man von deutlich mehr als 1000 Vogelarten ausgehen, die als Folge der menschlichen Besiedlung dort ausgestorben sind."

    Zu den für immer verschwundenen Vogelarten gehörten nicht nur Tauben und Papageien, sondern viele Spezies, die zum Teil nur auf einem der winzigen untersuchten Eilande gelebt hatten.

    "Auf diesen weit entfernten Pazifikinseln lebten früher ja überhaupt keine Raubtiere, weder Katzen, noch Füchse oder Ratten. Dadurch hatten sich im Laufe der Zeit auch viele flugunfähige Vögel entwickelt, denn fliehen können musste ja keiner von ihnen, einige von ihnen waren zum Teil auch sehr groß."

    Dazu gehören etwa den Großfußhühnern nahestehende Arten, die bis zu anderthalb Meter groß und 40 Kilogramm schwer waren, ebenso verschwanden die flugunfähigen, entenartigen Mao-Nalos auf Hawaii, die damals zu den größten Pflanzenfressern der Insel zählten. Aber nicht nur eingeschleppte Raubtiere oder die Jagd des Menschen waren für das Aussterben vieler Vögel verantwortlich, auch die Veränderungen der Landschaft durch das Abholzen der Wälder hatten ihren Anteil am Verschwinden der Vögel.

    "Wir wussten zwar, dass es dort durch die Ankunft des Menschen bedingte Aussterbeereignisse gab, aber jetzt haben wir zum ersten Mal einen wirklichen Überblick, wo welche und wie viele Tiere ausgestorben sind. So hatten etwa Vögel auf größeren Inseln, wo es Berge und Niederschläge gab, bessere Überlebenschancen als Vögel auf kleinen und trockeneren Inseln."

    Damit steht dieser Tod der Vögel auf den Pazifischen Inseln für eines der größten, von Menschen verursachten Aussterbeereignisse der Geschichte. Vielen flugunfähigen Vögeln ereilte damit das Schicksal, welches Jahrhunderte später auch den Dodos auf Mauritius und den Moas in Neuseeland zuteil werden sollte.