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Vogelflug
Sparsames V

Biologie. - Viele Zugvögel fliegen in einer V-Formation, weil es eine Energie sparende Art des Reisens ist. Ein internationales Forscherteam hat nun die V-Formation eines recht unbekannten Vogels untersucht und die Ergebnisse heute im Fachmagazin Nature veröffentlicht.

Von Jochen Steiner | 16.01.2014
    Er ist etwa gänsegroß, mit dunklem Gefieder, hat einen langen, gebogenen Schnabel und einen kahlen Kopf: der Waldrapp.
    "Nein, der Waldrapp ist nicht der hübscheste Vogel. Aber er ist vom Aussterben bedroht. Nur eine kleine Population in Marokko gibt es noch. In Europa wurde er vor etwa 300 Jahren ausgerottet."
    Gerade einmal ein paar hundert Tiere haben in Nordafrika überlebt. Doch der Waldrapp soll auch in Europa wieder heimisch werden.
    "Der Verein Waldrappteam in Österreich hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Vögel wieder in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet in Europa anzusiedeln."
    Und dabei sollen auch Forschungsprojekte möglich sein, wie das von Dr. Steven Portugal vom Royal Veterinary College London und seinen Kollegen. Die britischen Wissenschaftler nahmen Kontakt zum Waldrappteam auf, weil sie sich dafür interessieren, warum Vögel wie Kraniche, Gänse oder eben auch der Waldrapp in einer V-Formation fliegen – ein Tier an der Spitze, die anderen versetzt dahinter, sie bilden ein V am Himmel. Forscher gehen davon aus, dass dies eine energiesparende Anordnung ist. Die ersten wissenschaftlichen Veröffentlichungen über die V-Formation von Zugvögeln gehen zurück in die 1940er Jahre. Sie handelten das Thema Energie sparen allerdings nur theoretisch ab.
    "Aber das war bis zum Jahr 2000 nicht wirklich bewiesen. Damals konnte ein französischer Forscher die Herzfrequenz von Pelikanen messen, die über einen See flogen. Die Tiere am Ende des Vs mussten sich weniger anstrengen als die an der Spitze. Aber die Studie erklärte den Mechanismus dahinter nicht."
    Steven Portugal und sein Team wollten herausfinden, wie sich Zugvögel im V genau verhalten, ob und wie sie sich aufeinander abstimmen. Solch eine Untersuchung hat es bislang im Freiland noch nicht gegeben. Die Biologen klebten auf den Rücken von 14 Waldrappen einen 23 Gramm leichten Datenlogger. Das Gerät ist mit einem GPS-Sender ausgestattet, es speichert die Position des Tieres bis auf 30 Zentimeter genau. Außerdem registriert der Logger jeden einzelnen Flügelschlag. Wie im Film "Amy und die Wildgänse" waren die 14 Waldrappe von Mitarbeitern des Waldrappteams aufgezogen worden. Sie lernten, einem Ultraleichtflugzeug der Forscher zu folgen. 2011 dann starteten die Waldrappe mit ihren Ersatzeltern von Salzburg aus in ihr Winterquartier nach Italien. Steven Portugal sammelte die Datenlogger drei Wochen lang nach jedem Flugtag wieder ein, um die Daten in den Computer zu übertragen.
    "Wir sind davon ausgegangen, dass sich die Vögel eine gute Position im V suchen, um ab und an vom Aufwind des vorausfliegenden Tieres zu profitieren. Aber sie registrieren den Aufwind sehr präzise und bewegen ihre Flügel genau so, wie es der vor ihnen fliegende Waldrapp tut."
    Die Vögel schlagen ihre Flügel also synchron. Jedoch mit einer Ausnahme: Wenn Waldrappe ihre Position im V ändern, also einige Tiere an eine andere Position fliegen, dann befinden sich diese Vögel eine kurze Zeit hintereinander.
    "Dann ist es so: wenn die Flügelspitzen des vorausfliegenden oben sind, sind die des dahinter fliegenden unten. Sie bewegen die Flügel asynchron. So minimieren sie die negativen Auswirkungen der Abwinde. Sie reagieren also sofort auf ihre jeweilige Position im V und die auftretenden Winde."
    Steven Portugal und sein Team fanden heraus, dass die Tiere ab und an ihre Position im V ändern - einen Anführer, der immer vorne fliegt, gibt es allerdings nicht. Die Forscher konnten außerdem zeigen, dass die Waldrappe ihre Flügelschläge blitzschnell an die aktuellen Windverhältnisse anpassen können. So nutzen sie die Aufwinde optimal aus. Doch wie die Vögel die Luftströmungen wahrnehmen, das wollen die Forscher jetzt in weiteren Studien klären.