Henning Mankell: "Der Sprengmeister"

Debütroman des Krimiautors Mankell erscheint auf Deutsch

Buchcover des Romans "Der Sprengmeister" von Henning Mankell
In "Der Sprengmeister" zeichnet Henning Mankell anhand einer ganz normalen Lebensgeschichte das einfühlsame Porträt eines Jahrhunderts. © Hansa Verlag / Zsolnay / dpa / Winfried Rothermel
Von Irene Binal · 31.07.2018
Mit 25 Jahren schrieb Henning Mankell seinen allerersten Roman "Der Sprengmeister". Jetzt, 45 Jahre nach der schwedischen Erstveröffentlichung, ist er auch auf Deutsch erhältlich. Ein Glück!
Im Jahre 1973 veröffentlichte Henning Mankell in Schweden seinen Debütroman "Der Sprengmeister". Die schwedischen Rezensenten waren angetan, eine deutsche Übersetzung stand damals jedoch nicht zur Diskussion. Erst jetzt, 45 Jahre später, wurde das Buch ins Deutsche übertragen. Und das ist für den Leser hierzulande ein Glücksfall.
Der Sprengmeister, das ist ein gewisser Oskar Johansson, der anno 1911, mit 23 Jahren, bei einem schweren Unfall nicht nur eine Hand und ein Auge verliert, sondern auch seine Jugendliebe Elly, die mit seiner Behinderung nicht umgehen kann. Oskar heiratet Ellys Schwester Elvira und kehrt in seinen Beruf als Sprengmeister zurück. Es ist ein karges und entbehrungsreiches Leben, das Geld ist knapp, erst recht, als die drei Kinder kommen. Nach Elviras Tod bleibt Oskar allein, zieht sich als Rentner in eine ehemalige Militärsauna auf einer Schäre zurück und erhält gelegentlich Besuch von einem Erzähler, der sich für Oskars Geschichte interessiert.

Das ganz normale Leben des Oskar Johansson

Es ist das ganz normale Leben eines Mannes, der sich für nichts Besonderes hält, gleichzeitig ein Leben vor dem Hintergrund großer Umbrüche. Oskar beobachtet den Aufstieg der Nationalsozialisten in Deutschland, der in den Zweiten Weltkrieg mündet, den Ungarn-Aufstand, die Diskussionen um die Atombombe und den Beginn des Vietnamkrieges.
Er beobachtet – aber als Teilnehmender sieht er sich nicht: "Er leugnete keineswegs, dass er Verantwortung und Pflichten hatte, aber er bewertete auch nicht seine Rolle in dem Ganzen, nicht einmal bei Einzelheiten." Dabei ist Oskar keineswegs unpolitisch: Er engagiert sich bei den Sozialisten und glaubt bis zum Schluss an die Revolution. "Die wird kommen", meint er, "früher oder später. Natürlich wäre es schön dabei zu sein."
Vieles in dem Roman ist typisch Mankell: die lakonischen Dialoge, der genaue Blick für jene, die immer zu kurz kommen, Oskars melancholische Schicksalsergebenheit, die an Kommissar Wallander erinnert. Anderes überrascht, etwa die Erzählweise, die zwischen Zeiten und Perspektiven hin und herspringt, mal Oskar zu Wort kommen lässt, mal seinen Besucher auf der Schäre.

Ein einfühlsames Porträt eines Jahrhunderts

Oft findet man ungewohnte Töne, etwa wenn der junge Henning Mankell seinem Zorn auf eine gleichgültige und lieblose Gesellschaft freien Lauf lässt: "Sprengteufel, Arbeiterschwein, Pack, Pack, Pack. Zwölf Blagen in der Küche, zehn weitere in der Kammer. Stapelt sie aufeinander. Rattenpolizisten. Verschimmeltes Essen. Kalt sollen sie es haben." Hier schwingt die Ungeduld des gerade mal 25-jährigen Autors mit, der die Welt verändern will und den Glauben an eine solche Veränderung nie verloren hat.

So entsteht in Einzelbildern eines ganz normalen Lebens das einfühlsame Porträt eines Jahrhunderts. Er habe, hat Mankell später gesagt, versucht, dieses Jahrhundert anhand eines menschlichen Schicksals zu beschreiben, "was natürlich fast unmöglich ist, aber irgendwie ging es dann doch". Nicht nur irgendwie: Seine selbst gestellte Aufgabe hat Henning Mankell in seinem Debüt mit Bravour gemeistert.

Henning Mankell: "Der Sprengmeister"
Aus dem Schwedischen von Verena Reichel und Annika Ernst
Verlag Zsolnay, Wien 2018
189 Seiten, 21,00 Euro

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