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Vogelmarkt in Jakarta
Ein eigener Kosmos

Der Vogelmarkt in Jakarta gehört zu den touristischen Attraktionen des Landes. Ob Papageien, Flughunde oder Hausfedervieh - zu Tausenden sitzen die Vögel in Metallkäfigen, schreien, kreischen, fressen. Vorausgesetzt, sie überleben den Transport.

Von Rilo Chmielorz | 21.08.2016
    Ein Mann sitzt an einem Stand mit Vogelkäfigen auf einem Markt in Jakarta, Indonesien.
    Ein Stand mit Vogelkäfigen auf einem Markt in Jakarta, Indonesien. (AFP / Jewel Samad)
    Abseits der völlig verstopften, zehnspurigen Autoachsen, die die Megacity Jakarta durchschneiden, tun sich immer wieder kleine Sträßchen auf, die oft nur Platz lassen für Motorräder oder Bajajs, jene orange angemalten, motorisierten Blechkisten-Taxis auf drei Rädern.
    Über eine dieser kleinen Straßen finde ich den Weg zum Pasar Burung, dem Vogelmarkt in Jakarta. Ich schlängele mich vorbei an Motorrädern überladen mit gestapelten Vogelkäfigen und einem Heer von Bajajs, die förmlich überquellen mit vollen Säcken voller Vogelfutter und frischen, grünen Bananen in Pappkartons. Hausfedervieh wird feilgeboten. Ein quirliges Treiben bereits auf der Straße.
    Ein eigener Kosmos
    Dann trete ich ein in einen eigenen Kosmos. Es ist heiß und stickig in dieser halb offenen Halle und es stinkt wie im Hühnerstall.
    Ein Labyrinth von Längs- und Quergängen tut sich auf und ich lasse mich treiben. Rechteckige Käfige werden zu Modulen und türmen sich auf zu etwa zwei Meter hohen Wänden, die eine Verkaufskoje von der nächsten trennen.
    Es sind Holzkäfige, vollgestopft mit kleinen orange-gelb gefiederten Gesellen, nicht größer als ein Spatz. Es müssen Hunderte sein und alle schreien in dieser Wand aus Vogelkäfigen.
    Bevor sie hierher verfrachtet wurden, müssen es Tausende gewesen sein, denn unweigerlich fällt mir wieder ein, was ein Freund über den Vogelmarkt erzählte: Von zehn Vögeln kommt nur einer lebend hier an.
    Im nächsten Verkaufsstand wieder eine Wand aus Käfigen, die deutlich größer sind. Hier hausen grüngefiederte Gesellen, etwa taubengroß mit orangen Köpfen und rotem Schnabel. Es könnten Zwergpapageien sein. Drei, vier oder fünf teilen sich ein Quartier. Grüne Bananen scheinen sie zu mögen und bei ihrem Mahl lassen sie sich nicht aus der Ruhe bringen.
    In einer der nächsten Kojen tut sich eine Wand aus Vogelhäuschen auf, die mir fast wie Puppenhäuser vorkommen: etwa 40 auf 50 Zentimeter groß, rosa gestrichen mit hellgrüner Türe, darüber ein geschnörkeltes Fensterchen mit Drahtgitter und zwei weitere, jeweils rechts und links neben der Türe. Die Fensterausschnitte sind sehr klein und ich erspähe etwas grau Gefiedertes. Sind diese Vögel lichtscheu? Brauchen sie Ruhe? Sind es vielleicht Brutstätten? - Niemand spricht englisch. Kein Ort für Touristen.
    Über meinem Kopf eine Konstruktion von Gitterrosten und Bambusrohren, an denen runde Vogelkäfige hängen. Im Gegensatz zu den minimalistischen Wand-Installationen der rechteckigen Käfige, hängen sie kreuz und quer von der vermeintlichen Decke runter. Weiße Tauben, Graupapageien. Manche residieren ganz alleine in einem Rundkäfig. Keine Massenware.
    Ein riesiger, roter Papagei, ein wunderschöner, hellroter Ara mit seinen weißen Bäckchen, gesprenkelt mit roten Punkten, sitzt in einem schmucklosen, großen Metall-Käfig und bearbeitet in stoischer Ruhe mit dem Schnabel seine rechte Kralle.
    Der hellblaue Papagei mit gelber Brust hat es besser: Er sitzt nicht im Käfig, sondern hangelt sich von rechts nach links und wieder nach rechts auf einer Querstange. Gleich unterhalb der Stange ein parallel verlaufendes Blech, auf dem eine Schale mit Sonnenblumenkernen und ein Wassernapf stehen. Erst auf den zweiten Blick sehe ich seine Fußfessel: Er ist angekettet.
    Zwischen Flughunden und Federvieh
    Ich biege ein in den nächsten Gang und bleibe vor einem mannshohen Metall-Käfig stehen: Drei wie in Latex gehüllte amorphe, schwarze Formen hängen an einer Bambusstange mit dem Kopf nach unten, wo ich zwei kleine runde Öhrchen erkennen kann. Das müssen Flughunde sein.
    Und immer wieder Hausfedervieh: Prächtige Hähne präsentieren sich in prächtigen Holzkäfigen. Unweigerlich kommen mir die Hahnenkämpfe in den Sinn, die Vicki Baum in ihrem Roman "Liebe und Tod auf Bali” so eindrücklich beschreibt. Es ging nicht nur um Sport und Spiel, sondern es war ein rituelles Opfer: Der Blutdurst der Dämonen musste mit ein paar Tropfen Hahnenblut besänftigt werden, denn sonst würde der Dämon in die Menschen fahren und diese würden selber zu kämpfen beginnen und einander zerfleischen. Einen starken Kampfhahn zu besitzen war so etwas wie ein Statussymbol.
    Hauskonzert hinter Gittern
    Im nächsten Gang Vogelfutter: Die viereckigen, roten Plastikschüsseln auf dem Verkaufstisch sind randvoll mit den verschiedensten Körnern. Die gewünschte Menge wird abgewogen. Der nächste Stand quillt über mit kleinen grünen Bananen. Die Futterabteilung scheint fest in Frauenhand zu sein, während die Vogelverkäufer hauptsächlich Männer sind, die mit der Kundschaft verhandeln und das verkaufte, gefiederte Objekt in einen durchlöcherten Pappkarton verfrachten.
    Vorbei an einem einsamen Truthahn und einer traurigen Ente, gelange ich schließlich zu den Ständen mit den allerschönsten Vogelkäfigen: Rosa, türkis, gelb, lasiertes Holz, gedrechselte Stäbe – es sind fast kleine Möbelstücke. In diesen kunstvollen Behausungen werden die Vögel dann jeden Tag auf`s Neue ihr Hauskonzert anstimmen.