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Volker Bouffier (CDU)
Große Koalition hat "deutlich an Ansehen verloren"

Seine Landes-CDU dringe mit ihren Themen nicht durch, sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier im Dlf. Dort wird Ende Oktober gewählt. Den Grund dafür sieht Bouffier in Berlin. Der Großen Koalition gelinge bislang keine überzeugende Vorstellung. Und die CSU habe ihren Kompass verloren.

Volker Bouffier im Gespräch mit Christoph Heinemann | 30.09.2018
    Volker Bouffier (CDU), Ministerpräsident von Hessen, am 09.02.2017 in Berlin. Er nimmt an einer Pressekonferenz nach dem Treffen der Regierungschefs der Länder und der Bundesregierung teil.
    Seit acht Jahren ist Volker Bouffier (CDU) hessischer Ministerpräsident (dpa/ Maurizio Gambarini )
    Christoph Heinemann: In vier Wochen finden die Landtagswahlen statt, hier in Hessen. Herr Ministerpräsident, dass Sie mit den Grünen können, haben Sie gezeigt, könnten Sie auch Jamaika?
    Volker Bouffier: Wir kämpfen als CDU natürlich darum, das wir so viele Stimmen bekommen wie irgend möglich. Und unser Ziel ist, dass Hessen auch in Zukunft von uns regiert wird. Und wir haben ausgeschlossen irgendeine Zusammenarbeit mit den Linken und genauso mit der AfD. Und mit den übrigen Parteien gilt der Satz, dass Demokraten miteinander auch arbeiten können müssen, deshalb kommt es ja auf das Wahlergebnis an, auf die Zahlen. Und wenn sich dann eine solche Situation ergäbe, bin ich mir ziemlich sicher, dass man eine vernünftige Zusammenarbeit organisieren kann.
    Heinemann: Sie kennen den letzten Hessentrend, minus zehn Prozentpunkte, warum, für die CDU?
    Bouffier: Also, wir haben zum gleichen Zeitpunkt eine Umfrage vom ZDF bekommen, da hatten wir 32 - das war die gleiche Zeit, gleiche Umfrage. Insofern glaube ich, dass das mit Zurückhaltung aufgenommen werden muss. Aber kein Zweifel, das ist zu wenig, das entspricht nicht unserem Anspruch. Und da muss man auch nicht drumherum reden, das merke ich jeden Tag - ich bin ja viel unterwegs und auch sehr viel im Wahlkampf -, wir dringen mit unseren hessischen Themen nicht durch, es ist alles überlagert von Berlin. Und das hat natürlich dann auch viel negative Begleitmusik, die uns nicht hilft. Und unser Ziel muss sein, dass wir in den verbleibenden vier Wochen klarmachen: es geht um Hessen. Und das, glaube ich, wird uns auch gelingen. Und dann werden die Zahlen sich auch wieder verändern, die werden nach oben gehen. Aber man muss nicht drumherum reden, gerade die letzten Wochen haben viel Vertrauen gekostet. Und es geht ja sowohl für die Union wie für die SPD ... also beide Parteien, die in Berlin die große Koalition bilden, haben beim Wähler deutlich an Ansehen verloren, und da bezahlen wir natürlich mit.
    "Causa Maaßen und Einiges drumherum hat uns geschadet"
    Heinemann: Wer ist dafür in Berlin verantwortlich?
    Bouffier: Das können Sie so sehen: alle. Und ich glaube, dass wir natürlich nicht anfangen können bei den letzten paar Tagen. Seit der Bundestagswahl ist es bisher nicht gelungen, einen wirklichen Arbeitsrhythmus, eine überzeugende Vorstellung dort abzugeben. Das liegt zum einen daran, die SPD hat am Wahlabend erklärt: "Wir hören auf, wir machen gar nicht mehr mit". Dann hatten wir uns für Jamaika engagiert - ich selbst war da sehr engagiert, ich hätte das für eine große Chance für Deutschland gehalten -, da ist die FDP vom Acker gegangen. Und dann war Jamaika auch zu Ende. Die Sozialdemokraten mussten sozusagen von "Wir machen gar nichts", zwei Parteitage, bis sie erst entschieden hat, dass sie mit uns überhaupt reden. Dann gab es die kürzesten Koalitionsverhandlungen, die es jemals gab - neun Tage -, aber gefühlt ging das Ganze ja schon seit der Bundestagswahl. Dann gab es endlich eine neue Regierung. Und als die so einigermaßen begonnen haben, hat dann Horst Seehofer einen Streit vom Zaun gebrochen, der uns ja nun auch extrem viel Kraft gekostet hat und auch Vertrauen. Und jetzt nehmen wir mal die letzte Zeit, also, die Causa Maaßen und Einiges drumherum, das hat mit Sicherheit uns erheblich geschadet.
    Und ich kann immer wieder nur die gleiche Antwort geben: Hessen ist anders - wir regieren sehr erfolgreich, aber ohne Krawall, ohne Streit, ohne ständige Krisensitzungen. Und ich bin sehr stolz darauf, dass ich fünf Jahre eine Regierung führe, die auf der einen Seite in der Sache eine sehr erfolgreiche Politik betrieben hat. Hessen ist ein sehr starkes Land, was sehr ernsthaft niemand bestreitet, wir sind sehr erfolgreich und das Ganze, wie gesagt, ohne Krawall und ohne ständiges Durcheinander. Und ich möchte vom Inhalt her diese Arbeit fortsetzen, aber auch vom Stil. Das unterscheidet sich eben von dem, was die Menschen aus Berlin erleben.
    Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier beim Interview der Woche mit Christoph Heinemann
    Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier beim Interview der Woche mit Christoph Heinemann (Deutschlandradio / Nils Heider)
    Heinemann: Sie haben Berlin eben auch noch einmal angesprochen. Jetzt ist eine Situation in dieser Woche da, in der offenbar nicht mal mehr die CDU-Bundestagsfraktion der Kanzlerin traut. Sind Sie auch deshalb dagegen, dass Angela Merkel im Deutschen Bundestag die Vertrauensfrage stellt?
    Bouffier: Nein, ich bin da ... das ist ja eine Entscheidung, die am Ende nur sie selbst treffen kann. Ich glaube nicht, dass das erforderlich ist. Ich bin sogar überzeugt…
    "Keine Absage an Frau Merkel"
    Heinemann: Aber muss so was jetzt nicht passieren?
    Bouffier: Wenn sie es gemacht hätte, hätte sie ein ganz überragendes Ergebnis bekommen, weil man zwei Dinge auseinanderhalten muss: Die Bundeskanzlerin hat als Parteivorsitzende Herrn Kauder zur Wiederwahl vorgeschlagen - wie übrigens auch der CSU-Vorsitzende und wie auch der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, also Herr Dobrindt, alle! Und der Grundgedanke, den ich auch persönlich unterstützt habe, war, dass in einer so schwierigen Zeit, in der so viele Dinge durcheinander sind, die Erfahrungen von Herrn Kauder sehr gut zu gebrauchen wären. Die Fraktion hat offensichtlich es anders bewertet. Da kommen viele Argumente zusammen, nicht zuletzt auch, 'Wir wollen jetzt mal selbst entscheiden und wir möchten jetzt vielleicht auch mal eine neue Person haben'. Das war aus meiner Sicht eine Reaktion oder Ausdruck einer Stimmung, die auch nicht zuletzt durch die Ereignisse der letzten paar Wochen dazu geführt hat, 'Nein, das wollen wir jetzt mal in die Hand nehmen'. Damit ist keine Absage an Frau Merkel verbunden, sondern da ging es jetzt erst einmal darum, …
    Heinemann: Keine Absage an Frau Merkel?
    Bouffier: … wir wollen als Fraktion eigenständiger werden und das verbinden wir jetzt auch mit einer neuen Person. Und, Brinkhaus hat ja gesagt, zwischen ihm und Frau Merkel passt kein Blatt. Also, ich glaube, diese Kombination, die kann man zur Seite legen, das war natürlich für jeden Parteivorsitzenden eine Niederlage, wenn sein Vorschlag nicht angenommen wird, aber das war kein Misstrauensvotum gegenüber der Kanzlerin.
    Heinemann: So kam es aber an. Und wenn Sie selber von einer Niederlage spricht, kann sie CDU-Bundesvorsitzende bleiben? Sollte sie den Vorsitz im Dezember abgeben?
    Bouffier: Ja, selbstverständlich. Das ist überhaupt gar keine Frage. Wie es ankam, weiß ich nicht. Was hätte denn Frau Merkel sagen sollen? Es sei eine Bestätigung oder ein Erfolg? Das ist ja Unfug. Sondern, wenn ich einen Vorschlag…
    Heinemann: Ja, aber sie ist doch geschwächt offenbar?
    Bouffier: Wenn ich einen Vorschlag mache und die Fraktion wählt aber jemand anderes - zwar knapp, aber immerhin -, dann ist das eine eigenständige Fraktionsentscheidung, die es auch zu respektieren gilt. Aber ich halte gar nichts davon, das zu überinterpretieren. Das ist natürlich sehr beliebt. Frau Merkel ist vor wenigen Monaten als Kanzlerin gewählt worden. Wir haben immer die These vertreten - das halte ich auch für richtig -, Parteivorsitz und Kanzlerschaft in einer Hand zu halten. Wie das kaputtgeht und wie man es nicht macht, hat man gesehen bei Willy Brandt, bei Schmidt - das war alles nicht sehr erfolgreich. Und das wollen wir nicht. Und insofern halte ich das jetzt für eine logische Situation, dass sie als Parteivorsitzende wieder kandidiert. Und ich bin ziemlich sicher, dass die Partei das auch ganz breit so trägt.
    "Weil ich die AfD für eine Gefahr für unser Land halte"
    Heinemann: Frau Merkels Schwäche oder die Schwäche dieser Bundesregierung nutzt vor allem der AfD und das ist wiederum auch Ihr Problem jetzt hier in Hessen. Wieso halten Wählerinnen und Wähler die AfD hier zweistellig - laut Umfragen - für notwendig?
    Bouffier: Wir sind ja hier zwar sehr selbstständig und auch selbstbewusst, aber wir sind keine Insel. Die AfD - nach den Umfragen jetzt zweistellig - ist ja aber überall. Sie ist in Hessen deutlich geringer bewertet als im Bund. Also, das muss man schauen, das hat jetzt mit Hessen eigentlich gar nichts zu tun. Und wir sind sehr bestrebt, dass wir die AfD in der Sache stellen. Ich fahre ja eine sehr harte Auseinandersetzung mit der AfD - sehr, sehr hart und auch sehr persönlich -, weil ich die AfD für eine Gefahr für unser Land halte. Und das sage ich auch immer. Und insofern wollen wir so klein halten, wie es irgend geht. Und sie speisen sich aus Enttäuschung, aus Protest und teilweise auch aus schlichter Ablehnung dieses Systems. Das kann man in der Demokratie, das müssen wir auch ertragen - aber nicht widerspruchslos.
    Heinemann: Aber Sie sind ja nicht nur für die Sachauseinandersetzung. Sie haben auch gesagt, das könnte ein Prüffall werden für den hessischen Verfassungsschutz. Gerät die AfD damit nicht in diese Opferrolle, die sie so gerne hat - Opfer des Systems?
    Bouffier: Ich halte ... man muss zwei Dinge auseinanderhalten. Ein Kollege von Ihnen hat mich gefragt: Könnte das sein? Und wie immer: Das könnte sein. Aber jetzt geht es darum: Wann ist das so? Und es ist keine Frage der politischen Mehrheiten und auch nicht die Frage der politischen Opportunität. Ich war nun lange genug Innenminister, um die Dinge sehr gut beurteilen zu können. Die Frage, ob es einen Prüffall gibt oder einen Beobachtungsfall, die ist streng nach den sachlichen und juristischen Kriterien zu bewerten und nicht nach irgendwelchen Wunschvorstellungen oder am Ende politischen Entscheidungen. Die Autorität einer solchen Entscheidung, auch der Behörde, begründet sich ja gerade darin, dass sie nicht Gegenstand politischer Spekulationen ist. Und insofern ist der Satz so zu verstehen: Wenn es Umstände gibt in unserem Land, wo man nicht nur genau hinschauen muss, sondern wo man dann auch prüfen muss, dann ist das zu tun. Solange es diese Umstände nicht gibt, ist es nicht zu tun.
    Heinemann: Der Fraktionsvorsitzende der sächsischen CDU schließt jetzt eine Koalition mit der AfD nicht mehr aus. Bewegen sich da zwei aufeinander zu?
    Bouffier: Ich halte das für schlichtweg indiskutabel. Das kann es bei uns nicht geben. Das kann es auch für die CDU Deutschlands nicht geben. Das wäre die falsche Entscheidung. Denn es geht bei der AfD nicht um einen normalen politischen Konkurrenten, genauso wenig wie bei den Linken. Wir haben rechts und links Leute, die keinen klaren Strich ziehen zum Extremismus. Und genau der Strich ist notwendig. Wer mit Pegida marschiert, mit Alt- und Neonazis, mit der Identitären Bewegung, wenn Herr Gauland erklärt, er will das System abschaffen und auf Befragen, 'Was meinen Sie denn?' – 'Die Systemparteien, die Systemrechtsprechung, die Systempresse, die Lügenpresse.' Das sind alles Stichworte, die haben wir in Deutschland schon mal gehört. Und das mache ich ihm persönlich zum Vorwurf. Er reißt sozusagen die Brandmauern gegen Extremismus auf, verniedlicht und versucht genau die einzusammeln. Und das ist aus meiner Sicht eine Entwicklung, die mit ganz klarer Haltung, der mit ganz klarer Haltung zu begegnen ist.
    Und deshalb bin ich der festen Überzeugung: Wir haben bei der AfD Wähler und wir haben auch Mitglieder, die sind alles andere als Extremismus-verdächtig, aber entscheidend ist, was ihre Führung tut oder was sie unterlässt. Und wenn sie nun wirklich hetzt, ausgrenzt, wenn Frau von Storch erklärt, 'je länger Merkel regiert, desto eher - mit Freude - werden wir ihr das Fleisch vom Kadaver reißen', das ist eine Sprache des Hasses. Das ist kein Zufall, es ist immer wieder. Und wenn man sie dann stellt, dann tun sie so, als hätten sie das nicht gesagt, hätten sie nie gehört, sie würden es nie billigen. Und ich will ein Beispiel sagen, weil wir Hessen da besondere Erfahrungen haben. Die AfD ist in Hessen gegründet worden. Das war die Aktion der Ökonomieprofessoren. Der Vorsitzende hieß Lucke. Jetzt gucken Sie mal, was aus der Truppe geworden ist. Die sind weg! Dann kam Frau Petry. Frau Petry ist weg! Gegen den thüringischen AfD-Vorsitzenden hat man lange Zeit ein Ausschlussverfahren betrieben. Davon hören wir nichts mehr, ganz im Gegenteil, der übernimmt immer mehr das Kommando. Das heißt, diese Partei bewegt sich immer weiter in die extreme Ecke. Und deshalb ist das eine Gefahr für Deutschland. Und damit das nicht untergeht, solange die Linke nicht bereit ist klar Stellung zu beziehen, wenn zum Beispiel - wie beim G9-Gipfel in Hamburg - Betonplatten auf Polizeibeamte runtergeworfen werden und die nicht bereit sind diejenigen, die so etwas tun, klar zu verurteilen und sozusagen immer der Polizei die Schuld zuzuschieben, sind wir da ganz klar: Weder links noch rechts kann ein Bündnispartner sein!
    Heinemann: Thema noch mal AfD. Das Thema dieser Partei ist die Migration. Wird Hessen im Bundesrat der Einstufung der Maghreb-Staaten als sicherer Drittstaaten oder als sicherer Herkunftsländer zustimmen?
    Bouffier: Da sind wir ja gerade am Wirken. Sie kennen die Position der Grünen, die tun sich schwer. Aber ich darf Ihnen sagen, wir hatten auch im Rahmen der Jamaika-Verhandlungen letztes Jahre eine Lösung gefunden, die aus meiner Sicht auch hier tragen könnte. Ich halte es für richtig, dass wir das tun. Und jetzt müssen wir eine Lösung finden, wie wir für besondere Gruppen – wir nennen das in der Fachsprache "vulnerable Gruppen", also, Homosexuelle, Journalisten und andere - ein System etablieren, wie wir Sorge dafür tragen, dass deren Verfahren ganz besonders beachtet werden. Es bleibt ja bei einem Asylverfahren, es ist halt nur verkürzt und auch eher standardisiert, und dort sehe ich eine Kompromissmöglichkeit. Und im Endeffekt müssen wir dann mal schauen, was der Bundestag eigentlich macht. Der Bundestag hat es ja noch nicht beraten. Ich könnte mir vorstellen, dass auch im Bundestag dort noch verschiedene Erwägungen hinzutreten. Und wenn wir das wissen, dann werden wir uns hier entscheiden.
    "Wir sind ja nun keine Idioten"
    Heinemann: Interview der Woche im Deutschlandfunk mit Volker Bouffier, CDU, dem Ministerpräsidenten des Landes Hessen. Morgen, am Montag, tagt der Koalitionsausschuss, es geht um Diesel-PKW. Werden künftig in Frankfurt am Main Dieselfahrzeuge noch fahren können?
    Bouffier: Ich bin fest davon überzeugt, dass wir das können. Wir wollen auf der einen Seite die Grenzwerte einhalten und auf der anderen Seite Fahrverbote vermeiden. Das geht aus unserer Sicht. Und wir haben zwei Ebenen. Wir haben ein Urteil des Verwaltungsgerichts bekommen, das sehr, sehr eng ist, das ganz außergewöhnliche Feststellungen trifft. Die halten wir nicht für verhältnismäßig, denn das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner grundlegenden Entscheidung gesagt: 'Alles, was ihr da macht, muss am Ende dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen'. Wir halten dieses Urteil nicht für verhältnismäßig, weil Hunderttausende von Menschen betroffen sind und auch die vorgegebenen Zeiträume, et cetera, das halte wir alles für nicht realistisch. Das heißt aber nicht, dass wir nichts tun. Und wir sind der Auffassung, dass durch eine Fülle von Verkehrsmaßnahmen, aber eben auch durch die Hardware-Nachrüstung erheblich hier die Schadstoffbelastung gesenkt werden kann. Und diese Abwehrnachrüstung verlangen wir von der Industrie - wir sind überzeugt, das geht auch. Ich erinnere, die Industrie hat schon damals beim Katalysator immer gesagt, 'Das geht irgendwie nicht' – heute redet kein Mensch mehr drüber. Und dann muss es so sein, dass diese Nachrüstungen entsprechend angeboten wird und zwar nicht auf Kosten der Autobesitzer oder -fahrer.
    Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und sein Stellvertreter Tarek Al-Wazir (Die Grünen) hantieren mit einem schwarz-grünen "Hessenlöwen"
    Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und sein Stellvertreter Tarek Al-Wazir (Die Grünen) (picture alliance / dpa / Boris Roessler)
    Heinemann: Die sollen nichts zahlen?
    Bouffier: Ich möchte nicht, dass die bezahlen. Und am Ende braucht es eine Lösung, in der diejenigen, die ein Auto gekauft haben, keinen Schaden haben. Das kann sein durch Nachrüstung, wenn das nun nicht geht oder unter völlig unverhältnismäßigen Umständen, dann kann man auch eine Entschädigungslösung vorsehen oder eine Umtauschlösung, damit die Flotte schneller umgetauscht wird. Da bin ich offen. Aber am Ende will ich sehr deutlich sagen, ich halte es für falsch, den Menschen jetzt noch eine weitere Belastung zuzumuten. Und ich kann auch niemand erklären, dass zum Beispiel VW in den USA 13 Milliarden bezahlt und hier in Deutschland muss ich dann hören, sie hätten Probleme mit ihren Aktionären. Die Aktionäre haben die 13 Milliarden auch verloren, die sie in den USA hingelegt haben. Und mir kann keiner erzählen, dass die Bürger in Hessen und in Deutschland schlechter behandelt werden als in den USA.
    Heinemann: Aber wenn ich das richtig jetzt verstanden habe: Sie bestehen nicht auf einer Hardware-Nachrüstung?
    Bouffier: Doch. Wir wollen die Hardware-Nachrüstung, aber wir sind ja nun keine Idioten. Wenn es Situationen gibt, also bestimmte Fahrzeuge, wo das mit so hohem Aufwand verbunden ist, wo man sagen muss, das macht eigentlich keinen Sinn, dann sage ich: Okay, ist in Ordnung, dann muss aber der betreffende Dieselfahrer entweder ein gleichwertiges anderes Auto bekommen - gleichwertig -, mit dem er die Grenzwerte einhalten kann oder ihr müsst euch sonst was überlegen, aber eben nicht, dass der Bürger dann da steht und sagt, 'Naja, denen ist nichts eingefallen und zahlen soll ich jetzt auch noch'. Das kann nicht unsere Antwort sein. Und ich habe ja zur Kenntnis genommen, dass in den letzten zwei Wochen sich eine Menge bewegt hat. Also, wir haben vor einer Woche im Bundesrat genau das beantragt. Und ich bin seit längerer Zeit im sehr intensiven Gespräch mit dem Bundesverkehrsminister.
    Heinemann: Der sich gerade wieder zurückbewegt.
    Bouffier: Aber vor allen Dingen mit der Kanzlerin. Und Sie sehen ja, der Bundesverkehrsminister war erst gegen alles, dann hat er gesagt, 'Okay, können wir machen', dann hat er vorgetragen, 'Jetzt brauchen wir aber eine Beteiligung der Fahrer und Halter' und dann hat er erklärt, sein Ziel ist, dass sie eben nichts bezahlen - da sind wir uns einig. Und nun muss man schauen, wie weit die kommen, auch mit der Industrie. Aber ich will keinen Zweifel lassen: Wir werden daran festhalten, wir wollen, dass Fahrverbote vermieden werden. Und nur, wenn wir das vermeiden, stellen wir sicher, dass die Menschen am Ende nicht einen großen Schaden dadurch erleiden, dass sie mit ihrem Auto nicht mehr in die Stadt können, dass die Handwerker da stehen. Das ist alles absurd. Und das geht nach unserer Überzeugung im Kern mit zwei Wegen: Nachrüstung und auch eine Entschädigungslösung oder eine Austauschlösung. Aber letztlich immer so, dass der Bürger keinen Schaden hat.
    Heinemann: Dass der Bürger nichts zahlen wird und dass auch kein Steuergeld verwendet wird?
    Bouffier: Das mit dem Steuergeld ist mir relativ egal in Anführungsstrichen. Weil es ist immer Steuergeld, von dem wir reden. Und die Bundesregierung hat quasi über Nacht zwei Milliarden Steuergeld zur Verfügung gestellt für die Elektromobilitätsförderung. Und deshalb, wir möchten, dass die Industrie hier entsprechend ihrer Verantwortung gerecht wird. Und wenn es dann zum Ausgleich irgendeiner Spitze notwendig ist, dass es noch eine zusätzliche Leistung gibt, dann habe ich da nichts dagegen.
    Heinemann: Das heißt auch, mit Bundesmitteln, dass da noch mal Geld reingepumpt würde?
    Bouffier: Das könnte so werden, aber erst geht es mal darum, dass die Industrie ihre Verantwortung erfüllt. Und ich will auch sehr deutlich sagen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass das gelingen kann mit zwei, drei Modellen, sondern es muss breiter angelegt werden. Und das geht auch. Das erklären uns auch die Automobilzulieferer. Die sagen: 'Wir haben diese Dinger schon auf Halte, das können wir machen.' Und deshalb, ich verstehe die unterschiedlichen Interessenlagen, wir haben aber auch ein Interesse, dass die Automobilindustrie stark bleibt, das sind ja auch viele Arbeitsplätze, aber, man muss das jetzt abwägen. Es kann nicht sein, dass jemand, der nun gar nichts sich zuschulden kommen lassen hat, vor drei oder vier Jahren ein Auto kauft und heute bekommt er dann sozusagen mit Achselzucken gesagt, 'Du hast Pech gehabt.' Das kann nicht sein. Und da werden wir nicht mitmachen.
    "Wir schieben ab nach Afghanistan"
    Heinemann: Vor der Bundestagswahl hat sich eine Grundschulrektorin aus Frankfurt am Main während einer Fernsehsendung mit Angela Merkel über die Probleme in ihrer Schule ausgelassen, gesagt, sie habe da mit Kindern aus Familien islamisch geprägter Herkunft Probleme, Regeln würden nicht eingehalten, die Eltern kümmerten sich nicht richtig um die Kinder. Wie können Sie helfen?
    Bouffier: Diese Frage der Migration und auch der Flüchtlinge ist eine, die nicht sehr häufig in erster Linie gestellt wird. Es ist nicht so, dass die Leute gleich mit dem Thema kommen. Aber es ist doch breit vorhanden und es ist auch eine Sorge, ob es uns gelingen kann, das so zu gestalten, dass Integration wirklich funktioniert. Wir haben hier in Hessen, als einziges Land der Republik, schon im November 2015, also als damals jeden Tag Tausende kamen, ein Programm aufgelegt, das hatte zwei Titel. "Zur Aufnahme von Flüchtlingen" - das haben viele gemacht und nur wir haben den zweiten Teil hinzugefügt - "Zum Zusammenhalt der Gesellschaft". Und die Basis war: Alles das, was wir den Bürgerinnen und Bürgern hier heute bieten, die schon länger hier leben oder hier geboren sind, darf nicht darunter leiden, dass jetzt eine zusätzliche Aufgabe hinzukommt.
    Und so haben wir Tausenden von Polizisten, Verwaltungsrichter, Sozialarbeiter, aber auch viele andere eingestellt. Und wir haben dieses Thema sehr konsequent, aber ohne Schaum vor dem Mund betrieben. Und wir suchen nicht nach Problemen, sondern wir liefern Lösungen. Wir haben sehr viele mittlerweile in den Schulen soweit gebracht, dass sie dem normalen Unterricht folgen können, das heißt also, Deutsch gelernt. Wir wissen aus gerade den Gesprächen mit den Handwerksbetrieben, dass diejenigen, die gut Deutsch gelernt haben, auch eine gute Chance haben auf einen Ausbildungsplatz. Und in bestimmten Gewerken, sagen uns die Leute: 'Wir haben nur noch Flüchtlinge, die diesen Beruf ergreifen.' Wenn sie zum Beispiel schauen, ob sie noch einen finden, der Bäcker oder Metzger werden will, das ist extrem schwierig. Das heißt, wenn wir es klug machen, haben beide Seiten was davon.
    Wir lassen aber auch nichts anbrennen in der klaren Richtung. Wir schieben ab nach Afghanistan, was ja im Eigentlichen immer sehr kritisch von vielen Leuten gesehen wird. Und wir wissen sehr - und ich weiß das sehr, als langjähriger Innenminister -, das ist eine sehr schwierige Entscheidung. Das macht niemand gerne. Da geht es immer um Menschen und nicht um Holz. Trotzdem, wir halten klar Kurs: Wenn jemand hier straffällig wird - und da meine ich jetzt nicht zu schnell fährt oder so etwas -, dann hat er sein Schutzrecht verwirkt. Und dann muss er, wenn immer es geht, in seine Heimat zurück. Das ist in einigen Ländern nicht möglich, weil die den nicht nehmen oder andere Gründe. In Afghanistan geht das, nach unserer Überzeugung, und deshalb haben wir entschieden, dass wir Straftäter zurückführen. Und das ist ein Beispiel dafür, dass wir uns sehr engagieren für gelingende Integration, dass wir aber auch die Regeln achten.
    Heinemann: Zurück zum Anfang. Vor Hessen wählt Bayern. Was passiert in der Union, wenn die CSU bei der Landtagswahl einbricht?
    Bouffier: Das ist eine gute Frage. Ich kann Ihnen nur sagen, wir haben als Union - unabhängig von CDU und CSU - natürlich ein großes Interesse, dass die CSU sehr stark wird. Die CSU ist eine extrem erfolgreiche Partei und hat Bayern hervorragend regiert, hat aber in den letzten Monaten, sozusagen, den Kompass verloren und - ja - erheblich an Vertrauen eingebüßt. Was da rauskommt, wird man sehen. Die haben ja noch zwei Wochen. Und dann will ich nicht spekulieren, was dann passiert. Das hängt am Wahlergebnis. Und für uns ist entscheidend, dass wir den Menschen in Hessen klarmachen: Es geht um Hessen. Es geht nicht um Berlin, es geht auch nicht im Bayern, es geht um Hessen. Hessen, ein sehr erfolgreiches Land, mit einer Regierung, die besonderen Stil gezeigt hat. Und dafür wollen wir werben.
    Heinemann: Vielen Dank für das Gespräch.
    Bouffier: Alles Gute.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.