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Volksabstimmung
Die Schweiz schottet sich ab

Es war die knappste Volksentscheidung seit langem, die Ja- und Neinstimmen lagen im Promille-Bereich auseinander. Am Ende setzten sich die Schweizer durch, die eine Zuwanderung in die Schweiz begrenzen wollen. Das Verhältnis zur EU könnte darunter leiden.

09.02.2014
    Ein Poster der SVP am Eingang zu einem Saal, in dem Menschen an Tischen sitzen.
    Die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei (SVP) setzt sich mit ihrer Initiative durch (dpa/picture alliance/Marcel Bieri)
    Mit einer hauchdünnen Mehrheit haben die Schweizer Wähler die Beschränkung der Einwanderung beschlossen. In einer Volksabstimmung sprachen sich 50,3 Prozent der Eidgenossen für die von der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) auf den Weg gebrachte Initiative "Gegen Masseneinwanderung" aus, wie das Schweizer Fernsehen auf der Basis der vorläufigen Ergebnisse aus den Kantonen meldete. "Die Ja- und Neinstimmen liegen im Promille-Bereich auseinander", sagte Claude Longchamps, der Chef des Instituts gfs.bern, das im Auftrag des Schweizer Fernsehens "SRF 1" die Hochrechnungen vornimmt. So knappe Ergebnisse kämen alle zehn Jahre vor.
    Die Initiative verlangt die Wiedereinführung von Kontingenten und Obergrenzen für Zuwanderer aus dem EU-Raum. Die SVP macht Einwanderer für vielerlei Missstände in der Schweiz verantwortlich, darunter steigende Mieten und überfüllte Züge, aber auch Kriminalität. Die Migranten belasteten die Sozialsystem und erhielten überdurchschnittlich oft staatliche Hilfszahlungen, protestiert die Partei. Gut ausgebildete Einwanderer wie die Deutschen verdrängten die Einheimischen von den Arbeitsplätzen.
    SVP-Chef Toni Brunner sprach nach der Abstimmung von einer Wende in der Schweizer Einwanderungspolitik. Die Regierung in Bern wertete das Abstimmungsergebnis in einer Erklärung als "Systemwechsel in der Zuwanderungspolitik der Schweiz". Die neuen Verfassungsbestimmungen verlangten nun, dass die Zuwanderung durch Höchstzahlen und Kontingente begrenzt werde. Der Bundesrat werde dem Parlament "so rasch als möglich" einen Vorschlag für die Umsetzung der Bestimmungen unterbreiten.

    Regierung war gegen Initiative
    Plakat der Befürworter der Initiative
    So hatte die SVP ihr Anliegen beworben (dpa / picture-alliance / Thomas Burmeister)
    Seit dem Inkrafttreten der Abkommen über die Personenfreizügigkeit mit der Europäischen Union 2002 haben sich jährlich 80.000 EU-Bürger in der Schweiz niedergelassen - zehn Mal so viel wie die Regierung in Bern prognostiziert hatte. Die Schweiz ist nicht EU-Mitglied, wickelt aber den größten Teil ihres Handels mit EU-Staaten ab.
    Nach Angaben des Schweizer Bundesamtes für Statistik hatten im Jahr 2012 rund 35 Prozent der Bürger ab 15 Jahren einen Migrationshintergrund. Inzwischen leben etwa 300.000 Deutsche in der Eidgenossenschaft, die insgesamt knapp acht Millionen Einwohner zählt. Die Deutschen arbeiten als Ärzte, Wissenschaftler, Manager, in der Hotellerie und Gastronomie.
    Die Regierung in Bern hatte auf ein Scheitern der Volksabstimmung gehofft. Die Schweiz sei auf den Zuzug gut qualifizierter Ausländer angewiesen, betonten Regierungsvertreter im Vorfeld. Zudem befürchtet das Kabinett in Bern, dass das Ja zu dem SVP-Plan das Verhältnis zur EU stark belasten könnte. Brüssel werde sich nicht auf Neuverhandlungen des Abkommens zur Personenfreizügigkeit einlassen. Falls die Schweiz das Abkommen einseitig kündigen sollte, würde die EU alle anderen Abkommen mit den Eidgenossen auf Eis legen.
    Keine Neuregelung Abtreibungskosten
    In einer anderen Volksabstimmung lehnten laut gfs rund 70 Prozent der Abstimmenden eine Neuregelung der Kosten für Abtreibungen ab. Laut dem Vorstoß religiös-konservativer Kreise sollten die Krankenversicherungen generell nicht mehr für Schwangerschaftsabbrüche aufkommen. Die Regierung und alle großen Parteien waren gegen den Plan. Auch der Schweizerische Evangelische Kirchenbund SEK lehnte die Initiative ab. Die katholische Bischofskonferenz hatte keine Empfehlung für die Abstimmung gegeben.