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Volksabstimmung
Schweizer entscheiden über Rundfunkabgabe

Die Schweizer stimmen über eine neue Rundfunkgebührenordnung ab. Statt einer Geräteabgabe könnte, ähnlich wie in Deutschland, bald eine pauschale Haushaltsabgabe kommen. Die Abstimmungsvorlage entfachte eine kontroverse Diskussion über Sinn und Unsinn der Öffentlich-Rechtlichen. Besonders spannend: die Rolle des Radios.

Von Thomas Wagner | 13.06.2015
    Ein modernes Radiogerät
    In der Schweiz stimmen die Bürger über eine neue Rundfunkgebührenordnung ab. (picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt)
    Die Gegnerin: Eine Passantin in Zürich.
    "Ich find das eine Frechheit. Weil: Das Programm ist ganz schlecht. Wenn ich das mit Deutschland vergleiche, wenn ich ARD schaue oder ZDF, dann ist da vieles besser als hier in der Schweiz."
    Die Befürworterin: Doris Leuthardt , Schweizer Bundesrätin für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation:
    "Das ist aber gerechtfertigt, weil auch Unternehmen von Radio- und Fernsehangeboten in allen Landessprachen informieren. Radio- und Fernsehen informieren übe Wirtschaftsthemen. Sie analysieren. Sie ermitteln Börsenkurse sie geben Hintergrundinformation."
    Was die Gegnerin als Frechheit und die Bundesrätin als gerechtfertigt empfindet, hat viel zu tun mit der öffentlich-rechtlichen "Schweizerischen Radio und Fernsehgesellschaft", kurz SRG. Deren abendliches Informationsmagazin "Zehn vor Zehn" schauen regelmäßig Millionen – und bezahlen auch dafür, mit ihrer Rundfunkgebühr. Die wird derzeit pro Empfangsgerät erhoben, wie einst die GEZ-Gebühr in Deutschland. Das soll sich nun ändern: Die so genannte "Bilag", wie die Schweizer Rundfunkgebühr heißt, will die SRG zukünftig pauschal als geräteunabhängige Haushaltsabgabe in Rechnung stellen.
    "Immer mehr Publikum hört und sieht unsere Angebote nicht mehr direkt am Radio und am Fernsehen, sondern sie sehen das auf ihrem Smartphone, am Tablet oder am Computer. Und deshalb ist das alte Gebührensystem veraltet, ungerecht."
    So SRG-Sprecher Daniel Steiner. Allerdings: Am kommenden Sonntag sollen die neuen "Bilag"-Pläne per Volksabstimmung zu Fall gebracht werden.
    "Ich als Liberaler bin überzeugt: Ein starker Staat ist ein bescheidener Staat."
    Und dazu passe keine geräteunabhängige Rundfunkgebühr, betont Ulrich Bilger, Geschäftsführer des Schweizer Gewerbeverbandes. Der hat die Volksabstimmung gegen die neue Gebührenordnung auf den Weg gebracht. Begründung: Die SRG produziere längst nicht mehr bescheiden, sondern viel zu teuer. Diese Bedenken haben in der Schweiz eine Generaldebatte über den Stellenwert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausgelöst.
    Rainer Stadler ist Redakteur der Medienseite bei der "Neuen Züricher Zeitung." In seinem jüngsten Artikel wird deutlich: Die meisten Zeitungen der Schweiz machen Front gegen die neue geräteunabhängige Gebühr.
    Verlage reklamieren Hoheit über das Internet für sich
    "Heute steht der Konflikt um die Position des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Internet. Und da stoßen natürlich jetzt die Welten viel direkter zusammen. Da ist zum Beispiel die Frage, wie groß der Spielraum der öffentlichen Sender sein soll. Der ist teilweise bei uns größer als in Deutschland, weil beispielsweise die SRG mehr Werbung machen darf als ARD und ZDF im klassischen Fernsehen. Die SRG würde auch gerne mehr Werbung im Internet machen. Das ist ihr aber aufgrund des Widerstandes im Verlegerverband weitgehend verboten."
    Und der Widerstand kommt nicht von ungefähr: Denn die derzeitige-Konzession der SRG endet in zwei Jahren. Danach muss die Leitung der öffentlich-rechtlichen Schweizer Sendergruppe ein Zukunftskonzept vorlegen. SRG-Sprecher Daniel Steiner übt sich schon mal in Gedankenspielen:
    "Es könnte durchaus sein, dass das neue Nutzungsverhalten unseres Publikums, unseres Nutzers dazu führt, dass man vielleicht die zweiten Fernsehprogramme mal probeweise in einer Region in zehn Jahren nur noch online zur Verfügung steht, also nicht mehr via normale Verteilung."
    Was bei vielen Zeitungsverlegern, die die Hoheit übers Internet für sich reklamieren, nicht besonders gut ankommt. Daneben nennt Medienredakteur Rainer Stadler von der NZZ noch einen weiteren Grund für die schlechte Presse, die die SRG dieser Tage bekommt:
    "Da kommt natürlich auch der Nebeneffekt hinzu, dass die Leute in der Presse mit erheblichen Sparmaßnahmen konfrontiert wurden in den letzten zehn Jahren. Und da gibt es vielleicht schon so einen Neidfaktor, dass man denkt: ja wie – wir mussten so viel sparen? Und die haben's gemütlich beim öffentlichen Rundfunk, die haben gesicherte Einnahmen."
    Allerdings: Jene Verlage, die selbst kleine private Lokalradios oder Fernsehsender betreiben, hielten sich auffällig zurück mit dieser Kritik.
    "Auch deswegen, weil die kleinen Verlage engagiert sind beim lokalen Radio und Fernsehsender. Und diese würden nach dem neuen Gesetz profitieren, weil sie mehr Gelder bekommen als bisher. Vier Prozent des Gebührenvolumens gehen an die Privatsender."
    Nach dem neuen Gebührensystem würden die kleinen privaten Lokalsender sogar einen höheren Anteil vom Gebührenkuchen bekommen. Dennoch gehen Umfragen von einem äußerst knappen Ergebnis am Sonntag aus. NZZ-Medienredaktor Rainer Stadler:
    "Ich würde keine Wette abschließen, wie es ausgeht. - keine Ahnung, keine Ahnung."