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Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
Schneiderhan will reflektierende Gedenk- und Bildungsarbeit

Heute soll Wolfgang Schneiderhan, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr, zum neuen neuen Präsidenten des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gewählt werden. Vor ihm liegen große Aufgaben: Es geht um eine Neuausrichtung des Volksbunds - weg vom Image einer rückwärtsgewandten Veteranenvereinigung.

Von Christiane Habermalz | 28.04.2017
    Zu Beginn der Zeugenvernehmungen im Drohnen-Untersuchungsausschuss des Bundestags steht der Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan 2013 im Paul-Löbe-Haus in Berlin in dem Sitzungsaal an seinem Zeugenstuhl.
    Der Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan (dpa / picture alliance / Rainer Jensen)
    Die Zeit der Schlammschlachten sind endgültig vorbei, jetzt kann man wieder an die eigentliche Arbeit gehen. Das ist die Message von Wolfgang Schneiderhan am Vorabend seiner Wahl zum neuen Präsidenten des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Und: Seine Organisation sei keinesfalls die rückwärtsgewandte Veteranenvereinigung, als die sie der im vergangenen Herbst zurückgetretene Volksbund-Präsident Markus Meckel in der Öffentlichkeit dargestellt habe.
    "Der Rücktritt von Herrn Meckel hat nach meiner Auffassung so gut wie nichts mit inhaltlichen Fragen der Ausrichtung des Volksbundes für heute, morgen und übermorgen zu tun. Er hat sehr viel mehr zu tun mit inneren Spannungen, die entstanden sind aus einem sehr sehr ja, ich wills nennen, autoritären Führungsstil."
    Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr leitet derzeit interimsmäßig den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, doch am heutigen Freitag Nachmittag wird er aller Voraussicht nach auch ganz offiziell zum Präsidenten gewählt werden. Als sein Stellvertreter kandidiert der Grünen-Politiker und ehemalige Justizsenator Wolfgang Wieland.
    Mit der Neuwahl soll ein neues Kapitel aufgeschlagen werden, das alte wurde lange vom unschönen Machtkampf mit Meckel dominiert. Dabei hatte der frühere Bürgerrechtler und letzter Außenminister der DDR nach der Wende viele wichtige Fragen aufgeworfen. Er wollte den Volksbund modernisieren, ihn von einer Organisation, die sich über nahezu hundert Jahre verdienstvoll und im Stillen um die Soldatengräber zweier Weltkriege gekümmert hatte, zu einem politischen Akteur der nationalen Erinnerungskultur machen. Damit hat er den Verein mit seinen 200.000 zum großen Teil betagten Mitgliedern, Ehrenamtlichen und Spendern wohl schlicht überrollt.
    Meckel warf die Frage der Verantwortung auf
    Um Aussage zur Kriegsschuld, zur Verantwortung durch die Nationalsozialisten habe sich der Volksbund immer herumgedrückt, so der Vorwurf Meckels.
    "Man hat gesagt, wir sind für die Angehörigen da, wollen einen öffentlichen Raum der Trauer schaffen, ich bin aber der Meinung, es geht uns etwas an, gerade in diesem Generationenwechsel, wenn man in Zukunft eine Bedeutung haben will, muss man sich klar bekennen."
    Der Weg der Neuausrichtung sei auch schon vor Meckel beschritten worden, aber er brauche eben seine Zeit, sagt dagegen Schneiderhan. Inzwischen hat sich der Volksbund ein neues Leitbild gegeben, in dem er sich klar zur deutschen Verantwortung für die Millionen Toten des Zweiten Weltkriegs bekennt.
    Volksbund braucht ein neues Image
    Doch viele offene Fragen bleiben. An Schneiderhan wird es jetzt sein, dem Volksbund neues Leben für die Zukunft einzuhauchen. Da ist das Finanzproblem: Zwei Drittel des Etats von 50 Millionen Euro kommt aus Spenden, doch wenn die Kriegsgeneration und ihre direkten Angehörigen aussterben, dann wird dieser Strom versiegen. Langfristig müssen also mehr öffentliche Fördergelder her. Der Volksbund hat zudem ein Imageproblem, gilt als verstaubt. Es muss mehr vermittelt werden, lange Reihen von Grabkreuzen sprechen bei jungen Leuten nicht mehr unbedingt für sich. Derzeit werden 19 ausgewählte Friedhöfe zu Gedenkstätten mit begleitenden Ausstellungen ausgebaut werden. Schneiderhan weiß:
    "Die neue Aufgabe liegt in diesem Bildungsmoment. Und in dieser Entwicklung der Friedhöfe zu Lernorten. Das ist pädagogisch anspruchsvoll, das ist ein Wandel im Selbstverständnis, sicherlich."
    Auf dem Friedhof hat der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in den vergangenen beiden Jahren fast 6000 deutsche Kriegstote aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs und unmittelbar danach bestattet. Die Toten wurden an 145 verschiedenen tschechischen Orten geborgen und nach Eger gebracht. 
    Gräber auf der deutschen Kriegsgräberstätte im tschechischen Cheb (picture alliance / dpa / Uwe Zucchi)
    Doch auch die Kernarbeit ist noch längst nicht abgeschlossen. Erst vor wenigen Tagen wurde ein neues Massengrab bei Stalingrad entdeckt, mehr als 500 deutsche Soldaten wurden umgebettet und würdig bestattet, vielleicht einige identifiziert. Man leiste wichtige Versöhnungsarbeit – auch in Zeiten, in denen andere politische Kanäle versiegen würden, sagt Schneiderhan. Derzeit arbeite man an einem gemeinsamen Rechercheprojekt mit Russland zum Tod von deutschen und sowjetischen Kriegsgefangenen. Lange ein Tabuthema.
    "Da gibts die Vereinbarung zwischen Außenminister Steinmeier und Lawrow. Und da sind wir Pilotträger mit dem Volksbund und da werden wir wohl Ende Mai in Krasnodar zu ner Unterschrift kommen."
    Und der Volksbund kümmert sich auch um Ehrenmäler für gefallene deutsche Bundeswehrsoldaten. Die Aufgabe, Soldaten eine würdige Bestattung zu geben, werde leider nie enden – ob man das nun Krieg nenne oder nicht.