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Volkstheater Rostock
Politik fehlt Sinn für Kultur

Die Rostocker Bürgerschaft hat aus politischer Unkultur und striktem Sparwillen beschlossen, das Tanz- und Musiktheater aus dem Programm des Rostocker Volkstheaters zu kürzen. Rund 80 Mitarbeiter werden wohl gehen müssen. Können Schauspiel und Orchester ohne das erfolgreiche Musiktheater zukünftig überleben?

Von Hartmut Krug | 27.02.2015
    Der Intendant des Rostocker Volkstheaters, Sewan Latchinian vor hellblauem Hintergrund mit Schriftzug vom Theater.
    Intendant Sewan Latchinian muss hinnehmen, dass das Tanz- und Musiktheater gestrichen wird. (picture alliance / dpa)
    Natürlich sind Theater nicht unsterblich. Sie können aus Altersschwäche oder Publikumsmangel dahin scheiden. Doch in Rostock wird das Volkstheater gerade aus Unkultur und purem Sparwillen gemeuchelt.
    Dabei trat im September vergangenen Jahres mit Sewan Latchinian ein Hoffnungsträger sein Amt als neuer Intendant des Volkstheaters Rostock an. Mit einem Vertrag, der ihm die vier Sparten des Hauses garantierte: also Schauspiel, Oper, Ballett und Orchester. Worauf sich Latchinian mit Elan und durchaus ersten Erfolgen daran machte, das seit Jahrzehnten nicht sonderlich im Bewusstsein der Bevölkerung verankerte Volkstheater mit einer Fülle von Premieren und Aktionen dem Volk näher zu bringen.
    Tanz- und Musiktheater werden "heruntergefahren"
    Doch damit hatte der neue Rostocker Intendant seine Rechnung weder mit den Stadtpolitikern noch mit dem Kultusminister gemacht. Die Rostocker Bürgerschaft beschloss mit 26 zu 21 Stimmen, auch wenn das dem Vertrag mit Latchinian widerspricht, zwei der vier Sparten zu schließen. Nur nennt sie das anders: Bei ihr heißt es "2+2-Modell". Was bedeutet, Tanz- und Musiktheater sollen "heruntergefahren" werden und mit anderen Theatern des Landes "kooperieren". Da wird das Volkstheater wohl etwa 80 Mitarbeiter verlieren. Wie auf dieser Basis eine Kooperation funktionieren soll, ist völlig offen. Und wenn das Musiktheater als finanziell erfolgreichste Sparte wegfällt, werden es Schauspiel und Orchester allein schwer haben, wirtschaftlich zu arbeiten.
    Das wahre Theater wird eben in Rostock, der mit 200.000 Einwohnern einzigen Großstadt Mecklenburg-Vorpommerns, seit Jahrzehnten von den Politikern veranstaltet, die das Theater nur unter ökonomischen statt kulturellen Gesichtspunkten betrachten. Etwa alle zwei Jahre wechselte in den letzten Jahrzehnten in Rostock die Theaterleitung. Intendanten, die sich gegen Kürzungs- oder Schließungsabsichten wehrten, wurde gekündigt, was die Stadt stets eine sechsstellige Summe kostete. Und seitdem das Volkstheater 1991 als Regiebetrieb ein Bestandteil der Stadtverwaltung geworden war, gab es immer wieder Schließungsdiskussionen. Inzwischen hat sich die Mitarbeiterzahl des Volkstheaters seit dem Ableben der DDR von 740 auf derzeit 270 reduziert.
    Politiker wollen Theater vom Hals haben
    Natürlich könnte man sagen: Rostock braucht kein Stadttheater. Nur sagt das kein Politiker deutlich, auch wenn er nach dieser Devise handelt. Weil er dann inhaltlich argumentieren müsste. Was allerdings vom Niveau der Bürgerschaftssitzung berichtet wird, klingt nach einer Bankrotterklärung von Politikern, die nur endlich ihr Theater vom Hals haben wollen. Also wird mit falschen Zahlen phantasievoll jongliert, und weder das Theater noch die Bürger werden einbezogen.
    Schließlich hat sich Matthias Brotkorb, Mecklenburg-Vorpommerns Minister für Wissenschaft, Bildung und Kultur, bei seinem Versuch, die Theaterlandschaft mit Zusammenschlüssen von Bühnen neu zu strukturieren, heftig für das neue Rostocker Modell eingesetzt und versprochen, von den benötigten 50 Millionen für einen Neubau des maroden Volkstheaters, den die Rostocker Bürgerschaft bereits 1992 – also vor 22 Jahren – beschlossen hat, die Hälfte aus Landesmitteln beizusteuern. Allerdings ist Skepsis angebracht, dass es zu diesem Neubau wirklich kommt, denn bis Baubeginn könnte mindestens das halbe Rostocker Theaterensemble schon weg sein.
    Was bleibt für die Theaterleute, ist die Hoffnung auf ein positives Bürgerbegehren. Das wollen sie jetzt in Gang setzen.