Donnerstag, 25. April 2024

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Volkswagen-Konzern
"Das hat den Erfolg eines ganzen Geschäftsjahres zunichte gemacht"

Mit seinen Manipulationen bei den Abgaswerten von Diesel-Fahrzeugen hat sich der Volkswagen-Konzern den größten Verlust seiner Geschichte eingehandelt. "Den Schaden hat VW selbst verursacht", räumte der Vorstandsvorsitzende Matthias Müller ein. Er versprach den Mitarbeitern "soziale Verantwortung" und den Kunden, dass "auch das letzte Fahrzeug" in Ordnung gebracht werde. Aus dem Geschäftsbericht gingen auch die teils immensen Gehälter der Vorstandsmitglieder hervor.

28.04.2016
    Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, sitzt am 28.04.2016 bei der Bilanzpressekonferenz der Volkswagen AG im VW Werk in Wolfsburg (Niedersachsen).
    VW-Vorstandschef Matthias Müller (dpa / picture-alliance / Julian Stratenschulte)
    Im Geschäftsjahr 2015 habe es durch den Skandal eine Belastung in "noch nicht dagewesener Größenordnung" gegeben. 16,2 Milliarden Euro musste der Konzern zurückstellen. "Darin sind sämtliche Belastungen, die sich bis heute feststellen lassen, enthalten", sagte Müller bei der Präsentation des Geschäftsberichts. Die Rückstellungen seien für technische Maßnahmen und weltweite Rechtsrisiken gedacht. Unter dem Strich steht ein Minus von rund 1,6 Milliarden Euro.
    "Die Situation verlangt uns alles ab - auch finanziell"
    Müller räumte ein negatives Ergebnis und einen Konzernverlust ein. "Unsere Stärke im operativen Geschäft hat nicht gereicht, diese Last aufzufangen. Das hat den Erfolg eines ganzen Geschäftsjahres zunichte gemacht", sagte Müller. "Der Konzern ist aber robust genug, um die Einflüsse zu verkraften." Der Vorstandsvorsitzende war sichtlich bemüht, Optimismus zu verbreiten. Er sprach von einem "kerngesunden operativen Geschäft", lobte die Absatzzahlen von zehn Millionen weltweit verkauften Autos und die motivierten Mitarbeiter im Konzern.
    Doch im Mittelpunkt steht die Krise um den Abgasskandal. 2016 werde ein anspruchsvolles Jahr, unterstrich Müller: "Die aktuelle Situation verlangt uns alles ab. In jeder Hinsicht - auch finanziell."
    Spitzenverdiener im Vorstand bekommt 15 Millionen
    Was man von ihm und seinen Vorstandskollegen nicht behaupten kann, wie Kritiker entgegnen würden. Trotz seines Rücktritss im September strich der frühere VW-Chef Martin Winterkorn im vergangenen Jahr laut Geschäftsbericht 7,3 Millionen Euro Gehalt ein. Im Jahr davor waren es sogar 16 Millionen. Müller erhielt rund 3,9 Millionen Euro. Alle aktuell aktiven Vorstandsmitglieder verzichteten wegen des Skandals auf einen Teil ihrer Bonuszahlungen, ab 2019 ist jedoch eine rückwirkende Auszahlung möglich. Nach dieser Rechnung könnte Müller rückwirkend im für ihn besten Fall 8,6 Millionen Euro kassieren.
    In den vergangenen Wochen hatte die Frage der Boni für die VW-Vorstandmitglieder in der Öffentlichkeit hohe Wellen geschlagen. Teilweise war wegen des Dieselskandals und der daraus folgenden Milliardenlasten für den Konzern ein völliger Verzicht ins Gespräch gebracht worden. Müller erklärte, er "verstehe die öffentliche Diskussion", nicht aber, dass diese "in die Öffentlichkeit getragen wurde".
    Hans-Dieter Pötsch bekam laut Geschäftsbericht 2,9 Millionen Euro, er hat sich seinen Wechsel vom Vorstand an die Spitze des Aufsichtsrats nach Angaben von Unternehmens-Insidern mit einem zweistelligen Millionen-Betrag versilbern lassen. Aufsichtsräte verdienen deutlich weniger als Vorstandsmitglieder. Top-Verdiener 2015 im Vorstand war der für das Nutzfahrzeuggeschäft zuständige Andreas Renschler. Er bekam rund 15 Millionen Euro - darin enthalten ist allerdings eine Antrittsprämie von 11,5 Millionen Euro für seinen Wechsel von Daimler zu Volkswagen.
    Der Vorstand der Volkswagen AG mit Andreas Renschler (v.l.), Frank Witter, Rupert Stadler, Herbert Diess, Matthias Müller, Christine Hohmann-Dennhardt, Karlheinz Blessing, Francisco Javier Garcia-Sanz und Jochem Heizmann
    Ein teures Gremium - der aktuelle Vorstand der Volkswagen AG (dpa / picture-alliance / Sebastian Gollnow)
    Viele Mitarbeiter fürchten um ihren Arbeitsplatz, auf der Pressekonferenz schloss die Konzernführung auch die Veräußerung von Geschäftsteilen nicht aus. Müller sagte aber: "Wir stehen auch in harten Zeiten zu unserer sozialen Verantwortung für die Mitarbeiter. Das unterscheidet Volkswagen von manch anderem Unternehmen. Und das wird auch in Zukunft so bleiben."
    Rückrufe verlaufen nicht wie geplant
    Bei der Behebung der Folgen des Skandals will Volkswagen in Deutschland nun den Rückruf des Modells "Golf" vorziehen. Die Entscheidung habe das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) getroffen. Ursprünglich wollte VW als nächstes Modell den Typ "Passat" bundesweit in die Werkstätten zurückrufen. Doch einige Werte wären mit dem Update - anders als zugesagt - schlechter ausgefallen als zuvor. Welche Golf-Varianten den Vorzug bekommen, ist bisher ebenso unbekannt wie der Starttermin.
    VW muss die von den Manipulationen der Abgaswerte betroffenen Dieselmodelle nach und nach in die Werkstätten zurückrufen, um die Abweichungen zu beheben. Der Aufwand dafür kann von Modell zu Modell variieren, in vielen Fällen reicht laut Konzern ein Software-Update. Die Aktion wurde vom KBA als nationaler Aufsichtsbehörde angeordnet. Müller versprach, VW werde "auch das letzte Fahrzeug" in Ordnung bringen.
    (nch/kis)