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Vollgeld statt Buchgeld

Münzen und Banknoten machen im Euroraum nicht einmal zehn Prozent der Geldmenge aus. Der Rest ist fiktives Geld, das Banken zum Beispiel durch Kreditvergabe schaffen und das nur auf dem Papier existiert. Mit dem Vollgeld-System würde sich das radikal ändern.

Von Caspar Dohmen | 05.01.2013
    Der Ökonom Richard Werner lehrt an der britischen Universität Southampton Internationales Bankgeschäft. Zudem hält er regelmäßig Gastvorlesungen an der Universität in Frankfurt am Main. Die Stadt zählt mit dem Sitz der Europäischen Zentralbank, der Deutschen Börse und diversen Geschäftsbanken zu den wichtigsten Finanzmetropolen der Welt. Die Frankfurter Bürger sollten sich mit Geld also auskennen, dachte sich Werner und führte eine Umfrage durch. Er wollte wissen: Wer macht und verteilt das Geld? Er hat tausend Antworten erhalten und ausgewertet.

    "Es kam raus, dass 84 Prozent gedacht haben, entweder die Zentralbank oder die Regierung produziert das Geld und entscheidet über die Allokation des Geldes. Dann war noch eine andere Frage, würden Sie einem System zustimmen, in dem die Mehrheit der Geldmenge durch meist private, auch profitorientierte Unternehmen produziert und verteilt wird und nicht durch staatliche Organe. Und da haben über 90 Prozent gesagt, nein, das wollen wir nicht."

    Genauso aber ist es, auch wenn das Gros der Befragten genau das nicht will. Notenbanken schaffen nur den kleineren Teil des Geldes, das wir im Alltag verwenden, indem sie Münzen prägen und Banknoten drucken lassen. Diese Münzen und Noten machen jedoch im Euroraum nicht einmal ein Zehntel der Geldmenge aus.

    Den Rest der Geldmenge schaffen Geldinstitute, egal ob Deutsche Bank, Volksbank, Sparkasse oder Umweltbank. Sie schöpfen, was man Giral- oder Buchgeld nennt. Dieses Geld ist nicht physisch, sondern nur elektronisch vorhanden. Trotzdem hat dieses Geld den gleichen Wert wie harte Münzen oder Banknoten. Dieses Giralgeld macht derzeit 91 Prozent der Geldmenge in der Eurozone aus.

    Geschäftsbanken schaffen dieses Giralgeld mit jedem neuen Kredit, den sie vergeben. Nimmt ein Kunde beispielsweise zum Kauf einer Wohnung ein Darlehen von 200.000 Euro auf, überträgt die Bank den Betrag auf sein Konto. Damit schafft diese Bank 200.000 Euro wie aus dem Nichts. Der Wohnungskäufer überweist dann das Geld auf das Konto des Verkäufers. So zirkuliert es, bis der Hauskäufer sein Darlehen zurückbezahlt hat. Erst dann verschwindet dieses Geld wieder.

    Die Banken können Geld schöpfen, weil sie Kredite nur mit wenig Zentralbankgeld unterlegen müssen. Im Euroraum sind es derzeit etwa drei Prozent. Und deswegen ist der Einfluss der Europäischen Zentralbank auf die Geldmengenschöpfung auch nur noch gering. Grundsätzlich sind die Zentralbanken – auch als Notenbank oder Zentralnotenbank bezeichnet - in einem Währungsraum für die Währungspolitik zuständig – sie haben also für die Geldwertstabilität zu sorgen. Sie halten Währungsreserve eines Währungsraumes, refinanzieren Geschäftsbanken und emittieren Banknoten und bringen diese in Umlauf. Auf die Kreditvergabepraxis der Geschäftsbanken und damit auf die Geldschöpfung durch die Banken jedoch können sie nur indirekt Einfluss nehmen. Senkt die Notenbank die Zinsen, bedeutet dies eben keinesfalls automatisch, dass die Banken wie gewünscht mehr Kredite vergeben. Gleiches gilt umgekehrt, wenn die EZB die Zinsen erhöht mit der Absicht, dass die Geschäftsbanken weniger Kredite vergeben. Darauf verweist der Soziologe und Ökonom Joseph Huber von der Universität Halle:

    "Das wird offiziell gerne etwas heruntergespielt. Weil man wiegt sich in dem Glauben, dass man ja über verschiedene Instrumente, die Giralgeldschöpfung der Banken über das Banknotenmonopol und über den Zentralbankzins und ähnliche Dinge kontrollieren könne. Das ist eine Illusion, in Wahrheit ist das umgekehrt. Das Gesetz des Handelns liegt bei den Banken. Die Banken bestimmen, wie viel Geld per Kredit erzeugt wird oder auch gelöscht wird."

    Von dieser Möglichkeit machen die Banken in einem großen Ausmaß Gebrauch.

    "Das hat zu einer überschießenden Geldschöpfung geführt. Und die Krisen, die wir jetzt erleben auch in Europa, begonnen mit der Immobilienkrise in Europa und Amerika, jetzt eingemündet in die Staatsschuldenkrise, das ist ein direktes Ergebnis dieser über Jahrzehnte hinweg überschießenden, inflationär überschießenden Giralgeldschöpfung durch das Bankensystem."

    Seit dem Ausbruch der Finanz- und Staatsschuldenkrise können vor allem viele Iren, Portugiesen, Spanier oder Griechen ihre Kredite nicht mehr bedienen. Laut der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers beliefen sich die faulen Kredite bei Europas Banken 2011 auf 1,05 Billionen Euro. Das ist mehr als die dreifache Summe der jährlichen Ausgaben des Bundes. Reihenweise gerieten Banken nun in Schwierigkeiten. Ihre Rettung hat die Steuerzahler im Euroraum bereits 1,6 Billionen Euro gekostet.

    Regelmäßig waren Banken mit ihrer Kreditvergabepraxis in den vergangenen 30 Jahren mitverantwortlich für das Entstehen von Blasen. Nach deren Platzen kam es jedes Mal zu gravierenden Krisen, ob in Asien, Russland, Lateinamerika, Japan oder zuletzt eben in den USA. Menschen verloren Erspartes. Betriebe gingen pleite. Viele Leute standen ohne Arbeit da.

    Die Regierungen in den USA und der EU arbeiten nun an strengeren Regeln für die Banken. Einigen Finanzmarktexperten ist das zu wenig. Sie greifen eine alte Idee auf und wollen den Banken die Möglichkeit zur Geldschöpfung nehmen. Stattdessen soll über die Geldmenge künftig alleine der Staat bestimmen. Diese Idee wird in Deutschland unter dem Stichwort Vollgeld diskutiert. Was bedeutet der Begriff Vollgeld? Diese Frage geht an den Ökonomen Joseph Huber. Er ist hierzulande der bekannteste Verfechter dieser Idee.

    "Ja, das ist eine Abkürzung für vollgültiges gesetzliches Zahlungsmittel, abgekürzt wurde daraus eben Vollgeld. Also man kann auch sagen, vollwertig, wertstabil, vor allen Dingen aber auch sicheres Geld, das nicht verschwinden kann. Und dieses vollgültige gesetzliche Zahlungsmittel kommt eben aus einer unabhängigen staatlichen Quelle, der Zentralbank."

    Huber hat mit Gleichgesinnten einen Verein gegründet, der sich für die Einführung des Vollgeldes einsetzt. Dieser Verein nennt sich Monetative. Angelehnt ist Monetative an die Begriffe Legislative, Exekutive und Judikative, gemeint die Gewaltenteilung in Deutschland. Nach dem Willen der Vollgeldbefürworter soll künftig daneben als weitere Gewalt der Staat als Geldschöpfer, eben als Monetative, treten.

    "Ein Vollgeldsystem würde erstmalig der Geld ausstellenden Stelle, also der unabhängigen Zentralbank die Möglichkeit geben, diese Geldmenge vollständig unter Kontrolle zu haben, also nicht die Verwendung des Geldes, sondern die Menge des Geldes, die zirkuliert und das ist die wichtigste Voraussetzung überhaupt, um ein stabiles Finanzwesen zu erzeugen."

    Forscher des Internationalen Währungsfonds haben die Idee eines Vollgeldsystems erst kürzlich unter die Lupe genommen und sind zu sehr positiven Ergebnissen gekommen. Und auch immer mehr Bürger interessieren sich für alternative Lösungsansätze. Zu einer Veranstaltung der Monetative in der Berliner Bildungseinrichtung Urania etwa sind an einem Samstag gut 200 Zuhörer gekommen. Darunter Carsten Schafenberg:

    "Naja wir sehen ja schon seit ziemlich geraumer Zeit, dass das irgendwie nicht so weitergeht mit unserem Finanzsystem. Und so bin ich auf die Idee gekommen, mir Gedanken zu machen, wie es anders laufen könnte. Und das hier ist einer von mehreren Ansätzen."

    Im Englischen wird unsere heutige Art der Geldschöpfung mit dem Begriff "fiat money" bezeichnet. Anders als früher ist der Geldwert heute nicht mehr durch Edelmetalle wie Gold oder Silber gedeckt. Sukzessive entstanden ist unser Geldwesen im 18. Jahrhundert. Seitdem hat sich das Wesen des Geldes grundlegend verändert. Erstens hat sich der bargeldlose Zahlungsverkehr in und zwischen den Banken durchgesetzt. Zweitens etablierte sich das System der Mindestreserven, wonach Banken nur einen Teil ihrer Kredite durch Mindestreserven bei der Zentralbank unterlegen müssen. Drittens setzte sich das Monopol der Zentralbank auf die Ausgabe von Banknoten und Münzen in der westlichen Welt durch. Diesen Wandel beschreibt der britische Wirtschaftshistoriker Nial Ferguson in seinem Buch "Der Aufstieg des Geldes":

    "Man sah im Geld nicht mehr abgebautes, eingeschmolzenes und zu Münzen geprägtes Edelmetall, wie es die Spanier im 16. Jahrhundert getan hatten, sondern die Summe bestimmter Verbindlichkeiten (...) von Banken. Der Kredit war einfach die Gesamtheit der Aktiva von Banken."

    Mittlerweile kennen wir die Schattenseite dieses Geldsystems. Es erzeugt enorme Schwankungen. Sie entstehen, weil die Banken in Boomzeiten viele elektronisches Buchgeld schaffen und damit exzessiv Kredite vergeben; in der Rezession aber das Kreditangebot drosseln.

    "Sie rücken kein neues Geld raus und Geld, im Rückfluss von Kredittilgungen, das wird gelöscht. Und das verstärkt Konjunktur- und Börsenzyklen ungemein, sodass daraus schwerwiegende Krisen werden können."

    Die Schaffung von Geld und Kredit wäre entkoppelt, wenn sich die Vollgeldbefürworter eines Tages durchsetzen sollten. Der Staat würde das Geldschöpfungsprivileg der Banken einkassieren. Die aber wären weiter für die Kreditvergabe zuständig und würden bestimmen, wer in welchem Umfang Kredit erhält. Dieser Aufgabe könnten die Geldinstitute aber nur nachgehen, wenn die Kunden entweder ausreichend Einlagen bei der Bank deponiert haben oder sich die Banken gegen Zinsen bei der Zentralbank mit Zentralbankgeld eindecken.

    Die Notenbank könnte dann über drei Wege neues Geld in die Volkswirtschaft einschleusen: Erstens könnte sie den Geschäftsbanken verzinsliche Darlehen zuteilen. Zweitens könnte sie Bürgern einen Teil des neuen Geldes schenken. Eine Art Dividende also, von der jeder Bürger eines Staates profitieren würde. Drittens könnte die Notenbank dem Staat dieses Geld zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten oder der Entlastung der Staatskasse überlassen.

    Der Vollgeldansatz ist angelehnt an die Idee des 100-Prozent-Geldes von Irving Fisher. Der Amerikaner gehört zu den bedeutendsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts. Er entwickelte die Idee nach der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre. Fisher und andere Ökonomen seiner Zeit sahen als eine zentrale Ursache bereits der damaligen Krise die wundersame Geldvermehrung durch Privatbanken. Diese Wirtschaftswissenschaftler setzten sich zusammen und schrieben den so genannten "Chicago-Plan". Darin propagierten sie eine strikte Trennung von Bankgeschäft und Geldschöpfung. Erreichen wollten sie dies durch eine hundertprozentige Mindestreservepflicht der Banken bei der Kreditvergabe.

    Der Clou der Idee: Jede Geschäftsbank, Sparkasse oder Genossenschaftsbank könnte Kredite dann nur noch in einem Umfang vergeben, in dem sie tatsächlich über Einlagen von Kunden verfügt. Schnell fanden sich prominente Anhänger: Franklin D. Roosevelt, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika von 1933 bis 1945, sympathisierte mit der Idee der hundertprozentigen Mindestreserve. Er konnte sich jedoch gegen die Profiteure der bestehenden Ordnung – insbesondere die damals schon mächtige Bankenlobby - nicht durchsetzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg befürworteten sowohl der neoliberale Nobelpreisträger Milton Friedman als auch Walter Eucken - einer der Väter der Sozialen Marktwirtschaft - diese Art der Geldschöpfung durch den Staat. Davon angetan ist auch schon lange der SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi.

    Jaromir Benes und Michael Kumhof forschen beim Internationalen Währungsfonds. Die beiden Volkswirte haben den Chicago-Plan nach 60 Jahren aus dem Archiv geholt und durchgerechnet, was eine Einführung für die USA heute praktisch bedeuten würde. Ihre Studie ist als IWF-Arbeitspapier erschienen und spiegelt nicht notwendigerweise die Position des Fonds wieder. Ihre Arbeit hat für viel Aufsehen gesorgt. Die beiden Forscher bestätigen alle vier, von Irving Fisher beschriebenen Vorteile. Michael Kumhoff:

    "Der erste ist eine sehr viel bessere Kontrolle von Konjunkturzyklen Der zweite Vorteil: Alle Bankeinlagen wären hundert Prozent durch öffentliches Geld gedeckt. Das heißt, es gibt also überhaupt keine Frage, dass der Einleger sein Geld nicht mehr zurückkriegen könnte. Der dritte und der vierte Vorteil haben alle mit Schulden zu tun."

    Denn die Staatsschulden würden in Staatsvermögen umgewandelt. Heute leihen sich Staaten bei Anlegern Geld und müssen diese Darlehen verzinst zurückzahlen. Im Vollgeldsystem dagegen würden die Staaten Geld in Umlauf bringen. Und Privatbanken, die sich Geld vom Staat leihen, müssten dafür Zinsen zahlen. Die IWF-Ökonomen haben noch zwei weitere Vorteile entdeckt:

    "Einer ist, also, dass das Bruttosozialprodukt ansteigen könnte um bis zu zehn Prozent. In einem System, wo sehr viel weniger Schulden im System sind, würden auch die Zinssätze geringer werden. Denn ein ganz gewaltiger Anteil der Realzinsen besteht ja in einer Risikoprämie, die höher ist, wenn die Schuldner mehr verschuldet sind. Geringere Zinssätze bedeuten mehr Investitionen und das bedeutet mehr Kapital und mehr Produktion. Zweitens der Staat wäre in dieser Welt sehr viel stärker, denn er hätte dann diese Einnahmen aus der sogenannten Seigniorage, das ist die Einnahme vom Drucken von Geld."

    Unter Seigniorage versteht man den Gewinn aus der Geldschöpfung. Heute kassiert jede Notenbank diesen Gewinn ein, wenn sie Münzen und Geldscheine im Nennwert in Umlauf bringt. Abzüglich der geringen Herstellungskosten verbleibt nämlich ein Gewinn. Den überweist die Notenbank an die Regierung oder sie stärkt ihre Rücklagen.

    Die Seignorage aus der Giralgeldschöpfung jedoch zweigen die Geschäftsbanken für sich ab. Kritiker halten diese gängige Praxis für ordnungspolitisch fragwürdig und wenig leistungsgerecht. Aber damit haben sie wenig Beachtung gefunden. Nach der Einführung des Vollgelds würde dieser Gewinn ebenfalls bei der öffentlichen Hand anfallen. Für die USA hat Kumhof eine beträchtliche Summe ausgerechnet:

    "Diese Einnahmen des Staates würden sich auf ungefähr 3,6 Prozent des Bruttosozialprodukts pro Jahr belaufen. Das ist viel, aber nicht genug, um zum Beispiel alle Steuern abzuschaffen, aber es wäre genug, um die Steuern ganz erheblich zu senken, um fünf Prozentpunkte zum Beispiel für die Steuern auf Arbeit und Kapital."

    Man könnte einen Teil dieses Geldes auch als eine Art Bürgerdividende in Umlauf bringen. Das haben Siedler in Nordamerika schon während der Kolonialzeit ausprobiert. Diese Episode erzählt Joseph Huber.

    "Das heißt, jeder Steuerzahler in Maryland hat also einen bestimmten Betrag an Papiergeld in Pfund bekommen und das war sehr wirksam und hat sich auf das reale Wirtschaftswachstum sehr wohltuend ausgewirkt. Die britischen Banken haben dann also eben Lobbyismus betrieben und haben bewirkt, dass dieses Experiment in den 1750er, 60er Jahren abgebrochen werden musste. Und das war eine der Voraussetzungen für den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg."

    Es gibt einige solcher historischer Anknüpfungspunkte. Schließlich ist die Diskussion um private versus staatliche Geldschöpfung alt. Eine Parallele gibt es auch zum Banknotendruck.

    "Damals im Zuge des industriellen Wachstums entstanden die sogenannten Zettelbanken. Da haben also Privatbanken Privatgeld, also private Banknoten ausgeben und es entstanden ähnliche Probleme wie heute, wo die Banken eben Giralgeld erzeugen können."

    Weil Banken häufig zu viele Noten druckten, verursachten sie Krisen. Deswegen übertrugen Staaten im 19. Jahrhundert die Aufgabe als Monopol an Zentralbanken. In der Schweiz will der "Verein für Monetäre Modernisierung" das Vollgeld durch eine Änderung der Verfassung mittels Volksentscheid erreichen. Unterstützt wird er von einem breiten politischen Spektrum: Dem Verein gehören Mitglieder aus der liberalen FDP, der nationalkonservativen SVP, der Grünen sowie der Alternativen Liste an. Auch hier gehört Joseph Huber zu den Initiatoren des Vereins,- neben dem Schweizer Ökonom Hans Christoph Binswanger und dem Juristen Philippe Mastronardi.

    "Die Schweiz kann so etwas sicher sehr gut umsetzen. Es ist ein kleines überschaubares Land einerseits mit einer ganz guten Elitenintegration, kurze Kommunikationswege. Und die Schweiz ist ein ökonomisch starkes Land mit einer starken Währung und über politisch-ökonomische Zweifel sozusagen erhaben. Wenn ein Land wie die Schweiz so etwas macht, dann ist das ein Signal für die anderen, dass hier nicht irgendwie merkwürdige Experimente vorgenommen werden, sondern, dass hier ein aus dem Ruder gelaufenes Geld- und Finanzsystem wieder zu einer Ordnung zurückgebracht wird."

    Das Vollgeld hat allerdings eine Achillesferse. Es würde nicht die gewünschte Stabilisierung bringen, wenn private Wirtschaftssubjekte wie beispielsweise Fluggesellschaften auch künftig in alter Manier, also am Geldsystem vorbei, neue Paare von Forderungen und Verbindlichkeiten schaffen. So wie dies auch schon heute geschieht. Bei jedem Bonussystem entsteht nämlich eine Art Quasigeld oder Surrogatgeld. Helge Peukert lehrt Finanzwissenschaft an der Universität Erfurt und sitzt im wissenschaftlichen Beirat von Attac. Der Vollgeldbefürworter sieht die Gefahr.

    "Die Problematik der Umgehung, die ist sehr groß. Das ist ohne Frage so. Das also Surrogatgeld irgendwie geschaffen wird. Nur für das Surrogatgeld gibt es ja keine Sicherheit. Dass heißt, der, der sie ausgibt, müsste dafür garantieren. Und wenn die Lufthansa über Bonusmeilen ein Surrogatgeld herausgibt und dann pleitegeht, dann stehen die Leute dumm da. Das heißt also, man würde sehr viel höhere Risiken eingehen, weil ja keine – im übertragenen Sinne – Einlagensicherung da wäre. Und insofern ist meine Hoffnung, dass man das ohne allzu große regulatorische Überprüfung hinbekommen könnte."

    Sollte die Politik tatsächlich die Idee des Vollgeldsystems aufgreifen, dann erwartet Peukert heftigen Gegenwind – nicht nur in der Schweiz.

    "Es gibt eine Gruppe, der das schon auf den Magen schlagen würde, und das sind die Banken, die ja heute das Geldschöpfungsprivileg haben und damit auch bestimmte Gewinne erzielen. Das ist keine win-win-win, dass also alle hier gewinnen Situation. Sondern es ist im Grunde eine Reform, die zugunsten der Mitte der Gesellschaft passiert."