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Vom Bettvorleger zum Tiger?

Afrikanische Einheit und Afrikanische Renaissance sind die Titelthemen des 20. Gipfeltreffens der Afrikanischen Union in Addis Abeba. Angesichts der aktuellen Entwicklung in Mali stehen vor allem Sicherheitsfragen auf der Tagesordnung. Aber der Krisenherd ist nicht der einzige auf dem Kontinent.

Von Bettina Rühl | 26.01.2013
    Soldaten eines ugandischen Bataillons steigen in fünf weiß lackierte Truppentransporter. "AU" steht in großen, schwarzen Buchstaben auf den Seiten der Militärfahrzeuge: Afrikanische Union. Die Militärfahrzeuge stehen am Flughafen der äthiopischen Hauptstadt Mogadischu.

    Den Männern läuft schon beim Einsteigen der Schweiß über die Gesichter, und im Inneren der gepanzerten Transporter ist es noch heißer. Trotzdem müssen die Soldaten auch während der Fahrten Helme und kugelsichere Westen tragen. Die Konvois der AMISOM, der Militärmission der Afrikanischen Union, werden häufig beschossen. Oder sie fahren über selbst gebaute, ferngesteuerte Bomben. Die werden von bewaffneten Untergrundkämpfern gezündet, sobald der erwartete AU-Konvoi die Stelle passiert. Die Bedrohung erinnert an die Anschläge auf die ISAF- Truppen in Afghanistan – nur werden die von reicheren Industrienationen gestellt und sind weit besser ausgestattet, als die Truppen der Afrikaner.

    Am Anfang galt die AMISOM, die 2007 entsandt wurde, als wenig effektiv.

    "Ich halte es für unfair zu sagen, dass die AMISOM anfangs erfolglos war. Die afrikanische Truppe bekam schlicht nicht die finanziellen und personellen Ressourcen die nötig gewesen wären, um den Job erledigen, den man ihr aufgetragen hatte."

    Cedric Barnes ist bei der International Crisis Group für Ostafrika zuständig.

    "Nachdem die AMISOM im Laufe der Zeit mehr Ressourcen zur Verfügung bekam, hat sie die ihr gesteckten Ziele teilweise auch erreicht. Sie hat es geschafft, die islamistische Shabaab – Miliz aus der Hauptstadt Mogadischu und anderen Landesteilen militärisch. Der Erfolg der Mission stellte sich mit mehr Geld und mehr Soldaten schrittweise ein."

    Am Ende fast überraschend, wurde aus Somalia doch noch eine Erfolgsgeschichte. Seit September 2012 hat das Land wieder einen legitimen Präsidenten, eine Regierungschef und ein Parlament. Flüchtlinge kehren zurück, und zwischen den Ruinen der Hauptstadt Mogadischu wird wieder gebaut. Der Erfolg verdankt sich nicht nur, aber auch der Truppe der Afrikanischen Union.

    Dabei galt das Land im Osten Afrikas 20 Jahre lang als aussichtsloser Fall: ein Land ohne Regierung, erst in der Hand von unzähligen Klan-Milizen und Warlords, seit 2006 kontrolliert von der mit El Kaida verbündeten Terrorgruppe Al-Shabaab.

    Die USA und die Vereinten Nationen scheiterten schon in den 1990er-Jahren spektakulär mit ihrem Versuch, den Bürgerkrieg in Somalia zu beenden. Von da an war klar: in absehbarer Zeit würde kein westlicher Soldat und kein UN-Militär seinen Fuß noch einmal nach Somalia setzen, der Krieg galt als zu kompliziert, das Land als zu gefährlich. Dann wurde 2002 die Afrikanische Union gegründet, sie ging aus dem Vorläufer "Organisation für Afrikanische Einheit" hervor.

    Vor allem die Vereinten Nationen blickten damals mit großen Erwartungen auf künftige militärische Friedensmissionen der neuen Organisation. Sie erhofften sich finanzielle und personelle Entlastung bei den zahlreichen und schwierigen Friedensmissionen in Afrika. Ein Schlagwort wurde in die Welt gesetzt: "Afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme". Die AMISOM war die erste große Friedensmission der neuen Organisation:

    "Das Herangehen der AMISOM war insofern anders, als sie schlechter ausgestattet war, als es eine konventionelle UN-Truppe. Vor allem am Anfang wurde der Krieg gegen die Islamistischen Milizen möglichst billig geführt. Zugleich wurden extrem viele AMISOM – Soldaten getötet. Eine normale westliche Truppe oder eine westlich orientierte Truppe wäre mit einer so hohen Zahl an Verlusten politisch nicht fertig geworden."

    Nun gilt die AMISOM als mögliches Vorbild für eine permanente afrikanische Eingreiftruppe. Die ist seit dem Jahr 2000 in Planung, damals noch erdacht von dem Vorläufer der Afrikanischen Union, der "Organisation für Afrikanische Einheit". Die sogenannte "African Standby Force" soll 30.000 Mann stark sein und hätte ursprünglich schon 2010 einsatzbereit sein soll. Das Datum wurde auf 2015 verschoben. Mancher sieht darin einen weiteren Beleg für die mangelnde Effektivität des afrikanischen Staatenbundes. Die Afrikanische Union dagegen gibt sich zunehmend selbstbewusst. Mit Blick auf die aktuelle Krise in Mali sagte Aisha Abdullahi, AU-Kommissarin für politische Angelegenheiten, auf dem gegenwärtigen Gipfeltreffen der Organisation in Addis Abeba:

    "Frankreich hat eingegriffen, der Bund der Westafrikanischen Staaten sendet Truppen. Entscheidend aber ist, dass die Internationale Unterstützungsmission für Mali, AFISMA, von Afrikanern geführt wird. So bald wie möglich werden Afrikaner diese Friedensmission leiten, die zum Ziel hat, die territoriale Einheit Malis wieder herzustellen und zu garantieren. Wir wollen sicher stellen, dass wir den Kreislauf ständig wiederkehrender Krisen durchbrechen."

    Dass sich französische Einheiten einem afrikanischen Kommando unterordnen werden, ist allerdings schwer vorstellbar. Richtig aber ist, dass die afrikanischen und von der UN nach langem Zögern mandatierten Truppen von Afrikanern geführt werden, nämlich von Nigeria. Und wieder wird die in Somalia erfolgreiche AMISOM als mögliches Vorbild genannt.

    Trotzdem mag das Selbstbewusstsein überzogen scheinen, das die AU-Kommissarin Aisha Abdullahi ausdrückt. Denn neun Monate lang wurde über die Krise in Mali nur beraten. Erst als Frankreich handelte, zogen andere nach. Trotzdem hat Afrika, haben vor allem die regionalen Bündnisse, zuletzt eine neue Stärke gezeigt.

    Als das Militär in Mali putschte, hat zuerst der regionale Staatenbund ECOWAS reagiert. Nicht die Vereinten Nationen, sondern die afrikanischen Nachbarn zwangen den Putschistenführer, Hauptmann Amadou Sanogo, durch massiven politischen und wirtschaftlichen Druck zum Rückzug. Womöglich gehen also die Zeiten tatsächlich zu Ende, in denen der afrikanische Staatenbund nichts war als ein Lobbyverein betagter Diktatoren.

    Es ist auch nicht der Untätigkeit der Afrikaner anzulasten, dass ihre Truppe über Monate hin ein Versprechen blieb: die UN erteilte erst im Dezember nach langem Zögern ein Mandat.

    Und nicht nur im Zusammenhang mit Mali zeigt der afrikanische Bettvorleger Zähne: Als der Sudan und der Südsudan vor einem Jahr kurz vor dem nächsten Krieg standen, wichen die beiden Präsidenten auf Druck der Afrikanischen Union doch noch zurück. Unter Vermittlung der Afrikanischen Union fanden seitdem viele Gespräche statt.

    Sicher, die vielen Abkommen, die dabei herauskamen, sind bisher nichts als beschriebenes Papier. Aber immerhin gab es keinen neuen flächendeckenden Krieg. Es gäbe ein paar weitere Beispiele zu nennen. Zwar sind die Erfolge überall bescheiden. Aber manche Siege sind nicht einfach zu haben. So sind die USA in Somalia gescheitert. Die Afrikanische Union dagegen erzielte dort einigen Erfolg.