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Vom Cavern zur Europäischen Kulturhauptstadt 2008

Im Jahr 2007 wurde Liverpool, die Hafenstadt an der Irischen See 800 Jahre alt. Noch bis in die Neunziger Jahre hinein verband man das einst wohlhabende "Tor zum Empire" - bis Anfang des 20. Jahrhunderts war der Mersey Ausgangspunkt für neun Millionen Auswanderer aus der Alten und dem Rest der Welt - mit seinem Niedergang und es stand für Verfall, Verbrechen und politisches Sektierertum.

Von Michael Kleff | 30.08.2008
    Nachdem in den Siebzigern und Achtzigern rund eine Viertelmillion "Liverpudlians" ihrer Stadt den Rücken zugekehrt hatten, beschlossen die rund 440.000 Dagebliebenen vor gut 15 Jahren, mit einem liberal dominierten Stadtrat das in fast allen Bereichen marode Liverpool wiederzubeleben. Mit Erfolg.

    Dazu hat u. a. beigetragen, dass Liverpools Obere erkannten, dass Kultur ein Wirtschaftszweig ist, mit der sie die darbende Mersey-Gemeinde aus der Krise führen konnten. Wobei natürlich das Beatles-Erbe Liverpool gegenüber anderen Städten einen Vorsprung im Bekanntheitsgrad gibt und so einen besonderen Magneten für Kulturtourismus bietet. Doch das Kulturangebot der Stadt reicht viel weiter.

    "Jemand hat mich nach Liverpool gefragt. Meine Antwort: Liverpool hat ein großes Maul. Du musst aufpassen, wenn du deinen Kopf hineinsteckst."
    (Paul Morley, Musikjournalist)
    "Man weiß doch, wie die Scouser sind. Sie führen immer etwas im Schilde. Doch sag das bloß nicht laut gegenüber einem Liverpooler."
    (Jack Straw, 1999 Innenminister der Regierung Tony Blair)
    "Wenn Liverpool ein Mensch wär ... Ich würde nicht mit ihm schlafen."
    (Courtney Love, Künstlerin und Kurt Cobain-Witwe)
    "Wusstest du, dass man dich in Liverpool für eine Lesbe hält, wenn du keine Schuhe mit Absätzen trägst?"
    (Isabella Blow, vor einem Jahr verstorbene Grande Dame der britischen Modeszene. Sie kreierte den Begriff "Livercool" für die Stadt am Mersey.)

    Links:
    Liverpool ist eine Stadt und Metropolitan Borough im Nordwesten von England, an der Mündung des Flusses Mersey. ... Der historische Teil der Hafenstadt einschließlich der Touristenattraktion Albert Dock wurde 2004 durch die UNESCO zum Welterbe erklärt.
    Wikipedia: Liverpool
    Kulturhauptstadt 2008: Liverpool - Die Musikalische - Der Name macht Programm: Liverpool feiert seine Rückkehr ins Rampenlicht.
    Liverpool ist wieder da. Eine Kneipentour durch die Kulturhauptstadt mit den Beatles von heute: Ach, die Beatles. Meine Band war das nie. Die Musik zu brav. Die Manieren zu gut. Die Fans zu backfischhaft überdreht. Und jetzt das! Im Cavern Club, 33 Stufen unter dem Kopfsteinpflaster der Liverpooler Mathew Street, drischt George Harrison den Auftaktakkord von A Hard Day's Night aus den Saiten - und ich bekomme eine Gänsehaut. Ich schüttele meinen Kopf zum Beat von She's A Woman. Ich spiele Luftgitarre zu Day Tripper und singe aus vollem Hals Can't Buy Me Love. Weiterlesen: zeit.de
    Feiern ohne Ende: Liverpool hat sich für sein Jahr als Europas Kulturhauptstadt viel vorgenommen. Die einstige Industriestadt am River Mersey zelebriert die Künste, ihre Musik, ihr kulturelles Erbe und ihre Vielfalt. Das Programm ist über weite Strecken atemberaubend. Weiterlesen: spiegel.de
    Es gab Zeiten, in denen vor allem wegen der Beatles Besucher in die Stadt am Mersey River kamen. Doch jetzt, als Europas Kulturhauptstadt 2008 (neben Stavanger), erlebt die Metropole im Nordwesten Englands eine triumphale Wiedergeburt. Liverpools neue Blüte als Kulturhauptstadt. Weiterlesen: welt.de
    Liverpooler nehmen sich gern auf die Schippe. Mit dem unverfrorenen, schlagfertigen Witz, den sie fleißig pflegen, waren sie denn auch prompt die Ersten, die sich lustig machten über die Vorstellung, dass ihre sich der erdigen, proletarischen Tradition rühmende und lange als Sinnbild von verlorenem Glanz dienende Heimat zur Kulturhauptstadt Europas 2008 erkoren worden sei. Weiterlesen: faz.net

    The official Liverpool European Capital of Culture 2008 website!
    Find out which string ensemble will be joining us as part of Liverpool's first audio visual festival on Wed 17 September, check out the blog and the forum, register for regular updates and view our programme of events for August and September. Visit: www.thebluecoat.org.uk
    The Beatles Story is the world's only Beatles-themed visitor attraction. Located within Liverpool's historic Albert Dock, the Beatles Story is a unique visitor attraction that will transport you on an enlightening and atmospheric journey into the life, times, culture and music of the Beatles. Visit: www.beatlesstory.com

    National Museums and Galleries on Merseyside was established as a national museum in 1986 because of the outstanding quality of its collections. In 2003 we changed our name to National Museums Liverpool. Our origins go back to 1851 and the founding of Liverpool Museum. Visit: www.liverpoolmuseums.org.uk
    The most famous Club in the World

    Souled Out Films was established in September 2002 and produces documentary films

    Gesprächspartner:
    Lord David Alton (Er war einige Jahre lang Mitglied des Liverpooler Stadtrats für die Liberal Party, gehörte von 1979 bis 1997 dem Unterhaus in London an und wurde danach zum Lord auf Lebenszeit ernannt.)
    "Liverpool hat eine eigene Seele, die mit seiner Geschichte zu tun hat, die Menschen in Not hier her kommen ließ - die Iren auf der Flucht vor dem Hunger, Juden aus Russland auf der Flucht vor Verfolgung. Die Iren haben ein Sprichwort, das sagt, ohne Schmerz kannst du nichts gewinnen. Wir haben aus diesen schmerzvollen Erfahrungen gelernt. Die Stadt weiß, was Leiden bedeutet. Daher spielt Solidarität für ihre Seele eine wichtige Rolle. Es ist aber auch eine Stadt des Glaubens. Wir leben zwar in einer säkularisierten Welt, aber es gibt wohl keinen anderen Ort in diesem Land, wo Glauben mehr offensichtlich ist als in Liverpool. Wir haben zwei Kathedralen, die - wie der Zufall es will - durch eine Straße mit dem Namen Hope Street miteinander verbunden sind. Laut griechischer Mythologie brach nach dem Öffnen von Pandoras Box alles Schlechte über die Welt herein. Aber in der leeren Schachtel war auch noch die Hoffnung. Und Hoffnung war immer in den Herzen der Menschen und in der Seele von Liverpool."
    Mike Storey (bekam 1998 mit den Liberaldemokraten bei den Gemeindewahlen die absolute Mehrheit im Stadtrat)
    "Und dann kam die Mitteilung, dass man sich als Europäische Kulturhauptstadt bewerben könne. Ich erinnere mich noch, dass mein Verwaltungschef sagte: Das machen wir doch nicht, oder? Und er wollte den Brief schon in den Papierkorb schmeißen. Ich meinte allerdings: Doch, das machen wir! Unser erstes Ziel war, in die engere Auswahl zu kommen. Und als wir das geschafft hatten, wollten wir auch gewinnen! Dieser Prozess brachte die Liverpooler wirklich zusammen, wie ich es zuvor noch nie erlebt habe. Als die Jurymitglieder in der Stadt waren, zeigten sich alle von ihrer besten Seite. Ein Taxifahrer entführte sogar den Juryvorsitzenden Sir Jeremy Isaacs. Er wollte ihm etwas zeigen. Er brachte ihn auf den höchsten Punkt der Stadt und meinte: Schauen Sie sich diese wunderbare Aussicht auf Liverpool an. Er war so stolz auf seine Stadt. Die ganze Sache hatte wirklich einen belebenden Effekt auch auf die Menschen in Liverpool."
    Paul McCartney
    "Vor zwölf Jahren, als wir uns gerade mit der Gründung von LIPA, dem Liverpool Institute for Performing Arts beschäftigten, lag die Stadt ziemlich am Boden. Jetzt erfährt sie eine richtige Wiedergeburt. Europäische Kulturhauptstadt zu sein, ist eine großartige Sache. Du wirst daran erinnert, welche Geschichte die Stadt besitzt, und an die damit verbundene reichhaltige Kultur. Bei der es nicht nur um die Beatles und den Fußball geht. Das ist wunderbar für die Stadt."
    Jamie Bowman (Pressesprecher vom Beatles-Museum, das im restaurierten Werftengelände, in den Albert Docks, beheimatet ist - gleich neben der Tate-Liverpool-Galerie, dem Ableger vom weltbekannten Londoner Tate-Museum)
    "Musik ist eine Möglichkeit, seinen Stolz über Liverpool zum Ausdruck zu bringen. So wie bei einem Sieg des Fußballvereins. Liverpool ist eine sehr emotionale Stadt. Das Befinden der Menschen ist von Musik und Fußball abhängig. Der Stadt ging es oft sehr schlecht. Musik hilft dir, dich gut zu fühlen. Kinder hören in der Schule, dass die Beatles aus Liverpool kommen. Die Älteren haben Erinnerungen an sie. Und alle sind stolz darauf."
    Lewis Biggs (Direktor der Biennale, des Liverpooler Festivals für Moderne Kunst, das sich seit 1999 großen Zuspruchs erfreut.)
    "Es gibt immer noch Leute, die raten, Liverpool zu meiden. Sie waren lange nicht hier und wissen nicht, dass es mittlerweile Hotels gibt und Restaurant, wo man gut essen kann. In den Achtziger- und bis in die Neunzigerjahre hinein konnte man in der Tat kein gutes Essen hier bekommen. Aber das hat sich geändert. Der andere Grund hat damit zu tun, dass man bildende Künste betrachten muss. Das kann man nicht im Radio hören. Und auch im Fernsehen kommt es nicht rüber. Unsere Aufgabe besteht darin, der Kunstwelt klar zu machen, dass Liverpool ein angesagter Platz für sie ist. Dass es im wahrsten Sinne eine visuelle, eine anschauliche Stadt ist"
    Dave Jones (Leiter des Cavern; jenes legendären Clubs in der Matthew Street im Stadtzentrum von Liverpool, in dem die Beatles zwischen 1961 und 1963 über 270 Mal auftraten. Zwar wurde der Gewölbekeller, mehrere Meter unter Straßenniveau, in den Siebzigerjahren demoliert, aber 1984 mit den Originalziegelsteinen wieder aufgebaut - nur 25 Meter vom Ursprungsort entfernt.)
    "Der Merseybeat war ein roher Sound. Das hatte auch etwas mit den Veranstaltungsorten zu tun - wie zum Beispiel dem Cavern. Die Beschaffenheit des Gebäudes ermöglichte auch bei schlechter Verstärkung einen ganz eigenen Sound, den du woanders so nicht hören konntest. Der Klang hallte von den Wänden wider. Das gab dem Sound Kraft und Leidenschaft. Die Musiker hatten keine Hemmungen. Sie mussten niemand nacheifern. Alles war neu. Sie konnten ihren eigenen Stil entwickeln. "
    Alistair Upton (Geschäftsführer des Blue Coat; im März nach dreijähriger Renovierungszeit wiedereröffnetes Kulturzentrum; errichtet im frühen 18. Jahrhundert ist es das älteste, noch existierende Gebäude der Innenstadt)
    "Die Erwartungen an das Jahr der Europäischen Kulturhauptstadt sind groß. Es gibt nicht wenige Liverpooler, die glauben, mit diesem Titel ließen sich alle Probleme lösen. Das ist natürlich Unsinn. Aber es ist ein guter Ausgangspunkt für positive Veränderungen. Die acht größten kulturellen Einrichtungen Liverpools wollen gemeinsam dazu beitragen, dass nicht alles am Ende des Jahres vorbei ist. Es geht darum, dass die Stadt dann nicht auf einmal das Interesse an Kultur verliert und sich auf ein anderes Thema stürzt. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass diese Stadt ihre Bedeutung als Warenumschlagplatz verloren hat. Auch in Fabriken liegt ihre Zukunft nicht. Die wichtigste Sache, die Liverpool vorzuweisen hat, ist seine Kultur. Wir sollten uns auf das konzentrieren, was diese Stadt interessant macht."
    Michael Schulz (aus Köln stammender Arzt; lebt seit drei Jahren in Liverpool)
    "Also ich würde mal sagen, dass Nachtleben ist sicherlich exzessiv hier. Wobei man hier auch wieder klar unterscheiden muss, das Wochenendnachtleben, das geprägt ist von den Zureisenden, von den Vororten oder den Randgebieten. Und insbesondere in Liverpool davon geprägt ist, dass Liverpool ein neues Image hat als stuck-night-Hochburg, also als Junggesellenabend, wo dann halt in englischer Tradition besonders auf den Tisch gekloppt wird und besonders ausgeflippt wird. Also extremer als es ohnehin in England üblich ist, wenn der Alkohol fließt. Und deswegen ist die Innenstadt von Liverpool - ich vergleiche sie gerne mit der Düsseldorfer Altstadt, wo ein Pub nach dem anderen ist und wo extrem viel getrunken wird. Und ich bin immer wieder erstaunt an den wenigen Wochenenden, wo ich noch ausgehe, dass nachts um zwei, drei Uhr hier so ein Ibizza-Gefühl hier jedes Wochenende nach Liverpool einzieht, eben diese stuck-nights. Also das ist das nördlichste Ibizza, was ich mir vorstellen kann. Ob man´s gut findet, oder nicht. Das ist eine Art Ibizza oder Ballermann jedes Wochenende hier. Daneben gibt es aber auch hier in den Vororten mittlerweile beginnend eine Cafelandschaft, die ersten Weinbars. Es kontinentalisiert sich so ein bisschen. "
    Roswitha Haring (in der DDR geborene und in Köln lebende Schriftstellerin; sie verbrachte im Jahr 2000 sechs Monate im Liverpooler Stadtteil Mosley Hill, um ein Buch zu schreiben.)
    "Im Zentrum hatte ich den Eindruck manchmal macht Liverpool noch mehr den Eindruck einer proletarischen Stadt als in Mosley Hill zum Beispiel. Und viele haben zeitig Kinder bekommen; sind doch etwas scharf im Ton gegenüber ihren Kindern. Was mich dann im Lauf der Zeit etwas an Osteuropa erinnerte, auch an die DDR. Und auch der Verfall dieser Stadt, eben der Verfall der Häuser vor allem. Und das machte mir das so traurig. Also das hat mich wirklich so ergriffen. Also ich habe wirklich am Ende in Liverpool wirklich geweint, da wegzugehen, obwohl ich da niemals bleiben wollte. Es war einfach das zu sehen, wie eine Stadt verfiel. Und das habe ich doch im Lauf der Zeit gesehen, weil ich nach zwei Monaten eben mit dem Buch fertig war und dann durch Liverpool gelaufen bin. Oder ich bin mit dem Bus irgendwohin gefahren, bin dann zwei Stunden ziellos herum mit dem Stadtplan in der Hand, um zu verfolgen, wo ich noch war. Und dann bin ich wieder zurückgefahren. Und wer Liverpool oder in England in der falschen Gegend, in der falschen Straße wohnt, dessen Biografie ist besiegelt. Und das sieht man auch. Das muss man doch gar nicht mehr wissen. Also einerseits war diese Architektur ja schön, diese Gleichförmigkeit der Einfamilienhäuser wie wir sagen würden. Andererseits sah man eben, wie die vergessen vor sich her dümpelten. Und das fand ich so traurig. Also überall eben diese Sicherheitsanlagen an den Häusern. Aber dann jedes dritte Haus sind die Scheiben eingeschlagen. Also das fand ich eben sehr traurig und dass diese Stadt soviel Substanz hat, also eben gerade in den Häusern, in den Straßen, die Industriearchitektur und ... Also das habe ich überhaupt nicht verstanden, dass man das so spät eben erst erkannte und dann wiederum so eruptiv handelte und so Vorzeigeobjekte dann kreierte. Das erinnert übrigens auch sehr an die DDR. So hat man das ja auch gemacht. Und das hat die Stadt irgendwie nicht verdient.
    "

    www.merseyminis.com

    "Außer London gibt es keine Stadt in England, die es mit Liverpools Eleganz und der Schönheit seiner Gebäude aufnehmen kann. "(Daniel Defoe, Schriftsteller 1724)
    Der Autor von "Robinson Crusoe" ist einer der unzähligen Schriftsteller und Autoren, die in ihrem Leben in Liverpool Station machten. Darunter u. a. Herman Melville, George Orwell, Henry James, Graham Greene, Jack Kerouac, Mark Twain, Virginia Woolf und viele andere mehr. In Tagebucheintragungen, Briefen oder Romanen hielten sie fest, was sie in der Stadt am Mersey beobachteten und erlebten. Ihre Geschichten und die von anderen bekannten und unbekannten Liverpool-Besuchern, darunter auch viele Künstler und Politiker, finden sich in der aus fünf kleinen Bänden bestehenden Sammlung "Mersey Minis". Eigens für das Jahr der Europäischen Kulturhauptstadt zusammengestellt in zwei Jahre langer mühevoller Recherchearbeit von der Liverpooler Journalistin und Autorin Deborah Mulhearn.

    Zum Anschauen:
    Liverpool´s Cunard Yanks - They sailed from Liverpool ... and brought home the world
    Die Cunard Yanks waren Seeleute, die als Stewarts und Köche in den Fünfzigerjahren auf Schiffen der Cunard-Linie von Liverpool nach New York fuhren, wo sie vor der Rückreise über den Atlantik meist ein paar Wochen an Land verbrachten. Wenn sie dann gebräunt und in Anzügen, die in England erst zehn Jahre später in Mode sein sollten, in Liverpool wieder von Bord gingen, hatten sie nicht nur so manche Gebrauchsgüter im Reisegepäck.
    Bill Harrison
    Von der Heilsarmee gekauft, brachten wir Kühlschränke, Gefriertruhen und Waschmaschinen mit. So etwas hatten damals noch nicht einmal manche Bankmanager in England. Einmal brachten wir eine Jukebox für einen Club mit. Das war etwas Besonderes. Die Elektriker auf dem Schiff bauten während der Überfahrt einen Adapter, weil wir ja eine andere Stromspannung haben.

    Oft fragten dich junge Leute im Pub, wo hast du diesen Anzug oder dieses oder jenes her. Mit einem Stapel Schallplatten aus Amerika unter dem Arm, die keiner in Liverpool kannte, konntest du auf jede Party gehen. Ich hatte mir in New York ein Tonbandgerät gekauft, mit dem ich alle Hits aufnahm. Und die liefen bei Partys dann die ganze Zeit. Wir liefen durch Liverpool und fühlten uns wie Filmstars, weil wir so anders waren.

    Paris, London oder New York haben die meisten schon gesehen. Warum also nicht einmal Städte entdecken, die nicht zu den gängigsten Reisezielen zählen, dafür aber gerade in Sachen Kultur einiges zu bieten haben? - Die Kulturhauptstädte Europas: sueddeutsche.de

    Zitat aus dem Manuskript der Langen Nacht:
    Alistair Upton
    Die Erwartungen an das Jahr der Europäischen Kulturhauptstadt sind groß. Es gibt nicht wenige Liverpooler, die glauben, mit diesem Titel ließen sich alle Probleme lösen. Das ist natürlich Unsinn. Aber es ist ein guter Ausgangspunkt für positive Veränderungen. Die acht größten kulturellen Einrichtungen Liverpools wollen gemeinsam dazu beitragen, dass nicht alles am Ende des Jahres vorbei ist. Es geht darum, dass die Stadt dann nicht auf einmal das Interesse an Kultur verliert und sich auf ein anderes Thema stürzt. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass diese Stadt ihre Bedeutung als Warenumschlagplatz verloren hat. Auch in Fabriken liegt ihre Zukunft nicht. Die wichtigste Sache, die Liverpool vorzuweisen hat, ist seine Kultur. Es gibt wunderschöne Gebäude, tolle Orte, die man besuchen kann. Wir sollten uns auf das konzentrieren, was diese Stadt interessant macht.
    Autor
    Wenige Tage nach der Wiedereröffnung des Blue Coat konnte man gleich einen prominenten Gast begrüßen: Yoko Ono. Zum zweiten Mal trat die heute 75-Jährige dort auf. 1967 hatte sie im Blue Coat mit einer Performance den ersten bezahlten Auftritt ihrer Karriere. Für die Textsammlung "Mersey Minis" erinnert sie sich daran und an die liebevolle Beziehung ihres Mannes John Lennon zu seiner Heimatstadt Liverpool.
    Yoko Ono
    Irgendwann im Herbst 1967 war ich das erste Mal in Liverpool - auf Einladung der Liverpooler Kunstschule. Ich hatte eine tolle Zeit und erzählte John davon gleich nach meiner Rückkehr nach London. "Wie hat es dir gefallen", fragte er. Sein Stolz über die Stadt war unüberhörbar. Obwohl wir uns in London kennen gelernt hatten, war mir immer bewusst, dass mein Man ein Liverpudlian war. Diese Seite an ihm war wunderbar - was für ein großer Spaß. Selbst in den schlimmsten Augenblicken unseres Lebens sagte er etwas Lustiges und brachte mich zum Lachen. Das war schon etwas Besonderes.

    Diese Zeiten sind vorbei und ich vermisse sie. Wenn ich heute an Liverpool denke, kommt mir immer sein einfaches Kinderzimmer in den Sinn. Dort begann alles. Ich bin immer den Tränen nahe, wenn ich diesen Raum betrete.

    Deswegen möchte ich ein ganz besonderes Kinderlied mit euch teilen. John hätte das bestimmt gerne gewollt. Es ist ein schönes und süßes Lied, dass kaum jemand außerhalb von Liverpool kennt. Aber mein Mann hat es geliebt. Ja, er war ein Liverpooler durch und durch, auch nach unserem Umzug nach New York. Noch im letzten Jahr seines Lebens sang er dieses Lied seinem Sohn Sean vor - jeden Abend, wenn er ihn ins Bett brachte. Man kann sich vorstellen, woran John in diesen Momenten dachte. An Liverpool. Da bin ich mir sicher.
    Autor
    Noch bis Ende des Jahres steht Liverpool - neben dem norwegischen Stavanger - als "Europäische Kulturhauptstadt" im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. Insgesamt rund 350 Musik-, Tanz-, Theater- und Kunstveranstaltungen sollen zusätzlich zwei Millionen Besucher anlocken. Und die Liverpooler selbst? Was ihnen der Titel Europäische Kulturhauptstadt letztendlich wirklich gebracht hat, werden sie wohl erst am Ende dieses Jahres merken. Jamie Bowman vom Beatles-Museum ist überzeugt, dass die Bilanz positiv ausfallen wird.
    Jamie Bowman
    Wahrscheinlich ist das Jahr 2009 von größerer Bedeutung als 2008. Denn erst dann werden wir sehen können, welche Folgen die Investitionen und Baumaßnahmen für die Stadt haben. Das wird eine spannende Zeit. Wenn dieses Jahr vorbei ist und Liverpool nicht mehr im Scheinwerferlicht steht. Dann können die Menschen, die hier leben, sich an dem erfreuen, was entstanden ist. Bestimmt!