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Vom Karrieristen zum Widerständler

Sein Name ist untrennbar verbunden mit dem 20. Juli 1944 und dem missglückten Attentat auf Adolf Hitler: Claus Graf Schenk von Stauffenberg. Dabei stand der Offizier am Anfang seiner militärischen Laufbahn treu zu den Nationalsozialisten.

Von Otto Langels | 15.11.2007
    "Zuverlässiger und selbstständiger Charakter mit unabhängiger Willens- und Urteilsbildung. Besitzt bei ausgezeichneten geistigen Anlagen überdurchschnittliches taktisches und technisches Können. Berechtigt bei fortschreitender Entwicklung zu den besten Hoffnungen."

    Dieses militärische Zeugnis stellten die Vorgesetzten dem jungen Leutnant Claus Graf Schenk von Stauffenberg aus.

    Er wurde am 15. November 1907 auf Schloss Jettingen in Bayern geboren. Sein Vater stand als Oberhofmarschall im Dienst des Königs von Württemberg. Der Sohn war zunächst den schönen Künsten zugewandt. Er spielte Cello, verkehrte im Kreis des Dichters Stefan George und wollte Architekt werden.

    "Oft ist es mir, als müsste ich Pläne zeichnen von hohen unermesslichen Palästen, mit rotem Marmor weißen Treppenhäusern und märchenlangen lichtbesäten Gängen."

    Trotz der Jahre im Dunstkreis Georges, der für die Jugendbewegung die Vision einer neuen Gemeinschaft und besseren deutschen Zukunft verkörperte, schlug Stauffenberg die traditionelle Offizierslaufbahn ein. Seine politischen Vorstellungen in den 30er Jahren waren verschwommen. Er war kein fanatischer Nationalsozialist, aber von den Erfolgen Hitlers beeindruckt. Stauffenberg wurde zum Major befördert und rückte in den Generalstab des Heeres auf. Der israelische Historiker Frank Stern:

    "Der Mann war nicht irgendein Unteroffizier in irgendeiner unwesentlichen Militärabteilung der Wehrmacht, er ist einer der wesentlichen Offiziere im Oberkommando der Wehrmacht gewesen."

    Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs nahm Claus von Stauffenberg an dem Überfall auf Polen teil. Aus dem besetzten Land schrieb er nach Hause:

    "Die Bevölkerung ist ein unglaublicher Pöbel, sehr viele Juden und sehr viel Mischvolk. Ein Volk, welches sich nur unter der Knute wohlfühlt. Die Tausenden von Gefangenen werden unserer Landwirtschaft recht gut tun."

    Der siegreiche Vormarsch der deutschen Armee begeisterte den Karriere-Offizier. Er wollte nicht wahrhaben, dass das NS-Regime einen Vernichtungsfeldzug gegen die Sowjetunion führte, und vertrat die Ansicht, man müsse erst den Krieg gewinnen, dann werde man mit der "braunen Pest" aufräumen.

    Frank Stern kritisiert diese Haltung als Denken oppositioneller Offiziere in rein militärischen Kategorien.

    "Wann haben sie sich denn verschworen? Etwa 1933, am Tag von Potsdam, den sie freudig angesichts künftiger militärischer Siege mitgestaltet haben? Oder erst viel zu spät, als ihre eigene und nicht allein Hitlers Niederlage offenbar war?"

    Erst als Hitler verheerende strategische Entscheidungen traf und die Nachrichten von den Gräueltaten in den besetzten Ostgebieten Claus von Stauffenberg zunehmend belasteten, reifte der Entschluss, den Führer zu beseitigen. Allerdings musste Stauffenberg feststellen, dass sich nur wenige Offiziere aktiv an einer Verschwörung beteiligen wollten. Er ließ sich frustriert nach Nordafrika versetzen und wurde bei einem Fliegerangriff schwer verwundet.

    "Ich habe das Gefühl, dass ich jetzt etwas tun muss, um das Reich zu retten. Wir sind als Generalstäbler alle mitverantwortlich."

    Nach seiner Genesung entwarf er mit Friedrich Olbricht, Henning von Tresckow und anderen Offizieren den Operationsplan "Walküre" für einen Staatsstreich. Sie wollten die von den Nationalsozialisten beseitigten Freiheiten und Rechte wiederherstellen, die parlamentarische Demokratie lehnten sie jedoch ab.

    Als Stabschef des Allgemeinen Heeresamtes hatte Stauffenberg Zugang zu den Lagebesprechungen und damit direkt zu Hitler. Am 20. Juli 1944 zündete er im Führerhauptquartier "Wolfsschanze" in Ostpreußen einen Sprengsatz.

    Rundfunkmeldung: "Mordanschlag gegen den Führer. Auf den Führer wurde heute ein Sprengstoffanschlag verübt. Der Führer selbst hat außer leichten Verbrennungen und Prellungen keine Verletzungen erlitten."

    Nach dem Attentat flog Claus von Stauffenberg nach Berlin, um trotz des Fehlschlags den Staatsstreich vom Sitz des Oberkommandos des Heeres aus voranzutreiben. Doch regimetreue Offiziere verhafteten ihn und einige Mitverschwörer. Sie wurden noch in der Nacht im Hof des Bendlerblocks erschossen.

    Ungeachtet des tragischen Endes stehen Claus Graf Schenk von Stauffenberg und der 20. Juli 1944 für den militärischen Widerstand im Dritten Reich. Der Historiker Hans Mommsen:

    "Das Attentat zeigt, dass es ein anderes, ein besseres Deutschland gab als dasjenige, das sich mit Mord an Millionen von Juden, an Kriegsgefangenen, an Angehörigen der slawischen Völker, zugleich mit der mörderischen Unterdrückung seiner politischen Gegner befleckt hatte."