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Vom Musterknaben zum Sorgenkind

Slowenien ist 2004 der EU beigetreten. Damals galt es als Musterknabe. Doch inzwischen hat die Regierung unter Ministerpräsident Janez Jansa ein Schuldenproblem. Neben Privatisierungen will die Mitte-rechts-Koalition Sozialreformen durchsetzen und streitet sich darüber mit der Opposition.

Von Stephan Ozsváth | 04.09.2012
    Die Pleite drohe schon in wenigen Wochen. Und dann müsse Slowenien unter den EU-Rettungsschirm. Dieses Gespenst malt der slowenische Ministerpräsident Janez Jansa immer wieder an die Wand. Zuletzt in einem Interview mit dem Internetportal Siol.net. Die Aussichten sind in der Tat wenig rosig. Slowenien wurde von der Ratingagentur Moodys vor einem Monat abgestuft – auf knapp über Ramschniveau. Das Land zahlt Rekordzinsen auf den Finanzmärkten. Karl Lipnik, Redakteur der Fachzeitschrift "Finance" sagt.

    "Der slowenische Staat hat schon seit Monaten keine Chance mehr, große Summen langfristig zu bekommen, also sich auf drei Jahre und länger zu verschulden. Kurzfristig geht noch. Aber langfristige Darlehen haben einen Zinssatz von über sieben Prozent und diese Staatsanleihen sind nicht gefragt."

    Nicht das einzige Problem. Auch die Slowenien-AG ist eins. Und vor allem der Bankensektor in Schieflage. Vladimir Gligorov vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche zur Lage.

    "Slowenien exportiert zwar eine Menge, leidet aber darunter, dass man Unternehmen unter staatliche Obhut genommen hat. Besonders die Banken, besonders die größte: Nova Ljubljanska Banka. Die hat ein Riesenproblem. Und Bankenkrisen sind die schlimmsten. Sie kosten viel Geld. Manche sagen: Bis zu acht Milliarden Euro könnten nötig sein, um die Banken zu retten. Viel Geld für so ein kleines Land. Das ist das slowenische Problem."

    Der Bankensektor muss saniert werden, und die Slowenien-AG privatisiert werden, der Staat solle sich also aus den großen Wirtschaftsbetrieben zurückziehen, forderten am Wochenende auf dem Wirtschaftsforum im slowenischen Bled Osteuropa-Bank und OECD. Aber Slowenien müsse noch längst nicht unter den EU-Rettungsschirm, sagt etwa OECD-Generalsekretär Angel Gurria.

    "Warum reden wir nicht mal über eine Reform von Rentensystem, Arbeitsmarkt, Bankensektor, eine Schuldenbremse, die Privatisierung von Staatsunternehmen, bevor wir darüber reden, ob Hilfspakete nötig sind, oder nicht?"

    Das ist ganz im Sinne des Konservativen Janez Jansa. Im Gespräch ist die Gründung einer Bad Bank, um die faulen Kredite der Banken auszulagern. Außerdem will die Regierung Jansa Unternehmen mit starker Staatsbeteiligung privatisieren: die nationale Fluggesellschaft Adria Airways, den Versicherer Triglav, den Ölkonzern Petrol und die Telekom. An der Telefongesellschaft war die Deutsche Telekom schon vor vier Jahren interessiert. Neben den Privatisierungen will die Regierung Jansa Sozialreformen durchsetzen – insbesondere Rentensystem und Arbeitsmarkt sollen auf den Prüfstand. Doch dafür braucht die Mitte-rechts-Koalition aus fünf Parteien die Stimmen der Linken. Der slowenische Wirtschaftsminister Radovan Zerjav appellierte.

    "Ich habe die slowenische politische Elite aufgerufen, einen Konsens in den Schlüsselfragen zu suchen. Vor allem geht es um die Rettung der Banken. Denn ohne die gibt es keinen Aufschwung der slowenischen Wirtschaft."

    Doch die Opposition stellt sich weiter quer. Angeführt wird sie vom Ex-Manager und Bürgermeister von Ljubljana, Zoran Jankovic. Die Verweigerung ist eine Retour-Kutsche, denn vor einem Jahr fand dieses Schauspiel mit vertauschten Rollen statt. Die Sozialdemokraten wollten Reformen. Bremser damals: Janez Jansa. Angesichts des politischen Hickhacks sagt der unabhängige Wirtschaftsanalyst Andraz Grahek:

    "Wenn es schon so weit gekommen ist, ist es vielleicht besser, gleich EU-Hilfen zu beantragen, statt weiter die slowenischen Unternehmen zu quälen und mit Träumereien zu vertrösten, dass jetzt rettende Maßnahmen ergriffen werden und die Bonität wieder steigen wird."