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Vom schwierigen Umgang mit der Regierung Janukowitsch

Wegen des Umgangs mit der Opposition steht die Regierung der Ukraine international in der Kritik. Inzwischen haben sich die meisten Politiker zwar gegen einen Boykott der Fußball-EM ausgesprochen, ob und wie man Präsident Janukowitsch entgegentritt, ist aber noch offen.

Von Gesine Dornblüth | 24.05.2012
    Mittlerweile hat sich sogar Julia Timoschenko zu Wort gemeldet. In ihrem Krankenbett im ostukrainischen Charkow sagte die wohl prominenteste ukrainische Gefangene kürzlich, sie halte einen Boykott der EM für eine, so wörtlich, "schlechte Idee". Das denken auch viele andere Oppositionspolitiker – zum Beispiel Witalij Kowaltschuk von der Partei "Udar" des Boxers Witalij Klitschko.

    "Wir hoffen, dass die EM in der Ukraine stattfindet. Das wird in erster Linie ein sportliches Fest. ( ... ) Wir haben eine Menge Geld ausgegeben, um die Infrastruktur für die Europameisterschaft zu schaffen: Stadien und Verkehrsanbindungen. Die Menschen freuen sich auf ein schönes Turnier. Wenn einige Politiker die Regierung boykottieren wollen, haben sie dazu das Recht. Aber sie sollten nicht das Turnier boykottieren. "

    Viele fragen sich, wie das gehen soll. Grigorij Nemyria, Berater Timoschenkos in außenpolitischen Fragen, wird konkret.

    "Wir rufen die Politiker dazu auf, nicht zuzulassen, dass sich Präsident Janukowitsch mit ihnen ablichten lässt, wie sie Hände schütteln, Champagner trinken, mit Umarmungen und Küsschen. Sie sollen nicht zulassen, dass er auf diese Weise die EM für seine Propaganda nutzt."

    Politiker und Staatsgäste könnten zum Beispiel im Fanblock sitzen, statt auf der VIP-Tribüne, meint Nemyria. Er fordert: Jeder Politiker und auch jeder Fußballer müsse Position beziehen.

    Die oppositionelle "Front für Veränderungen" kooperiert mit dem Block Julia Timoschenko. Ihr stellvertretender Vorsitzender Andrej Pyschnyj bekräftigt:

    "Es reicht schon, wenn Frau Merkel an keinem offiziellen Treffen mit dem Präsidenten teilnimmt. Das wäre ein ernstzunehmendes Signal."

    Dass Angela Merkel die Ukraine jüngst öffentlich als Diktatur bezeichnete, sorgt bei der ukrainischen Opposition für große Befriedigung. Die Regierung dagegen ist empört. Premierminister Nikolaj Azarow sagte, es reiche aus, nur ein paar Tage in der Ukraine zu leben, um zu begreifen, dass die Ukraine keine Diktatur sei. Dementsprechend sieht die Regierung die EM und die Fans aus Europa als Chance. Oleg Woloschin, Sprecher des Außenministeriums:

    "Die Leute sollen kommen und sich selbst ein Bild machen. Alle reden von einer Diktatur. Aber welche Diktatur würde denn bitte Tausende Fußballfans und Dutzende hoher Politiker einladen, damit sie selbst sehen, wie die Menschen in Charkow, Lemberg, Kiew und Donezk leben? Die Fans sollen sich ruhig umsehen, mit den Einheimischen reden, mit Stadtführern, Studenten oder freiwilligen Helfern. Und sie sollen sie ruhig fragen, was ihnen an der Regierung nicht gefällt und ob sie die Regierung kritisieren dürfen."

    Woloschin ist überzeugt: Die Fans werden eine freie Gesellschaft erleben. Die Regierung wirft der Opposition vor, die EM mit der Forderung nach einem politischen Boykott für ihre Zwecke zu missbrauchen. Grigorij Nemyria vom Block Julia Tymoschenko weist das zurück.

    "Es geht nicht um Sport und Politik, es geht um Fairplay, um Prinzipien, um die Einstellung jedes einzelnen zu Unrecht und Menschenrechtsverletzungen. Es geht um das, was wir europäische Werte nennen. Es ist legitim, so eine Debatte zu führen. Und es ist auch legitim, genau zu verfolgen, wie sich die verschiedenen Politiker hier verhalten werden."

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