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Vom Sockel gestürzt

Forschungspolitik. – Der südkoreanische Stammzellforscher Hwang Woo-Suk gerät immer stärker unter Druck. Nach Vorhaltungen über unethisches Verhalten bei der Beschaffung von Eizellen für seine Forschungen werden jetzt auch Fälschungsvorwürfe laut. Gegenüber dem Wissenschaftsmagazin "Science", das im Sommer seine aufsehenerregenden Forschungsergebnisse veröffentlicht hatte, beantragten Hwang und ein Mitautor die Rücknahme der Veröffentlichung. Im Gespräch mit Arndt Reuning erläutert der Wissenschaftsjournalist Michael Lange die Hintergründe.

16.12.2005
    Arndt Reuning: Herr Lange, um welche Vorwürfe geht es jetzt?

    Michael Lange: Das ist ein ganz anderes Niveau. Es geht nicht mehr um gekaufte Eizellen oder vertauschte Bilder, wie zwischendurch, wo man sagte, dass bestimmte Bilder nicht dorthin gehörten, in einer Veröffentlichung. Es geht um Fälschungen. Und es ist tatsächlich so, dass inzwischen sehr viele Wissenschaftler aus dem Umfeld des Klonpioniers Hwang die Vorwürfe bestätigt haben und gesagt haben, wir gehen davon aus, dass hier Fälschungen stattgefunden haben. Ganz besonders Dr. Roh Sung-Il, ein Klinikarzt, der mit Hwang zusammengearbeitet hat, der hat in einem Fernsehinterview gesagt, dass neun von elf Stammzelllinien, die Hwang in diesem Sommer vorgestellt hat, und das hat großes Echo gegeben, neun von ihnen seien definitiv gefälscht, und von den anderen beiden wisse man nicht, wo sie herstammen.

    Arndt Reuning: Diese Zelllinien hat er veröffentlicht und Bilder dargeboten, und diese Bilder waren gefälscht?

    Michael Lange: Bei diesen Bildern handelt es sich um Nachweise, dass diese Zellen tatsächlich geklont waren. Das heißt, es handelte sich im Grunde um DNA-Muster, man kann sagen, genetische Fingerabdrücke. Das heißt, diese Bilder sollten beweisen, dass diese Zellen tatsächlich aus einem Patienten stammen, dann geklont wurden, und dass daraus dann Stammzellen geworden waren. Und diese Beweise fehlen nun. Und jetzt wurde Hwang natürlich aufgefordert, diese Beweise wenigstens nachzuliefern, und Hwang hat am Anfang gesagt, na, da sind irgendwelche Bilder bei "Science", bei dem Fachmagazin vertauscht worden. Doch das hat er jetzt zurückgezogen. Er musste zugeben, dass dieser Fehler bei ihm im Labor gemacht worden ist, und er konnte nicht auf die Schnelle beweisen, dass diese Stammzelllinien tatsächlich existieren. Er sagt, die Zellen seien verunreinigt worden, die meisten der Kulturen seien tatsächlich abgestorben. Es gäbe aber noch einige, und da müsse er jetzt dran arbeiten, und will den Beweis nachliefern.

    Arndt Reuning: Sie haben Roh Sung-Il erwähnt, einen ehemaligen Mitarbeiter. Wie glaubwürdig ist der?

    Michael Lange: Er ist ein Klinikarzt, der von Anfang an mit Hwang zusammengearbeitet hat, der auch lange still gehalten hat, denn das muss er alles gewusst haben, er muss es ja auch vorher schon gewusst haben. Aber jetzt hat die Schlammschlacht begonnen. Die wurde ja ausgelöst durch einen anderen Mitarbeiter, durch Gerald Schatten, einen amerikanischen Professor, der hatte als erster Vorwürfe geäußert. Und Roh hat sie jetzt konkretisiert. Und beide gelten inzwischen aber als Intimfeinde von Hwang. Also da tobt inzwischen wirklich eine Schlammschlacht und man kann von außen ganz schwer feststellen, wer hat hier Recht. Es spielt möglicherweise noch ein Streit um Patente hier eine Rolle. Es wird gesagt, dass Gerald Schatten auch Geld haben wollte, dass er an den Einnahmen, die aus diesen Patenten fließen sollten, beteiligt werden wollte und Hwang das abgelehnt hat. Anscheinend hat er jetzt etwas gegen Hwang in der Hand und lässt das so nach und nach raustropfen. Also es ist auf jeden Fall eine Schlammschlacht und es ist etwas dran, aber was genau dran ist und was jetzt wirklich gefälscht wurde, und was wahr ist, das ist ganz schwer auseinander zu halten.

    Arndt Reuning: Aber Hwang könnte sich mit wissenschaftlichen Beweisen selbst wieder reinwaschen. Wie könnte er das tun?

    Michael Lange: Es gibt die einfache Möglichkeit, dass man wirklich noch Zelllinien findet und die genetischen Fingerabdrücke nachliefert, dass man die mit dem Patienten vergleicht und das vielleicht auch von unabhängigen Labors machen lässt. Die andere Möglichkeit, da geht es natürlich darum, ist dieses Labor überhaupt in der Lage, menschliche Stammzellen aus geklonten Embryonen zu gewinnen, und da muss man einfach neue Stammzellen gewinnen und das ganz sauber belegen. Und ich meine sogar, man muss noch einen Schritt weiter gehen, man muss nicht nur neues präsentieren, man muss wirklich einmal ganz offen mit anderen Wissenschaftlern zusammenarbeiten, vielleicht auch mit den Klonexperten aus Großbritannien, mit denen man bisher nicht zusammengearbeitet hat, dass man denen sagt, Ihr überprüft jetzt einmal unsere Forschungen, und wenn die sagen, alles ok, dann, glaube ich, könnte Hwang tatsächlich rehabilitiert werden. Aber das wird schwer.

    Arndt Reuning: Ist es möglich, dass alles bloß ein großer Bluff war?

    Michael Lange: Ich halte es jetzt nicht mehr für ganz ausgeschlossen. Also man muss dem Hwang jetzt auch die Chance geben und sagen, ok, liefere Deine Beweise, und wenn Du sie lieferst, dann sind wir bereit, Dich zu rehabilitieren. Aber das steht noch nicht fest, das werden erst die nächsten Wochen, vielleicht auch Monate zeigen.