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Vom Zauber des Anfangs

Der Hamburger Fatih Akin ist nur einer des knappen Dutzend Regisseure, die Emmanuel Benbihy für "New York, I Love You" gewinnen konnte. Der Episodenfilm ist weniger eine Liebeserklärung an die US-Metropole als an die Menschen, die in ihr das richtige Leben und die wahre Liebe suchen.

Von Christoph Schmitz | 28.01.2010
    Emmanuel Benbihys Episodenfilm "New York, I Love You" erzählt vor allem vom Zauber des Anfangs, vom ersten Blick, von der ersten Begegnung, die unerwartet wie aus dem Nichts entsteht, von zufälligen Begegnungen zwischen jungen Männern und jungen Frauen, wenn sich plötzlich ein Gespräch ergibt, eine Sympathie aufblitzt und die Welt groß und erwartungsvoll wird. Von diesem Zauber werden die Paare aus aller Welt beseelt, die manchmal wirklich Paare werden, bei denen aber oft nur der Augenblick gelingt und die Zukunft offenbleibt. New York bei Tag und Nacht ist die Weltbühne. Hier kommen die jungen Weltreisenden aus allen Kontinenten, die Neu-New-Yorker und Alt-New-Yorker zusammen, und die Straßen voller Autos, voller Schatten und nächtlichem Winterdunkel, die Zimmer und Flure der Hochhäuser sind das Laboratorium der Gefühle. In dem es aber nicht gärt oder explodiert; vielmehr geht alles seinen normalen geschäftigen Gang, bis es doch immer wieder und überall funkt und neue Verbindungen entstehen. So ist "New York, I Love You" weniger einer Liebeserklärung an die Stadt selbst, auch wenn sie als mächtiges Emotionslabor die Geschichten in sich birgt, als an die Menschen, die in ihr das richtige Leben und die wahre Liebe suchen.

    Emmanuel Benbihy setzt nach seinem Episodenfilm "Paris je t'aime" mit "New York, I Love You" seine "Cities of Love"-Reihe fort. Mit den Metropolen Rio de Janeiro und Schanghai soll es in diesem Jahr weitergehen, Jerusalem und Mumbai will er 2011 ein Denkmal setzten. Benbihy vertraut in seiner neuesten Arbeit auch wieder ganz auf den Impressionismus des Episodischen. Seine Regisseure, elf an Zahl von Fatih Akin, über Wen Jiang, Shekhar Kapur, Yvan Attal bis Natalie Portman (mit einem Regiedebüt), ließ er einerseits freie Hand bei Story und Filmsprache, machte andererseits deutliche Vorgaben: Jede Geschichte ist mit einem New Yorker Stadtteil verbunden, dauert acht Minuten, die innerhalb zweier Tage abgedreht werden mussten.

    Anders als in "Paris je t'aime" hat Benbihy die Episoden hier verbunden, mit Stadtansichten, die von einer New-York-Touristin aus dem fahrenden Taxi gefilmt werden, was als Rahmenepisode fungiert. Aber auch die Hauptfiguren einzelner Geschichten tauchen in anderen Geschichten mitunter in Nebenrollen auf, wodurch sich die Segmente zu einem Netz verbinden und ein poetisches Panorama junger Liebe hervorbringen, lebendig, anrührend, intensiv und packend gespielt von gut zwei Dutzend wunderbaren Schauspielern wie Orlando Bloom, Natalie Portman, Julie Christie Irrfan und Kahn.

    Kleine spannungsgeladene Revierkämpfe sind dabei, kurze existenzielle Dialoge über Ehe und Religion, überraschende Teenagernächte und witzige Annäherungsversuche. Und doch ist alles durchdrungen von einer großen Melancholie. Das liegt an der dominierenden nächtlichen Szenerie, am Episodencharakter selbst, womit immer eine Ahnung des Vergänglichen mitschwingt, das liegt aber vor allem an drei Episoden, die den Zauber des Anfangs vom Ende, nach einem langen Leben, vom Tod aus betrachten. Fatih Akins Stück aus Chinatown über den vergeblichen Versuch eines älteren Zeichners die von ihm bewunderte Chinesin aus dem Kräuterladen als Modell zu gewinnen und Shekhar Kapurs stilllebenartige Liebesgeschichte einer lebensmüden Opernsängerin und eines behinderten Hotelpagen in einem alten Hotel. So traurig und schön zugleich kann die Liebe sein. Wir haben sie nur für einen Moment, auch wenn der Jahre dauern kann.