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Von Cookies und Wanzen

Netzpolitik.- Im World-Wide-Web-Konsortium (W3C) ist Streit über das sogenannte Tracking ausgebrochen: die Spurenverfolgung der Netznutzer mithilfe von Cookies. Die Mehrheit des W3C will, dass die Surfer sich aktiv gegen Tracking aussprechen, eine Minderheit fordert einen voreingestellten Schutz.

Von Achim Killer | 07.07.2012
    Eigentlich ist es keine große Sache, Verfolger im Netz abzuschütteln. Man muss nur dafür sorgen, dass man sich ausschließlich Inhalte von der Seite auf den Rechner holt, die man angesurft hat, und Inhalte von anderen Sites aussperrt, sogenannten Third-Party-Content.

    "Der meiste Third-Party-Content ist eigentlich nicht gewünschter Content. Und ist Content, der mit dem eigentlichen Seiteninhalt nichts mehr zu tun hat",

    sagt Martin Uhl, Netzwerkadministrator an der TU München. Eine erste Maßnahme gegen solche unerwünschten Inhalte ist es, Third-Party-Cookies zu blockieren. Werbevermarkter etwa verteilen die von allen Seiten aus, in die sie Banner einbinden. Und daran erkennen sie Surfer, die schon mal auf einer anderen Site mit Banner waren. Fast jeder Browser lässt sich so konfigurieren, dass Third-Party-Cookies blockiert werden.

    Und dann gibt es beispielsweise noch Zählpixel, auch Tracking Bugs, Web-Wanzen genannt. Dagegen hilft etwa das Browser-Plugin Ghostery. Das zeigt den Third-Party-Content an. Und der Surfer kann dann entscheiden, ob er blockiert werden soll oder nicht. Eine ähnliche Funktion ist in Microsofts Internet Explorer 9 bereits integriert. Sie muss lediglich eingerichtet und aktiviert werden, dann führt sie Buch darüber, von welchen Sites besonders viel Third-Party-Content kommt, und blockiert die, nachdem ein einstellbarer Schwellenwert überschritten ist. Also für technisch einigermaßen Versierte gibt es viele Möglichkeiten, Tracking zu verhindern.

    Seit einigen Jahren drängen aber die amerikanische Verbraucherschutzbehörde FTC und die EU-Kommission auf einen einfachen Tracking-Schutz. Einen entsprechenden Standard erarbeitet derzeit das World-Wide-Web-Konsortium. "Do not track" heißt er. Und sei wichtig, weil Vertrauen in der Informationsgesellschaft nun mal unabdingbar sei, sagt EU-Kommissarin Neelie Kroes:

    "Um dieses Vertrauen herzustellen, brauchen wir einfache Werkzeuge für jene, die online nicht verfolgt werden wollen, etwas, das die Anwender sofort verstehen und so leicht ihre Wahl treffen können. "Do not track" kann uns dabei helfen."

    Mit wenigen Mausklicks soll der Surfer einmal seinen Browser so einrichten können, dass er auf jeder Web-Site allen Third Parties mitteilt, dass er nicht von ihnen verfolgt werden will. "Do not track" eben, wie diese Bitte auf Englisch heißt. Allerdings, mehr als eine Bitte ist es halt nicht.

    "Das ist wie, wenn man zu Hause auf dem Briefkasten einen "Ich-möchte-keine-Werbung"-Kleber stehen hat. Wenn man aber in seinen Briefkasten in der Früh schaut, dann sieht man schon, wie viele Leute sich an so etwas halten. Also die Kontrolle hat man eben selbst nicht, sondern man hat eine Empfehlung abgegeben."

    Trotz der Unzulänglichkeit dieses Tracking-Schutzes ist Streit darüber ausgebrochen. Die Mehrheit möchte, dass der Surfer seinen Do-not-track-Wunsch explizit äußert, will sagen: seinen Browser entsprechend konfiguriert. Microsoft hingegen möchte den kommenden Internet-Explorer 10 schon mit dieser Konfiguration ausliefern.

    "Weil das einfach dem Wunsch des Benutzers entspricht in aller Regel. Also eine Default-Einstellung heißt einfach: Man fängt damit mehr als 90 Prozent der Wünsche der Nutzer ab. Andersherum wär’s halt so, dass wir den Leuten zumuten würden, in diese Optionsfelder reinzugehen. Und nicht jeder kann das",

    sagt Microsoft-Sprecher Thomas Baumgärtner. Tracking-Schutz by default – und sei er noch so unzulänglich – wäre tatsächlich ein Tabubruch für die Internet-Wirtschaft, wo schließlich das meiste Geld mit Werbung verdient wird, und zwar mit auf den Surfer – auf den getrackten Surfer – zugeschnittene Werbung. Der Werbevermarkter Doubleclick etwa, eine Google-Tochter, ist der wohl größte Cookie-Bäcker. Microsoft hingegen kann die Sache gelassen sehen. Der Konzern ist eh aus dem Geschäft. Bei seiner Werbetochter Aquantive, die er vor fünf Jahren für 6,3 Milliarden Dollar gekauft hat, hat er diese Woche 6,2 Milliarden abgeschrieben.

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