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Von der Aufklärung bis in die Moderne

Neben erlesenen Stücken aus dem eigenen Bestand hat die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe etwa 140 Leihgaben für die Ausstellung "elegant expressiv" zusammengetragen. Die Schau bietet einen Überblick über die Entwicklung französischer Plastik von der Aufklärung bis zur frühen Moderne. Werke von mehr als 30 Künstlern sind zu sehen.

Von Martina Wehlte-Hoeschele | 06.05.2007
    Eine Augenweide und einen sinnlichen Genuss ersten Ranges bietet jetzt die Ausstellung "elegant expressiv" in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Sie gibt erstmals in Deutschland einen Überblick französischer Plastik von der Aufklärung bis zur Moderne. Mehr als 160 hochrangige Werke aus führenden Sammlungen in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz zeigen nicht ein Nacheinander, sondern die Gleichzeitigkeit gegensätzlicher Kunstströmungen zwischen Jean-Antoine Houdon und François Milhomme, zwischen Carrier-Belleuse und Dalou oder Rodin.

    Die Ausstellung erstreckt sich über das ganze Erdgeschoss der Karlsruher Kunsthalle und führt die von Heinrich Hübsch konzipierten Skulpturensäle mit ihren faszinierenden Lichtwechseln ihrer eigentlichen Bestimmung zu. Gleich eingangs empfängt den Besucher Francois Rudes "Merkur" von 1837, eine Neuinterpretation nach Giambologna, jedoch natürlicher und von erotischem Reiz. Das Spannungsfeld zwischen akademisch idealisierender Norm und Verlebendigung der Skulptur wird schon im ersten Saal anschaulich, etwa in der Büste der Marquise de Sabran, die Jean-Antoine Houdon mit einem warmen Lächeln und kleinen Grübchen wiedergab. Bald drang das Genrethema in den Bereich der Skulptur ein, und die noch immer klassizistisch geprägte Figuration erhielt naturalistische Züge. Erstaunlich, dass Auguste Préaults "Massaker"-Relief mit seinen schreienden, schmerzverzerrten Gesichtern zum Salon von 1834 zugelassen worden war. Es übertrifft an Expressivität bei weitem die lebhaften Bildnisse berühmter Persönlichkeiten von Pierre-Jean David d'Angers, dessen genialisch bewegte Goethe-Büste besonders ins Auge sticht.

    Einen großen Schritt weiter ging Honoré Daumier mit seinen kleinen karikierenden Büsten von Persönlichkeiten des Juste Milieu zu Beginn der 1830er Jahre. Daneben der bedeutendste Tierplastiker des 19. Jahrhunderts, Antoine-Louis Barye, der es wie kein anderer verstand, die vitale Kraft und die vibrierenden Körpermassen im Kampf darzustellen. Eine Adaption seines "Jaguars" von Matisse zeigt die nachhaltige Wirkung dieses Meisters und die hervorragende Ausstellungskonzeption, die künstlerische Wechselbezüge deutlich macht. Wer noch die idealklassizistischen Schönheiten eines Pradier oder Fremiet im Kopf hat, den schwindelt es beim Sprung zu dem breit vertretenen Jean-Baptiste Carpeaux, zum republikanischen Dalou mit seinen Arbeiterfiguren und zum Gott des fragmentierten Körpers, dem Monolithen Auguste Rodin, dessen Johannes der Täufer eindrucksvoll dem "Pierre" der Bürger von Calais entgegenschreitet.

    Für die von Siegmar Holsten in Zusammenarbeit mit Nina Trauth kuratierte Ausstellung konnte keine treffendere Gallionsfigur gewählt werden als Degas' 14-jährige Tänzerin aus den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. In ihr focussiert sich die Spannung zwischen Eleganz und Expression, die ein ganzes Jahrhundert französischer Bildhauerei prägte.


    Service:
    Staatliche Kunsthalle Karlsruhe: elegant expressiv. Von Houdon bis Rodin. Französische Plastik des 19. Jahrhundert, 28.04. bis 26.08.2007.
    Der überaus sorgfältig erarbeitete Katalog ist im Kehrer Verlag, Heidelberg, erschienen und kostet 34 Euro.