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Von der Dauerleihgabe zur Schenkung

Eine der bedeutensten Sammlungen des Surrealismus baute der Textilunternehmer Theo Wormland seit den 1960ern auf. Sie umfasst Max Ernst, René Magritte, Richard Oelze und Pablo Picasso. Nach 30 Jahren Dauerleihgabe geht die Sammlung nun in das Eigentum der Pinakothek der Modernen über. Ein Rundgang.

Von Christian Gampert | 17.09.2013
    Theo Wormland hat nicht nur Vermögen angehäuft, er hat auch gegeben: 30 Jahre nach seinem Tod geht die Sammlung vom Status der Dauerleihgabe nun in den der Schenkung über - ohne Forderungen. Mit den Mitteln seiner Stiftung haben die Bayern manches Werk der Gegenwartskunst erworben, und selbst am Bau der Pinakothek der Moderne war Wormland beteiligt. Zum Schluss grüßt uns eine kubistisch verformte, abstrahierte Nackte von Henri Laurens – und wir gehen relativ fröhlich heim.
    Der etwas seltsame Titel "Traum-Bilder" meint offenbar nicht nur Produktions-Techniken des Unbewussten und surrealistische Albträume, die in der Ausstellung weidlich vorkommen, sondern auch, dass hier traumhafte, also mindestens großartige Bilder zu sehen seien. Was man insgesamt bestätigen kann: die "Sammlung Wormland", die jetzt in den Besitz der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen übergeht, verfügt über einige Inkunabeln der surrealistischen Bewegung wie Max Ernsts menschendrachenhaften "Hausengel" oder Magrittes sprachspielerischen "Schlüssel der Träume" – wobei nicht verschwiegen sei, dass manches heute auch banal wirkt, zum Beispiel Dalis wie ein löchriger Käse daherkommendes "Rätsel der Begierde".

    Weit interessanter als diese zum Kanon gehörenden Werke, die die Pinakotheken natürlich stolz machen, ist aber der Nachhall der surrealistischen Bewegung in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Der 1983 gestorbene Textilunternehmer Theo Wormland hat offenbar relativ früh gesehen, dass das, was man "Magischen Realismus" und "Neue Figuration" genannt hat, im Grunde eine Fortschreibung surrealistischer Techniken ist, bis hin zum Abstrakten Expressionismus – das Dripping hat ja nicht Jackson Pollock erfunden, sondern Max Ernst, der ja nicht gerade als abstrakter Künstler gilt.

    "Den Schritt hat er nie gemacht - obwohl die Techniken, die er verwendet hat, Abkratz-Schabe-Techniken durchaus halbautomatische, abstrakte Formenmuster hervorbringen. Und das ist das, was Künstler des Informel wie Bernard Schultze besonders interessiert hat."

    Sagt Kurator Oliver Kase, der die Sammlung betreut. Kaum ist man an einer ultramarin-gelb flirrenden Farbsymphonie von Ernst Wilhelm Nay vorbei, bekommt man in einem Foto-Saal vorgeführt, wie Theo Wormland mit seinen Bildern lebte: Auf einer Staffelei lagerte eine aus abstrakten Maschinenteilen zusammengesetzte "Frau" von Picasso, über dem Kamin ein Fries von Max Ernst, an der hinteren Wand zwei überdimensionierte, tonnenartige Märchengestalten von Fernando Botero, genannt "Der Präsident" und "die erste Frau des Staates".

    Klassiker und Nachkriegskunst sind hier freundlich verschränkt, und so verfährt auch die Ausstellung. Seltsam verknotete, halsartige Ledersäcke von Horst Egon Kalinowski aus dem Jahr 1979 liegen neben Max Ernsts "Bibi", und ein aus Schiffsplanken schemenhaft aufsteigendes "Trojanisches Pferd" von Fabrizio Clerici schlägt René Magrittes doch sehr durchsichtige Phantasmagorien um Längen. Clericis Werk stammt aus den 1950iger Jahren, ebenso wie die grauen Häuserzeilen des nahezu unbekannten Werner Heldt, der Berliner Nachkriegs-Tristesse mit schwerblütigen Stilleben kombiniert.

    Dann gibt es kubistisch eingekastelte Sanduhren, Hüte und Regenschirme von Bruno Goller neben Boteros scheinnaiven Rundmenschen und Konrad Klapphecks Maschinenmystifikationen. Eine Entdeckung ist jedoch jener Saal, der dem Wald gewidmet ist, Metapher des Unbewussten und Bedrohlichen, aber auch dem Ur-Wald als künstlerischem Kompositions-Prinzip der Verschlingung, Auswucherung, Verwachsung.. Hier sieht man nicht nur Max Ernsts "Totem und Tabu", sondern vor allem die milchig-weißen Körperwälder, Leiberkaskaden des Bernard Schultze, zunächst als Ölbild, dann als bleiche Assemblage, ein sich fortzeugender, wuchernder plastischer Organismus. Diese mit allen Schattierungen der Verwesung spielenden sogenannten Migofs können einem auch heute noch Angst machen – ein leider nur wenig bekanntes Memento Mori. Eskortiert wird das von einer schrundigen, tanzenden Skulptur des früh verstorbenen Martin Disler.

    Theo Wormland hat nicht nur Vermögen angehäuft, er hat auch gegeben: 30 Jahre nach seinem Tod geht die Sammlung vom Status der Dauerleihgabe nun in den der Schenkung über - ohne Forderungen. Mit den Mitteln seiner Stiftung haben die Bayern manches Werk der Gegenwartskunst erworben, und selbst am Bau der Pinakothek der Moderne war Wormland beteiligt. Zum Schluss grüßt uns eine kubistisch verformte, abstrahierte Nackte von Henri Laurens – und wir gehen relativ fröhlich heim.