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Von der Halle in den Sand
Volleyballstar Kozuch wechselt den Untergrund

Margareta Kozuch war als Volleyballerin unter dem Hallendach ein Star. Sie war Kapitänin der Nationalmannschaft, hat für verschiedene Klubs in Europa und Asien gespielt. Als sie im Sommer vereinslos war, kam eher zufällig die Chance, einen neuen Weg zu gehen. Nun debütierte sie im Beach-Weltcup. Doch der Weg in den Sand birgt Risiken.

Von Heiko Oldörp | 12.02.2017
    Karla Borger und Margareta Kozuch werfen sich beim Spiel in Fort Lauderdale in den Sand.
    Karla Borger und Margareta Kouch bei der FIVB World Tour in Fort Lauderdale. (imago sportfotodienst)
    "Jaaa..!" Die Erleichterung von Maggi Kozuch war nach dem verwandelten Matchball nicht zu überhören. Die 30-Jährige hatte zusammen mit Karla Borger beim Weltcup in Fort Lauderdale soeben ihr erstes Beachvolleyball-Match unter Wettkampfbedingungen gewonnen. Während ihre erfahrene Strandpartnerin anschließend noch mit einigen Fans plauderte, suchte Kozuch umgehend Schatten unter einem Sonnenschirm und goss sich eine Flasche Wasser über Kopf und Nacken
    "Die Sonne steht sehr hoch, es ist extrem anstrengend, hier zu spielen. Dementsprechend jede Pause, die man hat, nutzt man natürlich. Und in den Auszeiten kam dann erstmal eine halbe Flasche Wasser auf den Kopf. Das ist auf jeden Fall wichtig, weil man wirklich extrem überhitzt.”
    Nicht nur Bedingungen an der frischen Luft eine Herausforderung
    Hitze, Sonne, Wind und Sand – all das ist neu für Margareta Kozuch, die alle nur Maggi nennen. In der Halle war die Hamburgerin viele Jahre lang ein Star und Spielführerin der Nationalmannschaft – am Strand indes ist sie vorerst ein namenloser Neuling.
    "Ich darf halt einfach nicht zu große Erwartungen an mich stellen. In der Halle wird von mir erwartet, wird extrem viel von mir erwartet – weil ich mir das auch erarbeitet hab'. Das ist ja auch ein positiver Aspekt. Das möchte man halt direkt übertragen, aber, das geht einfach nicht. Das ist auch so eine Sache, an der ich wachsen muss, dass ich sage: das ist jetzt was komplett anderes.”
    Suche nach Arbeitgeber lockt Kozuch zum Sand
    Kozuch war in den vergangenen zehn Jahren eine Volleyball-Weltreisende. 2007 verließ sie den TV Fischbek in Hamburg, spielte für Klubs in Italien, Russland, Polen, Aserbaidschan und China. Im April hatte die 1,88 Meter große Diagonalangreiferin mit ihrem italienischen Verein aus Casalmaggiore noch die Champions-League gewonnen und war auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber.
    "Also ich habe überhaupt nicht überlegt, in den Sand zu gehen. Ja, ich hatte, wegen gewisser Umstände in der Halle, wegen eines Teams, bei dem ich spielen sollte, bei dem ich so gut wie unter Vertrag war, hat dann kurz davor entschieden, gar nicht erst zu starten. Also dieses Team existierte dann gar nicht erst in China. Das war aber zu einem Moment, wo alle anderen Teams schon formiert waren. Und ich hatte dann erstmal keinen Verein.”
    Und somit Zeit, Anfang September bei den Deutschen Beachvolleyball-Meisterschaften in Timmendorfer Strand vorbeizuschauen. Bereits ihr Erscheinen dort sorgte für Gerüchte und Spekulationen. Karla Borger spielte bei den Titelkämpfen noch mit ihrer langjährigen Partnerin Britta Büthe. Das Duo war unter anderem 2013 Vizeweltmeister geworden und kam bei den Sommerspielen in Rio auf Rang neun. Für Büthe waren die Deutschen Meisterschaften der Abschied vom Beachvolleyball, Borger spielte ebenfalls mit dem Gedanken, aufzuhören. Doch sie hatte noch eine Option, wenn auch eine scheinbar Ungewöhnliche – Maggi Kozuch.
    Für Karla Borger war Maggi Kozuch Grund weiterzumachen
    "Ich hatte ein bisschen Schiss davor, dass sie auch absagt. Deshalb war ich halt hyper nervös, als ich angerufen habe, weil ich einfach gar nicht wusste, wie sie antwortet und wer sie überhaupt ist. Also ich kenne sie aus der Halle vom Sehen, aber wir hatten ja tatsächlich noch nie so richtigen Kontakt miteinander und dann am Telefon – ich fand', dass es schon beim ersten Telefonat klar war, dass wir miteinander spielen.”
    Seit Dezember trainieren beide zusammen, den gesamten Januar haben sie auf Teneriffa verbracht. Die Trainingslager finzanzieren sie selbst, ebenso die Trainer und Physiotherapeuten. Für Kozuch ist der Wechsel an den Strand vorerst ein finanzieller Verlust – soviel wie einst in der Halle, wo sie mittlere, sechsstellige Summen einstrich, verdient sie nicht mal annhähernd.
    Findungsphase zwischen Nervosität und Genuss
    In Fort Lauderdale endete das Debüt in der ersten Ko-Runde – doch Ergebnisse sind derzeit noch zweitrangig. Das Duo ist noch in der Findungsphase. Statt sechs stehen nur zwei Akteure auf dem Feld, es gibt keine Auswechselungen, die Blickwinkel sind völlig anders, die Feldabdeckung auch. Jedes Spiel, jeder Satz, jeder Ballwechsel ist eine neue Erfahrung für Kozuch.
    "Ich versuche, jeden Moment zu genießen und aufzunehmen. Es ist eine gewisse Nervosität da, auf jeden Fall. Es ist aber eine schöne Nervosität und es ist auf jeden Fall die Herausforderung, für die ich mich entschieden habe.”
    Kira Walkenhorst hat Kozuch bei den Spielen in Südflorida beobachtet. Die Europameisterin und Olympiasiegerin fing 2005 mit Beachvolleyball an, spielte jedoch bis 2013 auch abwechselnd in der Halle.
    "Ich denke, dass auch Maggi da sehr schnell reinkommen wird. Vielleicht gerade, wenn solche Bedingungen sind wie jetzt gerade, wo Windstille ist, ist es wahrscheinlich noch einfacher als wenn dann irgendwann das erste Windspiel richtig auftauchen wird. Ich kann mir vorstellen, dass es ein sehr, sehr gutes Team wird.”
    Beachvolleyball körperlich eine große Umstellung
    Karla Borger spielt in ihrer siebten Strand-Saison. Sie muss ihre neue Partnerin schon mal daran erinnern, ein Handtuch mitzunehmen oder weißt darauf hin, die Sonnencreme nicht zu vergessen. Und sportlich sind die Anforderungen im Sand auch andere.
    "Vom Körperlichen braucht man da einfach total die Zeit, um sich anzupassen. Also ich würde mal davon ausgehen, dass es über ein halbes Jahr, Jahr fast dauert, bis man dann wirklich im Beachvolleyball auch drin ist. Aber sie macht das richtig gut und körperlich ist sie fit. Ich denke mal, wenn wir es so, wie wir es geplant haben, weiterführen und so, wie wir darüber sprechen und offen sind, sehe ich da auf jeden Fall eine große Zukunft.”
    Das große Ziel sind die Sommerspiele 2020 in Tokio. Er wären die ersten für Kozuch. Denn so gut sie in der Halle auch war, für Olympia konnte sie sich bislang nie qualifizieren.