Listening-Club-Szene in London

Der beste Sound der Welt

Listening-Club in London: Das Spiritland ist mit einem aufwendigen und ausgeklügelten Soundsystem ausgestattet.
Listening-Club in London: Das Spiritland ist mit einem aufwendigen und ausgeklügelten Soundsystem ausgestattet. © Marten Hahn
Von Marten Hahn · 04.04.2017
Hörbegeisterte versammeln sich vor den besten Lautsprechern der Welt: In der Listening-Club-Szene Londons steht die Musik im Mittelpunkt. Unser Autor Marten Hahn hat sich zwei Tempel der Audiophilen-Bewegung einmal näher angesehen.
Es ist ein Montagabend. Doch die Stuhlreihen im Brilliant Corners, einer Bar im Londoner Stadtteil Dalston füllen sich schnell. Colleen Murphy hat zum Musikhören geladen:
"Es gibt keinen richtigen oder falschen Weg, Musik zu erfahren. Aber wir bieten den Leuten eine Alternative an, Musik so zu hören, wie sie sie noch nie gehört haben."

Das Abspielen von MP3s ist tabu

Zwei Klippschorn-Lautsprecher, ein Röhrenverstärker, ein High-end Turntable: Die US-Amerikanerin spielt bei ihren Events Musik von Vinyl über eine sehr hochwertige, sehr teure Anlage. MP3-Dateien abzuspielen, käme für sie nicht in Frage:
"MP3s sind ein gutes Werkzeug, wenn man Musik verschicken will. Aber sie sollten niemals verstärkt werden. Ich bin immer überrascht, wenn ich DJs sehe, die kein Problem damit haben MP3s zu spielen. Da fehlt doch ein Großteil der akustischen Information."
Die Klippschorn-Lautsprecher, die hier zu hören sind, kosten mehr als 7000 Euro das Stück. Normalerweise stehen die Boxen in Murphys Londoner Wohnzimmer:
"Oft kamen Freunde zu uns, die ihre Lieblingsplatten auf unserer Anlage hören wollten. Das war für sie eine besondere Erfahrung."
Also machte Murphy 2010 daraus eine öffentliche Veranstaltung, schleppte ihre Boxen in einen Pub und rief die Reihe "Classic Album Sundays" ins Leben. Die Sache wurde ein Riesenerfolg und inspirierte andere Soundbesessene.
In Kings Cross steht ein weiterer Tempel der Londoner Listening-Club-Szene. Das Spiritland ist ein Listening-Club, wie es sie lange nur in Japan gab: Ein exquisiter Mix aus Bar, Restaurant und Wohnzimmer. Am Ende des Raums stehen Verstärker und gigantische Lautsprecher. Ein teurer Spaß, sagt Miteigentümer Paul Noble:
"Die gesamte Ausrüstung kommt ungefähr auf einen Wert von einer halben Million Pfund."
Marten Hahn: "Das ist eine Menge Geld."
Paul Noble: "Ja, das ist eine Menge Geld. Unfassbar viel. Absolute Dekadenz. Aber aus den richtigen Gründen. Wir geben der Musik wieder die Liebe, Achtung und Aufmerksamkeit die sie verdient."

Kein Ton der Musik geht verloren

Man muss nicht direkt neben den Monster-Lautsprechern sitzen. Aber man kann: Kein Ohrenfiepen, kein Lärm. Die Musik legt sich so klar über den Raum, dass trotz Bargeräuschen kein Ton verloren geht.
Paul Noble: "Je einfacher die Musik, desto besser. Zum Beispiel nur Klavier und Gitarre. Oder Gitarre und Gesang. Du kannst dann spüren, was zwischen den Musikern am Aufnahmetag passiert ist."
Im Brilliant Corners stellt Colleen Murphy an diesem Abend "E2-E4" vor – das legendäre Album von Manuel Göttsching. Der Elektro-Pionier sitzt neben Murpy auf der Bühne.
Schließlich bittet Murphy die Gäste, die Handys auszuschalten und zu schweigen. Was folgt, gleicht einer Messe.

Gedimmtes Licht, geschlossenen Augen

Bei gedimmten Licht sitzen die meisten mit geschlossenen Augen da. Einige nicken sanft mit dem Kopf, andere habe es sich auf Kissen bequem gemacht. Als es vorbei ist, klingt mancher Gast, als wäre er soeben aus einer Trance erwacht:
"An Abenden wie diesen erlebt man Musik so nah, als wäre man dabei gewesen, als sie entstand. Und es fühlte sich kürzer an als eine Stunde. Ich meine, die erste Seite, der erste Track, der variiert so sanft, da kommt man einen besonderen Ort beim Zuhören. Man ist da ganz in Gedanken. Das war gut! Eine tolle Erfahrung."
Und was hält Manuel Göttsching, der Komponist, selbst von so viel Hifi-Macht?
Manuel Göttsching: "Ich meine, eine gute Musik ist eine gute Musik und die klingt auch auf einer uralten Platte toll. Zur Kontrolle haben wir früher zum Beispiel in Tonstudios auch ein paar Billig-Lautsprecher gehabt. Wenn sich jemand diese Schallplatte auf dem Küchenradio anhört, dann muss sie dort auch gut klingen. Der Ton muss rüberkommen und das müsste bei MP3 dann eben auch sein."
Es gibt eben keinen richtigen oder falschen Weg, Musik zu hören.
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