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Von der Lust einer Ausstellung

Über drei Generationen hinweg porträtiert Claudia Herstatt erfolgreiche Galeristinnen aus Europa, Asien und Amerika. Optisch trennt eine knallrote leere Seite die 30 Kolleginnen voneinander. Ihre Beschreibungen folgen einem einheitlichen Muster, inklusive einem Bekenntnis eines durch die Galerie vertretenen Künstlers.

Von Andrea Gnam | 17.11.2008
    "Mach das Weinglas für den Sammler randvoll, für den Künstler halbvoll und halte für den Direktor des British Council die Whiskyflasche bereit, die unter dem Schreibtisch steht", mit dieser Empfehlung soll Annely Juda, eine der großen alten Damen des Galeriebetriebes, ihren Sohn in die Küchengeheimnisse ihres Metiers eingewiesen haben. Claudia Herstatt stellt in ihrem bei Hatje Cantz erschienenen Buch über drei Generationen hinweg erfolgreiche Galeristinnen aus Europa, Asien und Amerika vor.

    Die 30 Porträts befolgen ein einheitliches Muster: Ein Foto der Galeristin steht zu Beginn, dazu kommen zwei, drei Aufnahmen, welche Ausstellungen in den Galerien zeigen. Es gibt eine Beschreibung der Galerietätigkeit, ein kurzes, persönlich gehaltenes Porträt sowie ein Bekenntnis eines durch die Galerie vertretenen Künstlers zu "seiner Galeristin".

    Optisch trennt eine knallrote leere Seite die Kolleginnen voneinander, auf dem Cover sieht man eine schwarz gekleidete Dame in Minirock und Pumps. Die Arme sind verschränkt, die Fingernägel rot lackiert, ein breites Armband zieht den Blick auf sich, der Kopf ist abgeschnitten. Klischeehaft wie das Bild der erfolgreichen Geschäftsfrau auf dem Umschlag ist der Blick auf die Damen und ihre Tätigkeit: Im Ton einer Frauenzeitschrift erfährt man, was die Galeristinnen tragen.

    Auch Personenbeschreibungen können indes ein glattes Parkett sein. Eine Galeristin "stöckelt auf ihren hohen Plateausohlen ungebremst durch die Welt", "auf eigenen Füßen ging sie nun ins Risiko", liest man über eine andere. Dabei scheint alles für Frauen ganz einfach zu sein, so sie sich auf die traditionell ihnen zugeschriebenen Tugenden besinnen.

    Bei aller Individualität, resümiert Claudia Herstatt im Kapitel "Aufsteigerinnen", scheine eines doch "wesensverwandt weiblich zu sein". "Das Führen einer Galerie", zitiert sie eine Antwerper Galeristin, sei "wie ein erweiterter Haushalt, indem man ständig Ordnung schaffen muss. Neben der Organisation von Ausstellungen, Kontaktpflege zu Sammlern und Künstlern, mache ich die Buchhaltung für meine Künstler, agiere (...) als Lebensbe-raterin in Krisen, damit sie sich auf ihre Arbeit konzentrieren können".

    Hätte es sich um Galeristen gehandelt, wäre in solchem Kontext wahrscheinlich von Coa-ching und Management die Rede gewesen. Interessiert hätte tatsächlich, worauf die Gratwanderung zwischen Vertrauen in die Entwicklung eines Künstlers, Enthusiasmus für die Vermittlung seiner Arbeit und ökonomischem Kalkül eigentlich beruht, welche den Erfolg einer Galerie ausmacht. Bis auf wenige Ausnahmen verfügten die meisten Frauen beim Start über einen familiär gesicherten finanziellen Hintergrund und beste Verbindun-gen.

    Und manchmal liest sich die Geschichte einfach so: "Über die Zeit war Antonia Gmur-zynska zu einer gewieften Geschäftsfrau gereift. Sie konnte hart verhandeln." Oder es wird "Arbeit" als Erfolgsrezept genannt. Trotz dieser Schwächen vermittelt die Lektüre des Buches Einsichten in Aufgabenstellung und Selbstverständnis der Galeristinnen.

    Es ist aufschlussreich zu sehen, in welchen Räumlichkeiten die Werke ausgestellt werden: Noch dominieren die weiße Schachtel oder das Fabrikloft, aber es gibt auch ungewöhnliche Räume, wie ein ehemaliges Offizierskasimo oder anspruchsvolle architektonische Lösungen. Zur Frage, nach welchen Kriterien die Galeristinnen die Künstler auswählen, für die sie sich einsetzen und deren Werk sie über Jahre hinweg begleiten, gibt es unterschiedliche Antworten.

    Während die Avantgarde-Galeristinnen der ersten Generation Klarheit und puristische Positionen in der Kunst bevorzugen, öffnen sich spätere Akteurinnen auch Arbeiten, die emotionale, imaginäre oder verspielte Saiten anschlagen. Diese Haltungen spiegeln durchaus die Entwicklung der Kunst im 20. Jahrhundert wider. So bekennt Ilona Anhava, die ihre Galerie in Helsinki betreibt: "Zeitgenössische Kunst kann heutzutage alles sein. Da gibt es nahe an der Philosophie angesiedelte Konzepte, die fast keiner visuellen Form bedürfen. Und es gibt den starken visuellen Ausdruck, der über das Auge gleich die Seele berührt. Zwischen diesen beiden Polen versuche ich alles aufzunehmen und zu zeigen."

    Manch eine beruft sich aber auch - nicht wie frühere Generationen auf das geschulte Auge - sondern auf den Bauch, das Kribbeln in der Magengrube. Sehr selbstbewusst formuliert das die Japanerin Atsuko Koyanagi: "Ich vertraue meinem Instinkt, wenn ich eine Arbeit haben möchte, dann muss etwas dran sein."

    Olafur Eliasson, Thomas Ruff, Sophie Calle und Hiroshi Sugimoto gehören zu den von ihr vertretenen Künstlern, die Kombination ist einleuchtend. Die Künstlerstatements zu "ihren" Galeristinnen reichen von Vertauensbekundungen - "Eine Arbeit lieben, heißt sich für sie zu entscheiden" - bis hin zu selbstironischen Charakteristiken - "Manchmal bin ich der Autounfall und sie die Ambulanz".

    Wunderbar einfach, aber nicht minder überzeugend, ist das Bekenntnis von Fischli/Weiss zu Eva Presenhuber: "Eines Tages fragte sie uns, ob wir Lust hätten, eine Ausstellung zu machen. Nichts sprach dagegen! Im Gegenteil. Und so ist es geblieben."

    Claudia Herstatt: Frauen, die handeln. Galeristinnen im 20. und 21. Jahrhundert
    Hatje Cantz Verlag, Ostfildern,
    208 Seiten, 29,80 Euro