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Von der Musik der Bauern inspiriert

Von "kompositorischen Verirrungen" sprach die Musikkritik zu seinen Lebzeiten. Doch heute gilt Béla Bartók als einer der wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Am 25. März 1881 wurde er in Rumänien geboren.

Von Sabine Fringes | 25.03.2006
    "Die Übertreibungen der Spätromantik begannen unerträglich zu werden. Aber wohin sich wenden?"

    Diese Frage stellten sich mit Béla Bartók viele Komponisten zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Während Arnold Schönberg sich in Wien von der Tonalität löste und Igor Strawinsky sich in Paris mit radikalen Stiländerungen immer wieder neu von der Romantik abzusetzen suchte, schlug Béla Bartók, der am 25. März 1881 in Nagyszentmiklós, einem kleinen Städtchen in Rumänien geboren wurde, einen ganz anderen Weg ein.

    Schon im Alter von acht Jahren beginnt der Sohn eines ungarischen Schuldirektors und einer deutschen Lehrerin zu komponieren. Zur selben Zeit verliert er seinen Vater, und die Mutter zieht mit ihrem Sohn nach Pressburg, um ihm dort eine solide musikalische Ausbildung zu ermöglichen. An der Musikakademie in Budapest studiert der 20-Jährige Klavier und Komposition, doch kann er, wie er in seiner Autobiografie schreibt, nach dem intensiven Studium der Werke von Johannes Brahms, Franz Liszt und Richard Wagner zunächst keinen eigenen kompositorischen Weg finden.

    Ein Wendepunkt zeichnet sich erst im Jahr 1904 ab: In diesem Jahr notiert er zum ersten Mal ein Volkslied, gesungen von einem siebenbürgischen Dienstmädchen. Fasziniert von den ursprünglichen Weisen, beginnt er nun systematisch die Bauernmelodien seines Landes zu sammeln und zu studieren. Gemeinsam mit seinem Freund Zoltán Kodaly zieht Bartók mehrere Jahre lang, mit Phonographen und Wachswalzen ausgestattet, durch entlegene Dörfer Ungarns, Rumäniens und Bulgariens und später auch der Slowakei und der Türkei.

    "Diese Bauernmusik weist in der Form höchste Vollendung und Mannigfaltigkeit auf. Erstaunlich ist ihre große Ausdruckskraft, die dabei völlig frei von Sentimentalität und überflüssigem Geschnörkel ist."

    Die Volksmusik Osteuropas bietet Bartók den idealen Ausgangspunkt für eine – wie er schreibt – musikalische Wiedergeburt. Ihre archaischen Tonarten und fremdartigen Rhythmen prägen fortan seinen persönlichen Stil: In Sonaten und Orchesterstücken, seinen Streichquartetten, den Klavier- und Bühnenwerken.

    Einen ersten großen internationalen Erfolg erringt er jedoch erst 1923 mit seiner Tanzsuite für Orchester. Im selben Jahr lässt sich der 42-Jährige von seiner Ehefrau scheiden und heiratet Ditta Pásztory, die wie seine erste Frau seine Klavierschülerin gewesen war und mit der er ebenfalls einen Sohn hat.

    In dieser Zeit entstehen neben den großen Kompositionen, wie etwa der Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta, auch seine pädagogischen Werke: Darunter sein "Mikrokosmos", eine Sammlung von 153 progressiv angeordneten Klavierstücken.

    Eine schwere Schaffenskrise löst seine Emigration in die USA im Jahr 1940 aus. Nach außen hin wortkarg und stolz, fällt es dem 60-Jährigen schwer, in der Neuen Welt Fuß zu fassen. Er erkrankt an Leukämie, an der er am 26. September 1945 in New York sterben wird.

    Derart geschwächt, sieht Bartók seine Komponistenlaufbahn als beendet an. Doch im Jahr 1943 setzt sich der amerikanische Verband der Komponisten für ihn ein und übernimmt die Kosten für eine ärztliche Behandlung. Durch diese Unterstützung zu neuen Kräften gekommen, schreibt Bartók von seinem Krankenlager aus neben dem dritten Klavierkonzert auch das Konzert für Orchester. Eine Musik voller Wärme und Ironie, Trauer und Übermut. Mit der Verarbeitung osteuropäischer Bauernlieder stellt sie eine Art Synthese von Bartóks Schaffen dar.

    "Meine eigentliche Idee aber ist die Verbrüderung der Völker, eine Verbrüderung trotz allem Krieg und Hader. Dieser Idee versuche ich in meiner Musik zu dienen; deshalb entziehe ich mich keinem Einflusse, mag er auch slowakischer, rumänischer, arabischer oder sonst irgendeiner Quelle entstammen."