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Von der Nische zum Mainstream

Transfair vergibt Siegel für Produkte, die die Verbraucher in den Industrieländern ein bisschen mehr kosten, aber den Bauern und Landarbeitern in den Herkunftsländern einen fairen Lohn garantieren. Längst sind diese Waren im herkömmlichen Supermarkt angekommen.

Von Henning Hübert | 03.05.2011
    Produkte mit TransFair-Siegel im Wert von 340 Millionen Euro gingen im vergangenen Jahr über bundesdeutsche Ladentheken oder Cafétresen. Macht ein sattes Umsatzplus von gut 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Am stärksten wuchsen der Außer-Haus-Markt – also die Belieferung von Bäckereien, Studentenwerken und Hotels - um 49 Prozent. Sowie der Verkauf von Wein aus fairem Anbau und Handel – eine Million Liter vor allem aus Südafrika machen ein Zuwachs von 61 Prozent.

    Dieter Overath, Geschäftsführer des Vereins zur Förderung des Fairen Handels mit der "Dritten Welt":

    "In den Weingütern gerade in der Kapstadtregion gibt es sehr klare Programme, die auch in den Fairtrade-Kriterien drin liegen des Black Empowerments. Dass die Arbeiter schrittweise an den Weingütern beteiligt werden sollen. Und von ihrem Status als Tagelöhner oder eben nur für die Weinernte zuständig in die nächste Phase kommen. Und das sind Projekte, die über Fairtrade-Prämien zusätzlich finanziert werden."

    Der Import fair produzierten und gehandelten Kaffees stieg um 26 Prozent auf mehr als 7200 Tonnen. Kaffee ist mit Abstand das wichtigste Fair-Trade-Produkt. Weltweit fast 450.000 Bauern ernten ihn. 2010 für einen Rekordpreis – Arabica-Bohnen notierten auf einem 14-Jahres-Hoch. Für die Bauern bedeutet dies: Anhebung des vertraglichen Mindestpreises, der Fairtrade- und Bioprämie auf zusammen knapp zwei US-Dollar pro Pfund. Vor allem aber Vorabverträge, um einen Bogen um Spekulanten im Zwischenhandel mit Kaffee und Kakao zu machen. Dieter Overath:

    "Diese Agrarprodukte sind immer mehr Ziel von Spekulation. Der faire Handel ist direkter Handel. Das Prinzip der Vorfinanzierung trifft hier immer mehr zu. Weil: Bauern haben immer mehr Probleme, auf den lokalen Geldmärkten Kredite zu bekommen, ob in Indien oder Burkina Faso. Pflanzungen sind überaltert, man muss in Qualität investieren. Und all diese Dinge werden durch Fairtrade-Prämien und Mindestpreise sichergestellt. Von daher haben die hohen Agrarpreise wenig damit zu tun, wie konkret es dem Bauern besser geht."

    Immer öfter findet sich ein Blumenstrauß aus fairem Handel in deutschen Vasen. 72 Millionen Rosen machten in 2010 ein Plus von zehn Prozent und inzwischen einen Marktanteil von 2,4 Prozent. Meistens kommen sie aus Afrika. Und wurden auch von der Zeitschrift Ökotest empfohlen: Denn sie sind anders als viele herkömmliche Importrosen kaum mit Pestiziden belastet. Neu ist ein Serviceangebot der Zertifizierungsgesellschaft FLO-Cert. Die GmbH fördert Kleinbauernfamilien, die etwa beim Kaffeeanbau Wasser sparen und Bodenerosionen verhindern. Insgesamt gibt es in Deutschland schon mehr als 30.000 Supermärkte, Welt- und Bioläden, die fair gehandelte Produkte anbieten. Und rund 18000 Cafés brühen Fair-Trade-Bohnen – 3000 mehr als noch 2009. Geschäftsführer Dieter Overath wünscht sich weiteres Wachstum – nach dem Vorbild England.

    "Der britische Markt zeigt, wie auch Handelsketten und größere Konzerne sich dem Fairtrade-Konzept nicht nur mit einigen Produkten – manche sagen Alibi-Produkten – annähern können, sondern wie man ganze Sortimente umstellt. In einem britischen Supermarkt haben Sie 150 Fairtrade-Produkte als Mindestauswahl. Bei Lidl haben wir 15 Produkte, immerhin. Bei REWE vielleicht auch zehn bis 15. Und das wäre unser Traum: Das Fairtrade nicht nur eine Nische – in Deutschland eine größere Nische – ist, sondern, dass es auch Mainstream werden kann."