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Von der Suchmaschine zum Datenmonopolist

Beim Thema Google denken wir noch immer an den Begriff Suchmaschine. Das ist eigentlich verkehrt, weil das Hauptgeschäft dieser Maschinen eigentlich darin besteht, Werbung zu verkaufen. 90 Prozent seines Umsatzes - im zweiten Quartal dieses Jahres waren das 2,4 Milliarden Dollar - erzielt Google so mit Werbe-Inseraten.

Von Martina Schulte | 12.08.2006
    Die Website, die Google für 900 Millionen Dollar Eintrittsgeld exklusiv mit Werbung und Suchfunktionen bestücken darf, ist nicht irgendeine Seite, sondern die am stärksten frequentierte Site im ganzen Internet. Mehr als 100 Millionen vorwiegend junge Leute weltweit nutzen MySpace, um sich online vorzustellen oder um mit Freunden zu kommunizieren - unter ihnen auch immer mehr deutsche Jugendliche. Jeder MySpace-Bewohner hat dabei online ein eigenes Profil hinterlegt, das den geneigten Surfer über Lieblingsklamotten, Lieblingsbands oder Lieblingsschriftsteller aufklärt. In virtuellen Communities organisieren sich Tierliebhaber, echte Girlies, Raucher oder Horrorfilmfreaks. 100 Millionen MySpace Nutzer, das sind 100 Millionen persönliche Daten der so genannten werberelevanten Zielgruppe.

    "Für Google bedeutet das, dass Google eine relativ preiswerte Plattform gefunden hat, auf denen sie Millionen von Teenagern, d. h. eine sehr interessante, sehr lukrative Nutzergruppe ansprechen können und denen wiederum customisierte, dass heißt also auf ihrem Verhalten basierende Werbung anbieten."
    Hendrik Speck, Professor für digitale Medien und Informatik, sieht in Googles Werbedeal den folgerichtigen Schritt eines expandierenden Medien-Unternehmens, das von den meisten Internet-Nutzern fälschlicherweise immer noch als Suchmaschine wahrgenommen wird.

    "Es gibt ein paar Missverständnisse zum Thema Google. Wir denken immer noch an den Begriff Suchmaschine. Das ist eigentlich verkehrt, weil das Hauptgeschäft von diesen Suchmaschinen nicht mehr in den Suchdiensten besteht, sondern darin Werbung zu verkaufen."

    90 Prozent seines Umsatzes - im zweiten Quartal dieses Jahres waren das 2,4 Milliarden Dollar - erzielt Google mit Werbe-Inseraten, den so genannten Ads. Gibt ein Internetnutzer zum Beispiel den Begriff 'Baby' in die Suchmaschine ein, erscheinen links auf der Google-Seite die Suchergebnisse und rechts die passenden Anzeigen, die für Windeln, Babynahrung oder Ratgeberbücher werben. Mit jedem Klick auf eine solche Anzeige verdient Google Geld. Seine Ads vermittelt die Suchmaschine aber auch an die Betreiber fremder Websites, wie zum Beispiel MySpace. Jedes Mal, wenn künftig irgendwo auf der Welt ein MySpace Nutzer auf eine Anzeige klickt, klingelt bei Google die Kasse. Zudem hat das Unternehmen - weitgehend unbemerkt von großen Teilen der Öffentlichkeit - in den letzten Jahren ein kleines Imperium an Zusatzdiensten zusammengekauft, die geeignet sind, so Hendrik Speck, den arglosen Nutzer in einen gläsernen Konsumenten zu verwandeln.
    "Google weiß, dass Sie zu einem bestimmten Zeitpunkt Interesse an Babythemen haben. Google kann weiterhin feststellen, dass Sie über die Preissuchmaschine Froogle auf bestimmte Babysachen, z. B. Kleidungsstücke, zugegriffen haben. Google ist des Weiteren in der Lage mit einem E-Mail-Dienst, den sie anbieten, dem so genannten Google G-mail, Ihre Umgebung, Ihr soziales Netzwerk, Ihre Freunde, Ihre Eltern, Ihre Bekannten entsprechend zu erfassen. Mit weiteren Diensten ist Google in der Lage praktisch ihre Finanzen zu tracken. Sie können praktisch bestimmen, welche Nachrichten Sie gelesen haben, sie können feststellen, an welchen politischen Profilen Sie interessiert sind und Google kann mit dem Kombinieren dieser Informationen weitere Erkenntnisse gewinnen, d. h. Sie werden dann zum Beispiel feststellen, dass neun Monate nach dem ersten Interesse an Babythemen Ihnen plötzlich Babysachen angeboten werden. Und es ist denkbar, dass mit dem Wachsen ihres Kindes auch die entsprechenden Dienste, Kleidungsstücke, Waren, Nahrungszusatzstoffe, Spielsachen usw. angeboten werden."

    All dies ist möglich, weil Google die Suchanfragen jedes einzelnen Nutzers auf seinen Rechnern speichert. Die Gefahr, die von diesen Datenbergen ausgeht, versuchte das Unternehmen in der Vergangenheit stets herunterzuspielen. Zusammen mit seinen Konkurrenten Yahoo und MSN beeilte sich Google zu versichern, dass die Daten der Nutzer selbstverständlich anonymisiert seien, Missbrauch ausgeschlossen. Doch ein Daten-Gau beim Internetprovider AOL machte Anfang dieser Woche deutlich, wie löchrig diese Schutzfunktion ist. 20 Millionen anonymisierter Suchanfragen beim Internetdienst von AOL, der auf die Technologie von Google zurückgreift, wurden versehentlich als Datensatz veröffentlicht. Bereits nach wenigen Tagen hatten Reporter der "New York Times" die Nutzerin mit der Nummer 4417749 als die 62-jährige Rentnerin Thelma Arnold aus Lilburn in Georgia identifiziert. Neben den Suchbegriffen 'taube Finger', 'Single-Männer über 60' und 'Hunde, die auf als urinieren' hatte die Dame im Internet auch nach Häusern in ihrer Heimatstadt und Informationen zu einigen Verwandten gesucht.