Dienstag, 16. April 2024

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Von Durchschlängeln bis Wildpinkeln

Sommerzeit ist nicht nur Reisezeit, sondern auch Stauzeit. Häufig kommt dann Ungeduld auf oder das Bedürfnis, sich zu erleichtern. Was im Stau auf der Autobahn erlaubt ist und was Bußgelder oder Punkte in Flensburg bringt, erklärt Kay Rodegra, Anwalt für Verkehrsrecht.

Kay Rodegra im Gespräch mit Britta Fecke | 02.08.2013
    Britta Fecke: Wir verlassen die Strände der Nord- und Ostsee und widmen uns dem Weg dorthin, den Autobahnen. Inzwischen haben alle Bundesländer offiziell Schulferien, das Land ist also im Reisefieber. Bei den aktuellen Temperaturen wird es auch tatsächlich ziemlich heiß auf dem Asphalt. Wer dann im Stau steht, muss auf Kreislauf und Nerven achten. Wenn der Rückstau zu beliebten Badeseen schon mal bis auf die Autobahn reicht oder auf dem Weg nach Italien Stillstand herrscht, gilt es einiges zu beachten.
    Ich bin jetzt verbunden mit Kay Rodegra, Anwalt für Verkehrsrecht. Herr Rodegra, es ist heiß, man steht im Stau, die Nerven liegen blank – lassen Sie uns in dem Zusammenhang über einige Verkehrsregeln sprechen. Wenn die Beine schwer werden vom Sitzen im aufgeheizten Auto, darf man dann aussteigen bei stehendem Verkehr auf der Autobahn?

    Kay Rodegra: Aussteigen ist wirklich nur erlaubt, wenn der Verkehr absolut steht, also gar nichts mehr geht. Sobald Stop-and-go auf der Autobahn ist, darf man die Autobahn nicht betreten, das ist einfach zu gefährlich.

    Fecke: Wie hoch ist da die Strafe?

    Rodegra: Das kommt drauf an, ob man andere gefährdet, aber bei zehn Euro geht es los, wenn man als Fußgänger auf die Autobahn unerlaubterweise herumspaziert.

    Fecke: Und wahrscheinlich gibt es auch noch einen Punkt?

    Rodegra: Nein, da gibt’s keinen Punkt für.

    Fecke: Na, immerhin. Einige wollen ja die Zeit nutzen, die sie da im Stillstand verbringen oder im Stop-and-go, und halten das Telefon ans Ohr – was gibt’s dafür?

    Rodegra: Das Telefon darf der Fahrer nur benutzen, wenn das Auto wirklich steht und der Motor aus ist. Sobald er rollt, Stop-and-go-Verkehr herrscht, dann ist es verboten, das Telefonieren mit dem Handy am Ohr, dann zahlt man 40 Euro und bekommt einen Punkt in Flensburg.

    Fecke: Die Nutzung des Standstreifens ist ja gerade, wenn alles steht, ja vielleicht von besonderer Bedeutung. Wenn man zum Beispiel im Grün dahinter dem Druck der Blase nachgeben will, ist das erlaubt wegen der extremen Bedingungen oder gibt es auch da Strafpunkte?

    Rodegra: Eigentlich ist es nicht erlaubt, wenn man auf dem Standstreifen parkt, um seiner Notdurft nachzukommen, da zahlt man ein Bußgeld. Anders ist es, wenn absolut gar nichts mehr geht über längere Zeit, absoluter Stillstand, dann wird natürlich ein Auge zugedrückt. Und wer dann rechts in die Büsche geht, der hat keine Strafe zu befürchten.

    Fecke: Der andere Trick ist ja, beide Türen aufzustellen und sich dazwischen zu erleichtern – gibt es dafür irgendwelche Strafverfahren, -maßnahmen?

    Rodegra: Auf der Autobahn ist dieses – wenn ich sagen darf – Wildpinkeln natürlich verboten, das geht gar nicht. Das ist eine Ordnungswidrigkeit, da gibt es durchaus ein Verwarnungsgeld, das fängt so bei 35 Euro dann an.

    Fecke: Lassen Sie uns ganz kurz über das Überholen sprechen. Rechts überholen im Stau, ist das erlaubt?

    Rodegra: Das ist nur erlaubt, wenn es zu einer Kolonnenbildung kommt und auf der linken Spur eine Geschwindigkeit von weniger als 60 Kilometer zu verzeichnen ist oder der linke Verkehr absolut steht, dann darf ich rechts langsam überholen. Wenn alles wieder fließt, dann muss ich zum normalen Überholen wieder auf die linke Spur wechseln.

    Fecke: Meist blicken ja die Autofahrer recht neidisch auf die Motorradfahrer, die sich durchschlängeln – begehen die einen Rechtsbruch oder dürfen die das?

    Rodegra: Die dürfen das nicht, das ist nämlich höchst gefährlich. Nehmen wir mal an, ein Autofahrer macht die Tür auf, da kommt’s schnell zum Unfall. Dieses Durchschlängeln gilt als unerlaubtes Rechtsüberholen und kostet den Motorradfahrer 100 Euro und gibt drei Punkte in Flensburg.

    Fecke: Sie sprachen jetzt von Durchschlängeln – gäbe es die Möglichkeit, dass sie ganz links fahren oder ganz rechts oder ist es generell verboten?

    Rodegra: Das ist generell verboten, denn auch ganz links ist ja gar nicht genügend Platz zu dem Fahrzeug, was auf der linken Spur steht. Deswegen ist dieses Durchschlängeln generell verboten.

    Fecke: Wie verhält es sich mit Rettungsgassen zwischen den Fahrbahnen, werden die gebildet, sobald man den Rettungswagen hört oder schon davor?

    Rodegra: Nein, schon davor. Sobald es zu einer Staubildung kommt auf der Autobahn, muss zwischen der äußerst linken Fahrbahn und der mittleren beziehungsweise rechten – je nachdem, ob es zwei- oder dreispurig ist – eine Rettungsgasse gebildet werden, damit da eben die Rettungsfahrzeuge schnell durchkommen. Wer das missachtet, der zahlt 20 Euro Verwarnungsgeld.

    Fecke: Lassen Sie uns das noch mal ganz kurz klären: Wir haben drei Spuren, wo ist dann die Rettungsgasse?

    Rodegra: Dann die äußerst linke Spur und der mittleren Spur, zwischen diesen beiden Spuren muss die Rettungsgasse gebildet werden.

    Fecke: Das heißt, dann hab ich zwei Rettungsgassen?

    Rodegra: Nein, da hat man eine, zwischen der äußerst linken und der mittleren. Zwischen der mittleren und rechten Fahrbahn muss keine Gasse gebildet werden.

    Fecke: Und sonst, wenn wir nur zwei Spuren haben, dann in der Mitte?

    Rodegra: Dann die mittlere, ganz genau.

    Fecke: Da wäre natürlich auch das Bestehen eines Standstreifens noch mal besonders tragisch, oder?

    Rodegra: Der Standstreifen darf nicht benutzt werden zum Fahren von Autofahrern, das kostet sofort ein Bußgeld und muss auch freigehalten werden. Da darf man nur rauffahren, wenn man wirklich eine Panne hat.

    Fecke: Kay Rodegra, Anwalt für Verkehrsrecht, hat uns erläutert, worauf Sie achten müssen, wenn Sie auch bei Hitze im Stau stehen.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.