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Von einer saukomischen Farce bis hin zum Schreiberling in Puerto Rico

Ein vietnamesischen Hängebauchschwein ist die Hauptfigur in "Das Schwein von Gaza". Trotz des Nahostkonflikts, darf bei diesem Film gelacht werden. In "Who Killed Marylin" versucht ein Autor mit Schreibblockade den Mord an einer Dorfschönheit zu lösen und Johnny Depp zieht es in "Rum Diary" mal wieder in die Karibik.

Von Jörg Albrecht | 01.08.2012
    "Alle Gläubigen, die Schweinefleisch essen, wird Gott in Schweine verwandeln. So ist das Gesetz. ..."

    Bei den Worten des muslimischen Predigers kommt der Fischer Jafaar aus Gaza ins Schwitzen. Das Tier, dessen Verzehr laut Koran streng verboten ist - genau dieses Tier ist Jafaar ins Netz gegangen. Ein quietschlebendiges vietnamesisches Hängebauchschwein. Nein - das Schicksal meint es einfach nicht gut mit ihm. Denn erstens holt Jafaar seit Monaten mehr Müll als Fische aus dem Meer, zweitens hat er keine Ahnung, wie er jemals seine Schulden zurückzahlen soll und drittens haben auch noch israelische Wachsoldaten auf dem Dach seines baufälligen Hauses, in dem er und seine Frau Fatima leben, Stellung bezogen.

    "Sag mal, sind eigentlich alle Schweine unrein?"
    "Natürlich. ... Schwein bleibt Schwein. Egal woher - sie sind überall gleich. Wie die Männer."


    Es hilft alles nichts. Jafaar muss das Schwein irgendwie wieder loswerden, bevor noch jemand von seinem Fang erfährt. Doch weder bringt es der Fischer übers Herz das Tier zu töten, noch gelingt es ihm, es an einen von Ulrich Tukur gespielten Beamten der Vereinten Nationen zu verkaufen. Nicht nur Muslime scheiden als potenzielle Käufer aus. Auch bei den Juden gelten Schweine als unrein. Doch einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es noch. Als Jafaar erfährt, dass die Tiere angeblich in einer israelischen Siedlung gezüchtet werden, versucht er dort sein Glück.

    "Wie viel geben Sie mir dafür?
    "Ich will nur seinen Samen. ... Ich kann doch kein Schwein aus Palästina in die Siedlung lassen. ... "
    Es ist aus Vietnam.
    Ich brauche nur seine Spermien. ... Morgen um vier. Ich bin dann hier und mache Ihnen einen guten Preis."


    Schwein gehabt, Jafaar! Könnte man jetzt meinen. Aber die Odyssee des Schweinebesitzers wider Willen endet hier längst noch nicht. Mit seinem Regiedebüt "Das Schwein von Gaza" hat der französische Filmemacher Sylvain Estibal eine wunderbare Posse mit surrealen Einfällen gedreht, die man so wohl kaum in einem Krisengebiet erwartet hätte. Wie ein palästinensischer Fischer und ein Schwein gemeinsam ihren Beitrag zur Völkerverständigung leisten, ist naives Märchen, politische Parabel und saukomische Farce zugleich.

    Das Schwein von Gaza" von Sylvain Estibal - herausragend!

    "Sie sind also der Neffe von Gilbert Rousseau? Und Sie ermitteln wie der berühmte James Ellroy? ... "

    Auf der Suche nach einem Stoff ist Krimiautor David Rousseau im französischen Ort Mouthe an der Grenze zur Schweiz fündig geworden. Die Dorfschönheit Candice, die als Werbegesicht einer Käsefirma und Wetterfee im Regionalfernsehen Berühmtheit erlangt hat, soll Selbstmord begangen haben. Während der Fall für die Polizei abgeschlossen ist, sagt Rousseau seine Spürnase etwas anderes. Denn nicht nur äußerlich war die Ähnlichkeit von Candice mit Marilyn Monroe frappierend.

    " ... Sie wurde am 1. Juni geboren. Sie war eine Blondine. Und sie soll sich umgebracht haben. Genau wie Marilyn. ... Das ist Unsinn. Außerdem bringt es uns nicht weiter."

    Die heißeste Blondine am kältesten Ort Frankreichs. Dazu ein Autor mit Schreibblockade und eine ganze Reihe von Verdächtigen - allesamt Ex-Liebhaber von Candice. Rousseaus Recherchen, die ihn selbst in Gefahr bringen, wechseln sich ab mit Rückblenden, in denen das Leben von Candice und ihre Beziehungen zu den Männern aufgerollt werden. "Who Killed Marilyn?" ist von allem etwas - und genau das ist das Problem. Krimi, Charakterstudie, Satire. Zu viel für einen zwar nicht unoriginellen, aber doch spannungsarmen Film.

    Who Killed Marilyn?" von Gérald Hustache-Mathieu - zwiespältig

    " ... Sie kommen wie gerufen. Das ist Paul Kemp. Der Neue aus New York. ... Das ist Mr. Clive Donovan, Sport, und Mr. Hubert, Wirtschaft. ..."

    Ankunft in Puerto Rico. Noch ein Schreiberling. Diesmal ein Journalist. Johnny Depp spielt ihn. Erneut ereilt ihn der Fluch der Karibik. Eigentlich soll Paul Kemp die vor sich hindümpelnde Tageszeitung wieder auf Vordermann bringen. Dafür ist er engagiert worden. Doch lieber genießt er das süße Leben auf einer Insel, die bis heute Teil der USA ist. Das zeigt sich vor allem im Alkohol, der in rauen Mengen fließt. Als der reiche und korrupte Unternehmer Sanderson Kemp ein Geschäft anbietet, könnte er sich das Dolce Vita für eine sehr lange Zeit sichern. Doch dazu wäre es besser, sich weder in die Freundin des Geschäftsmannes zu vergucken noch dessen Geschäftsgebaren zu hinterfragen.

    "Rum Diary" heißt dieser wenig schmackhafte Cocktail nach einem Roman von Hunter S. Thompson. Wie bei "Who Killed Marilyn?" kann die Mixtur aus verschiedenen Genres - jetzt sind es Politdrama, Gesellschaftssatire und Liebesgeschichte - nicht überzeugen. Kein Vergleich zum visuellen Rausch der Hunter-S.-Thompson-Verfilmung "Fear and Loathing in Las Vegas" von 1998 - ebenfalls mit Johnny Depp.
    "Rum Diary" von Bruce Robinson - enttäuschend!