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Von Fischen und Kippen

Meere und andere Gewässer sind wahre Sammelbecken für Zigarettenstummel, die über das Abwasser dorthin gelangen. Die Filter zerfallen nur langsam und geben Giftstoffe ab: eine tödliche Gefahr nicht nur für niedere Wasserlebewesen, sondern auch für Fische, wie US-Studien belegen.

Von Caroline Ring | 06.07.2011
    "Wir haben sowohl Süßwasserfische als auch Fische aus dem Meer in Wasser gesetzt, in dem Zigarettenkippen eingeweicht waren. Und wir haben festgestellt, dass eine Kippe pro Liter genügt, um die Hälfte der Fische zu töten, die diesem Wasser ausgesetzt sind."

    So fasst Thomas Novotny die Ergebnisse einer Studie seiner Arbeitsgruppe zusammen. Novotny ist Professor für öffentliche Gesundheit und erforscht seit Jahren, wie Zigarettenstummeln die Umwelt beeinträchtigen.

    "Zigarettenstummel sind so klein, dass man meinen könnte, sie würden keinen großen Schaden anrichten. Tatsächlich ist es aber so, dass sie einen gewaltigen Anteil am Müll haben, weil sie nicht verrotten. Bei Reinigungsaktionen in Städten und an Stränden machen sie ein Drittel des gesamten Mülls aus, den freiwillige Helfer sammeln."

    Allein im vergangenen Jahr wurden an einem einzigen Tag weltweit mehr als zwei Millionen Zigarettenkippen von den Stränden gesammelt, berichtet die US-amerikanische Organisation Ocean Conservancy. Das Problem ist, dass die Zigarettenfilter nicht verrotten, weil sie aus dem Kunststoff Celluloseacetat bestehen. Der Filter zerfällt lediglich im Laufe von mehreren Jahren in immer kleinere Partikel. Dass Zigarettenstummel ein Problem für niedere Wasserlebewesen sind, haben bereits ältere Studien gezeigt. Für den Großen Wasserfloh etwa, der auch in Deutschland in vielen Seen und Tümpeln lebt, ist eine Zigarettenkippe auf acht Liter Wasser tödlich. Das entspricht in etwa der Wassermenge in einem halbgefüllten Eimer.

    "Was wir gemacht haben, ist, zu sehen, ob Zigarettenkippen im Wasser auch höheren Lebewesen schaden. Dabei hat sich gezeigt, dass sie für Fische giftig sind."

    Die Forscher um Thomas Novotny nahmen zwei Fischarten, die in den USA häufig vorkommen. Zum einen den Topsmelt Silverside, eine Art von Ährenfisch, der unter anderem vor der Küste von San Diego in Schwärmen lebt. Er stand stellvertretend für Fische aus dem Meer. Sein Pendant aus dem Süßwasser war der Fathead Minnow, ein karpfenartiger Fisch. Er kommt in vielen Bächen und Tümpeln in Nordamerika vor. Diese beiden Fischarten setzten die Forscher in unterschiedliche Lösungen: In der ersten war pro Liter ein Zigarettenstummel mit Resten von Tabak eingeweicht. In der zweiten war nur der Filter einer gerauchten Zigarette eingelegt. Die dritte Lösung schließlich enthielt pro Liter einen unbenutzten Filter.

    "Wir haben auch die bloßen Filter eingeweicht, und das war überraschend. Man könnte meinen, nur die Substanzen aus dem Tabak wären giftig. Aber die Fische starben auch in den Lösungen mit den puren Filtern, wenn auch bei höheren Konzentrationen. Aber das zeigt, dass auch die Filter selbst giftig sind."

    Aber welche der Stoffe aus einer Zigarette genau die Lösungen so giftig machen, wissen die Forscher um Novotny nicht. Immerhin stecken rund 4000 Chemikalien in einer Zigarette. Darunter sind Teer, Blausäure und verschiedene Schwermetalle. Der Filter nimmt einen Teil der Substanzen auf und gibt sie im Wasser wieder ab. Welche das sind, wollen die Wissenschaftler als Nächstes untersuchen.

    "Man könnte annehmen, dass sich die Wirkung der Giftstoffe in den Meeren verliert, weil die Wassermenge so groß ist. Aber das wissen wir nicht genau. Deshalb wollen wir prüfen, wie man die Chemikalien aus Zigarettenkippen im Wasser identifizieren kann. Dann könnte man Marker entwickeln, welche die Kontamination eines Gewässers anzeigen. Und man könnte man nachvollziehen, ob sich die Substanzen in anderen Tieren ansammeln, in Filtrierern wie Muscheln beispielsweise, oder ob sie in der Nahrungskette nachweisbar sind."