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Von Hotzenplotz bis Tintenherz
Wie Kinderfilme entstehen

Filme für Kinder sind heutzutage ein lukratives Geschäft. Sie sollen nicht nur Kinder, sondern die ganze Familie ins Kino locken. Zum Film gibt es gleich das passende Merchandising-Rundumpaket dazu. Zwar dominieren noch immer klassische Kinderbuchvorlagen, es gibt aber auch überraschend neue Konzepte.

Von Anna Tollkötter | 18.11.2017
    Kinder und Jugendliche stöbern am Donnerstag (18.03.2010) auf der Leipziger Buchmesse in den Buchauslagen der Kinderbuchhandlung. Besonders viele Kinder und Jugendliche bevölkern die vier Messehallen an diesem Tag. Auf der Messe präsentieren sich mehr als 2000 Verlage aus fast 40 Ländern mit ihren Neuerscheinungen. Foto: Hendrik Schmidt dpa/lsn (zu dpa 0570 vom 18.03.2010) | Verwendung weltweit
    Rund 80 Prozent aller Kinofilme für Kinder basieren auf einer Buchvorlage (dpa / picture alliance / Hendrik Schmidt)
    Auszug aus "Emil und die Detektive": "Wohin geht denn die Reise?" - "Nach Berlin!" - "Nach Berlin?" - "Ja, ich habe etwas Geschäftliches zu erledigen."
    Lächelnd trägt die Schauspielerin Inger Nilsson in einem Film von 1968 als "Pippi Langstrumpf" ihr Äffchen "Herr Nilsson" auf der Schulter spazieren.
    In den 60er- und 70er-Jahren dominierten vor allem klassische Kinderbuchverfilmungen das Kino für Jugendliche. (picture alliance / dpa )
    Lang, lang ist´s her. 1931 wurde der erste deutsche Kinderfilm gezeigt, und zwar "Emil und die Detektive", verfilmt unter der Regie von Gerhard Lamprecht, nach einer Buchvorlage von Erich Kästner aus dem Jahr 1929. Nun war es keineswegs so, dass es zuvor keine Filme für Kinder gegeben hat. Ganz im Gegenteil. Neu war jedoch, dass sich ein Film ausschließlich an ein jüngeres Publikum richtete. Die Filme zuvor kannten keine spezifische Adressierung, so Tobias Kurwinkel, Leiter des Arbeitsbereichs Kinder- und Jugendliteratur und Kinder- und Jugendmedien an der Universität Bremen.
    "Der Film richtete sich nicht an Kinder- und Jugendliche und spezifisch an Erwachsene, sondern der Film war einfach da und sowohl Erwachsene als auch Kinder und Jugendliche guckten sich eben diese Filme an, und das Ganze begann mit Verfilmungen von literarischen Szenen und vor allem auch von Märchenszenen."
    In den 1930er-Jahren ging es also los, doch schon kurze Zeit später war schon wieder Schluss damit: Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg, erst in den 1950er-Jahren etablierte sich der Kinderfilm in Deutschland erneut: Märchenverfilmungen und dann, in den 1960er-Jahren, Astrid-Lindgren-Filme aus Schweden, darunter "Kalle Blomquist - Sein schwerster Fall".
    Ob "Kalle Blomquist", "Emil und die Detektive" oder Märchen: Alle Filme hatten etwas gemeinsam: Sie hatten eine Buchvorlage. Das war damals so und das ist heute nicht anders, so Tobias Kurwinkel.
    "Man geht grundsätzlich davon aus, dass die Hälfte aller Filme, die in den Kinos laufen, Buchverfilmungen sind oder Adaptionen von literarischen Werken sind. Für den Kinder- und Jugendfilm ist das aber noch viel, viel höher anzusetzen. Ich würde behaupten, dass wir es zu 80 Prozent mit Literaturverfilmungen zu tun haben bei Kinder- und Jugendfilmen."
    Kein Wunder zieht doch eine bekannte Figur ein breites Publikum ins Kino. Pippi Langstrumpf von Astrid Lindgren oder "Der Räuber Hotzenplotz" von Otfried Preußler aus dem Jahr 1962 sind nur zwei Beispiele: Die Bücher wurden rasch ein großer Erfolg und schon kurze Zeit später sah man die Helden auf der großen Leinwand. Ähnlich war es bei "Rico, Oskar und die Tieferschatten" von Andreas Steinhövel: 2009 mit dem Jugendliteraturpreis ausgezeichnet, fünf Jahre später in den deutschen Kinos, gefolgt von zwei weiteren Buchadaptionen.
    Nicht immer wird ein Bestseller direkt verfilmt
    Conni-Erfinderin Liane Schneider zeigt ihre Kinderbücher.
    Es dauerte lange, bis "Conni" die Leinwand eroberte. (dpa/ picture-alliance/ Holger Hollemann)
    Doch nicht immer folgen auf Bestseller sofort die entsprechenden Kinderfilme. Beispiel: "Meine beste Freundin Conni". 1992 war das blonde Mädchen im rot-weiß-geringelten Pullover erstmals in einem Pixi-Buch zu sehen. "Conni kommt in den Kindergarten", so der Titel.
    Auszug aus "Conni kommt in den Kindergarten": Conni zieht heute ihr schönstes Kleid an. Conni hat Geburtstag. Sie ist jetzt vier Jahre. Alt genug für den Kindergarten! Für den Kindergarten braucht sie viele Sachen. In ihren Geschenkpaketen findet sie eine rote Kindergartentasche und rote Hausschuhe."
    Es folgten weitere "Conni"-Pixi-Bilderbücher für Kindergartenkinder, Maxi-Pixis, "Conni"-Bücher für Mädchen im Grundschulalter, dann "Conni"-Romane ab zehn Jahren und seit 2013 auch Romane für Mädchen ab zwölf. Seit den Anfängen sind rund 40 Millionen "Conni"-Bücher verkauft worden, pro Jahr sind es derzeit fast drei Millionen - nicht zu vergessen die zahlreichen Hörspiele, Gesellschaftsspiele, Lernhilfen, das "Conni"-Musical und unzählige Merchandising-Artikel von der Zahnbürste bis zur "Conni"-Puppe. "Conni" ist längst nicht mehr nur eine Figur, "Conni" ist eine Marke. Da ist es geradezu verwunderlich, dass der erste "Conni"-Film erst im Jahr 2016 auf der großen Leinwand zu sehen war - und zwar 24 Jahre nach dem ersten "Conni"-Buch. Für Frank Kühne vom Carlsen-Verlag, Programmleiter der Marke "Conni", ist dies jedoch eine schlüssige und erfolgsversprechende Strategie:
    "Als dann die Nachfrage nach 'Conni'-Merchandising und 'Conni'-Kinofilm und 'Conni'-Fernsehen und 'Conni'-Zeitschrift so groß wurde, haben wir in Ruhe überlegt, wie wir das machen wollen und haben uns gesagt: Nein, wir wollen es eher langfristig, wir wollen es eher über Jahre verteilen und wir wollen, dass viele Kinder über viele Jahre Spaß an 'Conni' haben."
    Erst 2012 laufen 52 Folgen der Zeichentrickserie im Kika. Der Titel: "Meine Freundin Conni". Die Zielgruppe: Kindergarten- und Vorschulkinder. Produziert vom ZDF. Für den Carlsen-Verlag war klar: Jetzt war der richtige Zeitpunkt, um einen Kinofilm zu entwickeln. Die Zielgruppe: Ältere Kinder ab Grundschulalter. Und ein Realfilm, das bedeutet: Ein Film mit echten Figuren. Die Buchvorlage: "Conni & Co" für Mädchen ab zehn Jahren. Der Andrang von Filmproduktionsfirmen war groß. Und wer letztendlich das Rennen gemacht hat, entschieden klare Kriterien.
    "Am Anfang prüfen wir, ob jemand, der 'Conni' verfilmen möchte, die Figur und das Thema und das Anliegen der Bücher gut verstanden hat, das ist für uns das Allerwichtigste. Jemand muss Conni verstanden haben. Und er muss sie mögen und schätzen, aber auch wissen, was das Wertvolle an ihr ist und was ihr Anliegen ist. Und wenn wir den Eindruck haben, wir haben jemanden als Partner für eine Verfilmung, der den Kern der 'Conni'-Geschichten gut verstanden hat, dann begibt man sich auf einen gemeinsamen Weg, um Geschichten zu finden, auszuformulieren, zu Drehbüchern zu entwickeln und dann gibt es Probeszenen, die erstellt werden, die uns zur Freigabe vorgelegt werden, da sind wir eingebunden in die Freigabe von Drehbüchern und Filmfolgen."
    Frank Kühne entschied sich für die Berliner Filmproduktionsfirma Barefoot Film unter der Geschäftsführung von Til Schweiger, später Koproduzent des Kinofilms. 2016 ist es dann soweit: "Conni & Co" läuft in den Kinos, unter der Regie von Franziska Buch und mit Emma Schweiger in der Hauptrolle.
    Vom Kinderbuch auf die Leinwand
    Ausgehend von Figuren und Setting der "Conni&Co"-Bücher für Mädchen ab zehn Jahren, wird die Figur Conni tatsächlich im Film so verstanden, wie es dem Verlag vorschwebt: Das Mädchen im unverkennbaren rot-weiß-geringelten Oberteil ist Teil der vierköpfigen Familie Klawitter, mit Akademikereltern und einem jüngeren Bruder, um den sie sich gerne kümmert. Die zwölfjährige Conni ist tierlieb, hat einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und widersetzt sich dafür schon mal den Anweisungen der Erwachsenen. Grundsätzlich also eine heile "Conni"-Welt, nah an den "Conni"-Büchern, in denen das Böse keinen Platz hat bzw. haben darf oder besiegt wird.
    Das Konzept des Carlsen-Verlags ging auf: Mehr als eine halbe Million Zuschauerinnen und Zuschauer schauten sich "Conni & Co" im Kino an.
    Bekannte Marken scheinen tatsächlich ein Erfolgsgarant im Filmsektor zu sein. Kein Wunder also, dass die Konkurrenz von Filmproduktionsfirmen um Buchrechte steigt. So nimmt es jedenfalls Katharina Wicke wahr. Sie arbeitet bei der Filmproduktionsfirma Akkord Film in Berlin als Creative Producer, das bedeutet, sie begleitet die kreativen Prozesse einer Filmproduktion von den Anfängen bis zur Verfilmung. Ihr fällt auf, dass es mittlerweile ein regelrechtes Gerangel um erfolgreiche Bücher gibt. Meistens handelt es sich dabei um Buchreihen.
    "Da sind auch die Verlage mittlerweile oder die Agenten schon teilweise in der Position, die einzelnen Bieter so ein bisschen gegeneinander ausspielen zu können oder was natürlich für sie noch besser ist, sich unterschiedliche kreative Ansätze erstmal vorstellen zu lassen und sich das dann aussuchen zu können. Wenn man ein gutes Verhältnis zu einem Verlag hat, kann es natürlich auch so rum laufen, dass der Verlag auf ne Filmfirma zukommt oder man schon vorher mal darüber spricht, was habt Ihr in der Pipeline, wonach sucht Ihr. Also das kann auf diesem Wege schon auch mal dazu kommen, dass Filmrechte auf diese Art vergeben werden. Das ist aber auch noch ne relativ neue Entwicklung, gerade im Kinderbuchbereich in Deutschland."
    Meist folgen Fortsetzungen
    Über vierzig Bücher hat Cornelia Funke inzwischen geschrieben. Neben dem "Herr der Diebe" ist ihr Roman "Tintenherz" ein internationaler Bestseller.
    Über vierzig Bücher hat Cornelia Funke inzwischen geschrieben. Neben dem „Herr der Diebe“ ist ihr Roman „Tintenherz“ ein internationaler Bestseller. (picture alliance / dpa / Erwin Elsner)
    Erweist sich eine Zusammenarbeit zwischen Verlag und Produktionsfirma also einmal als erfolgreich, so folgen weitere gemeinsame Projekte. Beim Carlsen-Verlag war es der zweite "Conni"-Kinofilm gemeinsam mit Til Schweiger und seinem Team. Katharina Wicke und ihrem Team von Akkord FilmFilm, allen voran Geschäftsführer Dirk Beinholt, kommt ebenfalls eine bereits erfolgte Zusammenarbeit mit einem Verlag zugute.
    "Es war so, dass wir mit dem Esslinger-Verlag den Raben Socke als Kooperationsprojekt haben. Da sind mittlerweile zwei Kinofilme entstanden, eine Serie, der dritte Film ist gerade in Produktion.
    Und Dirk Beinholt hat mit der Verlegerin gesprochen, was der Esslinger Verlag eigentlich sonst noch für Markenportfolio hat, weil das ist was, was wir über die Jahre festgestellt haben, dass einfach Verleiher auf Marken anspringen und Geschichten, die auf keiner großen Marke basieren, die keine Buchvorlage haben, einen sehr schweren Stand haben überhaupt finanziert, entwickelt zu werden. Und so kam das Gespräch auf die Häschenschule, weil das ja nun seit 1924 ein absoluter Longseller ist mit über einer Million verkaufter Büchern und über Generationen bekannt."
    Angestaubt und doch ein Hit
    Filmplakat "Die Häschenschule- Jagd nach dem goldenen Ei"
    Filmplakat "Die Häschenschule- Jagd nach dem goldenen Ei" (Universum Film )
    Die Häschenschule? Das fast 100 Jahre alte - wie es im Titel heißt - "Lustige Bilderbuch" von Fritz Koch-Gotha und Albert Sixtus wirkt auf den ersten Blick in keiner Weise zeitgemäß - und noch weniger für einen Kinofilm geeignet. Weder sprachlich noch pädagogisch.
    "Auszug aus "Die Häschenschule": "Kinder", spricht die Mutter Hase, "putzt euch noch einmal die Nase mit dem Kohlblatt-Taschentuch! Nehmt nun Tafel, Stift und Buch! Tunkt auch eure Schwämmchen ein! Sind denn eure Pfötchen rein?" - "Ja!" – "Nun marsch, zur Schule gehen!" - "Mütterchen, auf Wiedersehen!"
    Das Ziel des Verlags: Aus dem angestaubten, konservativen Buch eine moderne Geschichte fürs Kino zu entwickeln. Kein einfaches Unterfangen, so Katharina Wicke. So hat es von der ersten Idee bis zum Film rund sieben Jahre gedauert.
    "Dem Verlag war sehr wichtig, dass wir die Marke nicht verraten. Denen war auch bewusst, dass wir eine Geschichte stricken müssen, dass wir die ganze Sache modernisieren müssen, aber ihnen war wichtig, dass auch die Oma oder die Uroma, kann man jetzt schon sagen, den Urenkeln, Enkeln, ein Häschenschulenbuch zu Ostern schenken möchte mit den passenden Servietten dazu, dass die trotzdem einen Anknüpfungspunkt findet.
    Und deshalb waren wir schon frei, aber wir haben uns eben auch bemüht, das Originalbuch miteinzubeziehen, das kommt also in der Geschichte vor, wir sehen sogar das Cover des Buches, es werden Verse zitiert aus dem Buch, und viel mehr Einschränkungen gab es da letztlich nicht."
    Family Entertainment als Geldmaschine
    Ostern 2017 war es dann soweit: Der Animationsfilm "Die Häschenschule" kommt in die Kinos - ebenfalls mit Erfolg. Rund 380.000 Zuschauer in Deutschland und Österreich, allein in Polen waren es etwa 160.000. Das, was das Publikum hier erlebte, war so genanntes Family Entertainment, das heißt: Mit dem Film wird nicht nur ein Kind, sondern die ganze Familie ins Kino gelockt, in diesem Fall sogar die weitaus älteren Generationen.
    Es gelingt dem Film, die moderne Welt mit der etwas altbackenen Häschenschulen-Welt zu verbinden in Form eines coolen Großstadthasens, der aus Versehen im Wald in der Häschenschule landet.
    Mehrere Generationen können an denselben Stellen lachen - und zwar aus unterschiedlichen Gründen. In der Geschichte des Kinderfilms ist ein Kinderfilm, der die ganze Familie ins Kino lockt, seit den 1990er Jahren DAS Erfolgsrezept, so Tobias Kurwinkel von der Uni Bremen.
    "Erzählerisch kommt mit den 90er-Jahren der sogenannte Family-Entertainment-Film zutage. Warner Brothers hat damals extra eine Abteilung eingerichtet, um dieses Genre zu bewerben, überhaupt erstmal richtig entstehen zu lassen - wenngleich es das schon immer gegeben hat.
    Aber man kann definitiv seit den 90er-Jahren, spätestens seit Mitte der 90er-Jahre sehen, dass das eigentlich das Format ist, das sich heute zuhauf im Kino findet."
    Es geht auch ohne Roman-Vorlage
    Und immer wieder mit einer erfolgreichen Buchvorlage. Man denke nur an "Harry Potter" von J.K. Rowling oder "Tintenherz" von Cornelia Funke. Doch, es geht auch anders.
    "Ostwind". Eine Erfolgsgeschichte wie aus dem Bilderbuch. Der Film von Katja von Garnier über ein Mädchen, das mit Hilfe eines Pferdes Selbstbewusstsein erlangt, zog fast eine Millionen Besucherinnen und Besucher in die Kinos, also etwa doppelt so viele wie in "Conni & Co". "Ostwind" war neben "Fak ju Göhte" der erfolgreichste Film 2013. Inzwischen ist der dritte Teil in den Kinos angelaufen.
    Der Film hatte anfangs keine Romanvorlage. Die Münchner Produktionsfirma SamFilm [*] wollte auf Grundlage des Drehbuchs der Autorin Lea Schmidbauer einen Kinofilm für Mädchen produzieren - und zwar mit einem parallel dazu erscheinenden Buch. So wandten sie sich an die Verlagsgruppe Randomhouse und dort bekam es die Lektorin Sarah Schugk in die Hände.
    "Dann hab ich mir das angeguckt und wir haben das hier bei uns im Verlag besprochen und tatsächlich dieses Drehbuch war so gut und die Idee war so gut, dass man da sofort auch das Buch sich dazu vorstellen konnte."
    Eine eher ungewöhnliche, nicht erfolgsversprechende Vorgehensweise. Kein bekannter Roman als Grundlage, kein bekannter Titel im Kino, trotzdem aber das Buch zum Film - ebenfalls von Lea Schmidbauer - beim Filmstart.
    "Der Film war sehr erfolgreich, aber tatsächlich muss man sagen, ist etwas sehr Ungewöhnliches passiert: Das Buch war eigentlich fast noch erfolgreicher. Filmbücher verkaufen sich immer sehr gut, aber tatsächlich war das bei 'Ostwind' was ganz Besonderes. Die Bücher zum Film haben sich unglaublich gut verkauft, und die haben sich vor allen Dingen auch weiter verkauft, die Nachfrage war nach dem Film immer noch sehr groß da und die Fangemeinschaft von 'Ostwind' war einfach immer noch da."
    Arbeiten unter Druck
    So wurde aus dem erfolgreichen Film-Buch-Projekt ein Wechselspiel: Band zwei wurde als Roman entwickelt, kurz darauf kam der Film in die Kinos. Gleiches bei Band drei. Und zusätzlich noch parallel zur Kinoauswertung die Bücher zum Film. Ein Unterfangen, das mitunter durchaus stressig für die Verlage sein kann.
    "Die Film-Buch-Arbeit ist ganz oft auf den letzten Drücker, auch, weil wir natürlich das Filmplakat benutzen und das Filmplakat ist erst kurz vor dem Film auch fertig, so dass wir es erst dann auf unser Buch machen können für unser Cover, das ist immer eine recht knappe Angelegenheit."
    Nachfrage nach Büchern zum Film steigt
    Doch die Mühe lohnt sich. Denn der Verkauf von Filmbüchern hat in den letzten Jahren sehr an Bedeutung gewonnen. So waren ein Drittel der insgesamt 1,5 Millionen verkauften Ostwind-Bücher Filmbücher.
    "Natürlich, das ist so ein bisschen so eine sichere Bank. Man hat einen Film und dann hat man ein Filmbuch und dann wird sich das schon gut verkaufen. Das ist nicht immer so, aber es ist schon ganz oft so. Das haben natürlich nicht nur wir erkannt, sondern das haben auch andere Verlage erkannt, und da gibt es natürlich schon eine Konkurrenz. Klar."
    Zahnbürste, Malbuch, Trinkflasche und Co.
    Auch die Verfilmungen von "Conni & Co" und "Die Häschenschule" gingen mit Filmbüchern einher. Diese so genannten "Nebenprodukte" - vom Buch zum Film bis hin zu den Merchandisingartikeln - sind sowohl für die Verlage als auch für die Filmproduktionsfirmen von großer wirtschaftlicher Bedeutung, so Katharina Wicke von Akkord FilmFilm:
    "Diese Nebenprodukte, die sind immer sehr wichtig. Und wenn der Film überhaupt nicht im Kino zieht, dann können auch die Nebenprodukte zum Film da nichts ausrichten. Aber es bedingt sich schon gegenseitig. Also, wenn der Film im Kino gut ankommt, dann sind auch die Chancen, dass auch diese Nebenprodukte nochmal gekauft werden, natürlich groß."
    Für Frank Kühne, Programmleiter von "Conni" beim Carlsen-Verlag, ist ein Kinderkinofilm aus einem weiteren Grund wirtschaftlich interessant.
    "Wenn Sie nur den Kinofilm haben und der ist dann im Kino gewesen und kommt dann in die DVD-Schiene, dann ist das in der Lebenszeit eines normalen Kinofilms eher kurz. Kinder-DVDs können Sie zehn, 15, 20 Jahre lang erfolgreich platzieren."
    Kinderbücher und Kinderfilme als langlebiges lukratives Geschäft?
    Hinter den Kulissen von Verlagen und Filmproduktionsfirmen ist jedenfalls mächtig was los, so der Eindruck: Verlage versuchen die Filmbuchrechte zu erwerben, Filmproduktionsfirmen bieten für die Filmrechte, teilweise liegen die Rechte auch bei den Autoren, die selbst entscheiden möchten, wie und wo ihr Buch- oder Filmstoff platziert wird. Ausschlaggebend sind hier entsprechende Verträge, die anfangs bei einem Buchprojekt mit dem Autor oder der Autorin ausgehandelt werden. Genaue Summen oder Details nennt hier niemand, die Rede ist von sogenannten "Geschäftsgeheimnissen", klar ist jedoch: Je nach Bekanntheitsgrad eines Buches oder einer Marke liegen die Summen beim Rechteerwerb zwischen 0 Euro bis hoch zu fünf- oder sechsstelligen Summen. Es geht bei der Auswahl von Kooperationspartnern also nicht nur um Inhalte, sondern schlichtweg um Geld.
    Ist also für die Verlage inzwischen die Verfilmbarkeit von Romanen oder Marken ausschlaggebend für neue Buchprojekte? Frank Kühne:
    "Lesen ist eine wichtige Kompetenz und deswegen ist das Bücherlesen unser großes Anliegen. Und deswegen ist es aber auch gut, dass wir unsere Bücher verfilmen lassen, weil wir im Kino noch ne andere Zielgruppe erreichen, noch andere Kinder, die vielleicht dem Bücherlesen nicht so nahe sind, wo sie dann aber, wenn sie den Kinofilm gesehen haben, Lust bekommen, auch die Bücher dazu zu lesen."
    Sarah Schugk:
    "Ich glaube, das muss man immer individuell betrachten, weil ich muss ja Gott sei dank nicht entscheiden, ob es sich für eine Verfilmung eignet. Ich muss eigentlich ja nur gucken, dass es sich gut als Buch eignet und dass sich die Geschichte in einem Buch mit einem schönen Spannungsbogen auch gut erzählen lässt.
    Wenn dann natürlich noch etwas dazu kommt, dass dann also noch bestimmte Bilder im Kopf entstehen, dann glaub ich ist es nochmal was ganz Besonderes. Aber ich glaube, das kann man nicht als allgemeine Formel anwenden und sagen nur dann ist es gut."
    Buchvorlagen werden Kinderkino weiter dominieren
    Die Illustration zeigt das Umschlagmotiv des Kinderbuchs "Räuber Hotzenplotz" von Otfried Preußler
    Ein Klassiker der Kinderliteratur: Otfried Preußlers "Der Räuber Hotzenplotz" (Tripp/Weber/Thienemann)
    Also doch Bücher ohne wirtschaftliche Hintergedanken?
    Tobias Kurwinkel von der Uni Bremen geht davon aus, dass es auch in Zukunft mehrheitlich Kinderfilme geben wird, deren Helden bereits bekannt sind. Originäre Kinderfilme, also Kinderfilme ohne Buchvorlage, wird es auch weiterhin kaum geben – obwohl es dafür inzwischen besondere Plattformen gibt, wie beispielsweise Förderungen durch das Staatsministerium für Kultur und Medien oder die im Jahr 2013 ins Leben gerufene Initiative "Der besondere Kinderfilm". Diese Initiative hat sich auf die Fahnen geschrieben, dem Kinderfilm in Deutschland – so heißt es – "mehr Präsenz und ein stärkeres Gewicht zu verleihen". Das bedeutet: Mehr Kinderfilme sollen im Kino und im Fernsehen laufen. Seit 2013 wurden dank dieser Initiative bereits drei originäre Kinderfilme auf der großen Leinwand gezeigt: "Winnetous Sohn", "Ente gut" und "Auf Augenhöhe", so die Titel. Rund 40.000 Zuschauer wurden pro Film registriert. Im Vergleich zu "Ostwind", "Conni" oder der "Häschenschule" ist das wenig. Anders verhält es sich jedoch mit der Auswertung im Fernsehen: Allein "Winnetous Sohn" hatte bei seiner Erstausstrahlung im Kika mehr als 300.000 Zuschauer, im ZDF waren es einige Monate später mehr als 400.000 – und zwar nur Kinder. Es entsteht der Eindruck, als wäre ein originärer Kinderfilm eher etwas für das Fernsehen als fürs Kino.
    Eine Mutter liest ihren Kindern aus einem Buch vor
    Eine Mutter liest ihren Kindern aus einem Buch vor (imago/ Niehoff)
    Die Förderung von Kinderfilmen hat jedenfalls in den letzten Jahren zugenommen. Und: Die Anzahl der deutschen Kinderfilme im Kino steigt. Noch 2015 waren es elf neue deutsche Kinderfilmproduktionen, in diesem Jahr werden es 20 Kinderkinofilme sein.
    Nichts desto trotz gehen Förderer wie die Fernsehsender oder die Medienförderungsgesellschaften, ohne deren Zuschüsse überhaupt keine Kinofilme möglich wären, weiterhin lieber auf Nummer sicher und investieren ihr Geld in bekannte Stoffe. Auf lange Sicht ist noch eine weitere Entwicklung auf dem Kinderfilmmarkt zu erwarten, so Tobias Kurwinkel:
    "Ich glaube, dass das klassische Vorgehen sich sicherlich ändern wird oder hat sich auch schon lange geändert. Spielfiguren, denken Sie überhaupt auch an Spiele, aus denen dann Filme werden.
    Alles, was auf der digitalen Seite passiert, die Anfänge liegen irgendwo bei Lara Croft, da gibt es auch mehr und mehr Tendenzen, dass da Synergien entstehen und dass aus derartigen Medien Filme werden."
    Der Kinderfilmmarkt ist jedenfalls mächtig in Bewegung. Bleibt zu hoffen, dass Förderer, Verlage und Filmproduktionsfirmen den Mut für neue, innovative Projekte finden.

    [*] And dieser Stelle im Manuskript wurde der Name der Filmproduktion korrigiert.