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Von Josefine Mutzenbacher zu Bambi

Felix Salten ist nicht nur einer der weltweit erfolgreichsten österreichischen Schriftsteller gewesen; in seiner Biographie spiegeln sich die großen Themen der österreichischen und jüdischen Geschichte. Salten war liberaler assimilierter Jude, aber auch Zionist, er war Kunstkritiker, aber auch Hedonist, er war Intellektueller mit deutlichem Hang zum Salonlöwen. Herzliche Freundschaft verband ihn mit Arthur Schnitzler, herzliche Feindschaft mit Karl Kraus. Er war Autor von "Bambi" und Autor des pornographischen Romans "Josefine Mutzenbacher", über dessen Urheberschaft ja lange gerätselt wurde. 1939 musste Felix Salten, weil er Jude war, ins Exil gehen; er übersiedelte in die Schweiz, wo er 1945 starb. Jetzt ist dem Vielseitigen eine erste umfassende Ausstellung gewidmet, im Jüdischen Museum in Wien.

Von Günter Kaindlstorfer | 06.12.2006
    Der Mann der tausend Masken: Felix Salten war ein Meister der Mimikry, ein Literatur-Entrepreneur, der in den verschiedensten Genres brillierte, vom weltweisen Naturroman, Stichwort "Bambi", bis zum deftigen Wiener Vorstadtporno, Stichwort: "Josefine Mutzenbacher". Was für eine Spannweite!

    Die Ausstellung im "Jüdischen Museum Wien" öffnet den Blick auf einen verblüffend modernen Schriftsteller. Felix Salten hat den Markt der Moden und der Meinungen mit sicherer Hand bedient. Ob als Romancier oder Bühnenautor, als Drehbuchschreiber, Feuilleton-Causeur oder Operetten-Librettist der 1869 geborene Erfolgsschriftsteller war ein begnadeter Vermarkter seiner oft durchaus beachtlichen Texte. Klar, dass Karl Kraus einen solchen Mann aus tiefstem Herzen heraus verabscheute. Kraus war der radikalste Kritiker Saltens, wie Werner Michael Schwarz, einer der Kuratoren der Wiener Schau, betont.

    " Also, natürlich wirft Karl Kraus dem Felix Salten seine Art zu schreiben vor, auch seine Tätigkeit für die Zeitungen, den Feuilletonismus generell. Für ihn ist Salten der blendendste Repräsentant eines oberflächlichen Journalismus, im Gegensatz zur Wahrheitssuchenden Literatur."

    Eine Felix-Salten-Ausstellung wie die im "Jüdischen Museum Wien" hat es bislang nicht gegeben. Eindrucksvoll, was die Kuratoren Siegfried Mattl und Werner Michael Schwarz an Exponaten zusammengetragen haben: Fotos, Briefe, Notizbücher und Taschenkalender des Dichters sind ebenso zu bestaunen wie historische Filme, Manuskripte und rare Tondokumente.

    Felix Salten, dieses Bild drängt sich auf, war eine mehr als schillernde Figur: Zionist und Hedonist, Asphaltliterat und Naturliebhaber, Lebemann und leidenschaftlicher Jäger. Immer wieder ließ sich der langjährige Präsident des österreichischen PEN als schneidiger Waidmann mit Gamsbart und Lederhose ablichten.

    Ein guter Geschäftsmann war Salten außerdem. Umso bitterer, dass er die "Bambi"-Rechte um lachhafte 1000 Dollar an Walt Disney verschacherte, ein kaufmännischer Lapsus, der den Emigranten später bitter gereut hat. Walt Disney, man weiß es, hat aus Saltens Natur-Roman eine tränentreibende Kitschorgie gemacht.

    " Hier bin ich Deiner Mutter zum ersten Mal begegnet. Ich war ungefähr in Deinem Alter...ich glaube, ich war ganz ähnlich wie du jetzt."

    Was bei Disney als Wald- und Wiesen-Rührstück mit Happy End daherkommt, hat bei Salten durchaus auch eine politische Dimension. Die Treibjagden in "Bambi" erinnern frappant an die Gemetzel des Ersten Weltkriegs, auf verschlüsselte Weise spricht der Herzl-Fan Salten in seinem Roman auch das Problem des Antisemitismus an. Nicht zuletzt kreist "Bambi" um den "Circle of life", um existenzielle Motive wie Tod und Vergänglichkeit. "Bambi" - ein Buch, das sich heute noch frisch liest wie am Tag seines ersten Erscheinens.

    Für die Nazis war Felix Salten seiner jüdischen Herkunft wegen persona non grata. Nach Hitlers Einmarsch in Wien ging der Schriftsteller ins Exil. Im Oktober ´45, wenige Monate nach der Befreiung Österreichs, starb Felix Salten in Zürich. In Zürich lebt auch Lea Wyler, seine Enkelin und Nachlassverwalterin. Ohne sie wäre die Wiener Ausstellung nicht möglich gewesen.

    " Salten wird heute eigentlich kaum mehr gelesen. Er ist in Vergessenheit geraten. Man denkt immer nur an "Bambi" und "Mutzenbacher" und vergisst die 52 Bücher, die er sonst noch veröffentlicht hat. Das ist eigentlich sehr schade. Ich denke, mit dieser Ausstellung sind die Tore wieder geöffnet, dass man sich seiner erinnert. Er war ein wichtiger österreichischer Schriftsteller, er ist in Amerika gelesen worden, er ist in 33 Sprachen übersetzt worden. Das heißt: Er hat schon was geleistet, das es sich lohnt zu lesen."

    In der Tat: Bücher wie "Bambi" und das Palästina-Reisebuch aus den 20er Jahren künden auch heute noch vom literarischen Ingenium Felix Saltens. Der Mann hat viel geschrieben, zu viel vielleicht. Manches hatte unbestreitbar Qualität.