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Von LTE zum Identity-Mixer

IT.- Auf dem IT-Gipfel in München werden in mehreren Arbeitsgruppen Ziele und Produkte definiert, die Deutschlands Infrastruktur nach vorne bringen sollen. Im Gespräch mit Monika Seynsche erläutert Computerjournalist Manfred Kloiber, wie diese Ziele aussehen.

06.12.2011
    Monika Seynsche: Seit sechs Jahren, immer Anfang Dezember, lädt die Bundesregierung die deutsche Industrie zum Informationstechnologiegipfel ein. Die Industrie nutzt diesen Termin in der Regel, um der Regierung zu sagen, wo sie mehr Förderung und mehr politische Unterstützung wünscht. Und die Regierung wiederum stellt dort staatliche IT-Projekte vor. Mein Kollege Manfred Kloiber besucht und beobachtet diese Tagung seit vielen Jahren. Jetzt ist er in München zugeschaltet. Herr Kloiber, was sind denn in diesem Jahr die großen Themen auf dem Gipfel?

    Manfred Kloiber: Frau Seynsche, aktuell steht hier in München das Thema Breitbandversorgung im Vordergrund. Das hat den Hintergrund, dass die Bundesregierung just das Telekommunikationsgesetz novelliert hat. Eigentlich sollte ja darin eine Art Anschlusspflicht für die Netzbetreiber geregelt werden, um die Ziele der Breitbandstrategie der Bundesregierung zu erreichen. Ursprünglich wurde nämlich angestrebt, bis 2015 alle Bundesbürger mit der Möglichkeit eines Breitbandinternetanschlusses zu versorgen. Diese Anschlusspflicht entfällt jetzt und das verbucht die Telekommunikationswirtschaft als Erfolg.

    Seynsche: Aber ist das nicht widersprüchlich? Denn die Industrie müsste doch eigentlich auch ein Bestreben darin haben, möglichst viel Breitbandausbau zu haben.

    Kloiber: Nicht ganz. Denn das neue Ziel lautet: Bis 2014 sollen 75 Prozent der Bevölkerung auf einen Internetanschluss mit 50 Megabit und mehr zugreifen können. Das aber geht nur, wenn man sich auf die Ballungszentren beschränkt – denn hierfür ist eine Glasfaser-Infrastruktur nötig, also auch Tiefbau nötig. Und das lohnt sich auf dem Land nicht. Kritiker wenden natürlich ein, dass das Gefälle zwischen Land und Stadt dann wieder ärger wird.

    Seynsche: Was ist denn mit dieser neuen Mobilfunktechnologie LTE? Können damit nicht die Versorgungslücken auf dem Land geschlossen werden?

    Kloiber: Ja, das könnten sie. Eigentlich soll LTE ja genau dazu dienen, zuerst in ländlichen Gebieten Breitband-Internet verfügbar zu machen. Doch wenn es keinen Versorgungszwang mehr gibt, dann schwindet natürlich auch die Motivation für die Netzbetreiber. Zumal LTE besonders wiederum in den Ballungsgebieten interessante Anwendungen ermöglicht. Denn dort vergrößert sich der Hunger nach mobiler Übertragungskapazität zum Beispiel durch die Verkehrstelematik. Autos, die sich gegenseitig mit Informationen versorgen zum Beispiel über die Verkehrssituation oder über Gefahrenstellen. Jedes Auto, jede Tankstelle, jede Ampel könnte Teil des Internets der Dinge werden, das vor allem über den Mobilfunk vernetzt wird. Und hier mahnt die Industrie dann auch Leuchtturmprojekte an, die sie gerne umsetzen will.

    Seynsche: Haben Sie ein Beispiel für ein solches Leuchtturmprojekt?

    Kloiber: Wir könnten beim Auto bleiben - und zwar ganz speziell bei Elektroautos: Hier gibt es Ideen mit vernetzten Elektroautos, die sich selbst um den Stromnachschub aus regenerativen Energiequellen kümmern - im Kontakt mit dem Elektrizitätswerk: mit dem Stromerzeuger dann zum Beispiel über optimierte Fahrtrouten verhandeln, Batteriewechsel oder Ladezyklen steuern, sich auch danach richten, wo und wann gerade der Wind bläst.

    Seynsche: Ein ganz traditionell wichtiges Thema auf diesem Kongress ist ja auch jedes Mal der Datenschutz, die Sicherheit. Gibt es da irgendetwas neues?

    Kloiber: Ja, gibt es. Aber angekündigt wurde hier, dass die Stiftung Datenschutz endlich und definitiv nächstes Jahr den Betrieb aufnehmen will. Die Bundesregierung hat das eigentlich schon vor zwei Jahren auf dem Gipfel in Stuttgart angekündigt. Da hatte Innenminister Thomas de Maizière diese Idee geboren. Und das zeigt auch, dass diese Dinge eben halt dauern. Und dann gibt es noch eine ziemlich alte Idee, die jetzt endlich umgesetzt werden soll. Das ist jedenfalls ein Ergebnis der Arbeitsgruppe Sicherheit - der sogenannte Identity-Mixer soll eingeführt werden. Das ist eine Art persönlicher Informationsmanager, der auf jeder Webseite und bei jedem Online-Dienst dafür sorgt, dass von mir nur die Daten wirklich preisgegeben werden, die unabdingbar sind, um diesen Dienst zu abonieren oder da mitzumachen. Und diese Idee des Identity-Mixers ist auch schon ziemlich alt. Ein altes EU-Forschungsprojekt Namens PRIME, das eben auch Jahre brauchte, bis es dann endlich umgesetzt wird.