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Von Melkhus zu Melkhus

Im Nordwesten Niedersachsens stehen mehrere "Melkhüser". Ob Buttermilch, Milchreis oder Käse: In den Milchraststätten können sich Radfahrer und Wanderer auf gesunde Weise stärken oder erfrischen.

Von Günter Beyer | 07.08.2011
    Das Hinweisschild kommt gerade zur rechten Zeit: "Melkhus ein Kilometer" steht darauf. Eine gute Strecke sind wir schon auf schmalen Wirtschaftswegen durch die Geestlandschaft geradelt, links und rechts sprießendes Getreide und frischgrüne Kuhkoppeln. Eine kleine Pause im "Melkhus" wäre schon willkommen! Unter Alleebäumen geht´s beim Dörfchen Volkmarst auf den Hof von Irene und Hinrich Dücker . Die "Milchtankstelle" inmitten des großen Gartens ist schon von weitem zu erkennen.

    "Unser Melkhus ist ein kleines Holzhaus, außen grün, nicht so sehr groß, und ist für Fahrradfahrer und sonstige Urlauber aus der Region zu besuchen."

    Vor dem Häuschen stehen Tische und Stühle für erschöpfte Radler bereit, drinnen hat Landfrau Irene Dücker schon eine Kühlvitrine für eine gesunde Zwischenmahlzeit bestückt. Sie öffnet die Abdeckung.

    "Also, das fängt hier an mit Milchreis, Milchreis mit Kirschen, dann haben wir Quarkspeise gemischt mit Schoko. Vanillejoghurt. Hier ist eine Käseleckerei mit Weintrauben. Buttermilch, Erdbeerbuttermilch. Dann steht hier drin: frische Milch, die man auch zum Milchkaffee nehmen kann. Es noch viele andere Sachen, die aber frisch gemacht werden müssen, und man nicht in den Kühlschrank stellen kann."

    Seit drei Jahren betreiben die Dückers in der warmen Jahreszeit ihr Melkhus. Die Entscheidung dafür war nicht einfach.

    "Wir liegen nicht an einer Fahrradroute, wir sind ziemlich abseits sogar und haben natürlich erst überlegt: Machen wir´s überhaupt, weil wir so abseits liegen? Aber es spricht sich rum hier in der Gegend, dass man im Melkhus jeden Tag kommen kann, also von elf bis abends haben wir geöffnet jeden Tag, und das wissen die Leute mittlerweile, und wenn das Wetter schön ist, machen sie sich hierhin auf den Weg."

    Bis zu hundert Besucher finden sich an schönen Wochenenden bei den Dückers ein. Aber genau kennt man die Zahl der Besucher vorher eben nicht.

    "Ja, vielleicht haben wir uns das etwas leichter erst vorgestellt, man wächst aber da ganz gut rein, man weiß so langsam, was man zu tun hat, und muss natürlich auch abends mal ´bisschen länger arbeiten."

    Und das alles neben dem normalen Hof-Alltag! Seit fast 400 Jahren ist das Gehöft in Familienbesitz, heute spezialisiert auf Milchwirtschaft.

    "Der Kuhstall ist schon unser wichtigstes Element hier. Wir haben hier hundert Milchkühe, das ist die wirtschaftlich größte Grundlage hier. Die weiblichen Kälber behalten wir, ziehen wir alle auf, sodass wir die eigene Nachzucht haben. Und Bullenkälber werden verkauft."

    Wer im Melkhus rastet, kann den Schwarzbunten persönlich Guten Tag sagen. Hinrich Dücker lässt Besucher gerne einen Blick in den Kuhstall werfen. Schließlich soll das Melkhus auch für die Milch werben. Allerdings: Die Rohmilch von Dückers Kühen geht komplett an eine große Molkerei. Fürs eigene Melkhus darf da gar nichts abgezweigt werden.

    "Die Milch beziehen wir von einem Vorzugsmilchbetrieb in Langenhausen, Familie Kück, die beliefert hier die ganzen Melkhüser im Landkreis Rotenburg, aber natürlich auch viele Private."

    25 Kilometer weiter nördlich, im Ostendorfer Ortsteil Ottendorf, liegt das Melkhus von Familie Stelling. Auch hier: grüne Wände, rotes Dach. Das Design der Milchraststätten ist einheitlich. Schließlich sollen sie mal so etwas wie ein Markenartikel werden. Aber jeder Hof pflegt seine kleinen kulinarischen Spezialitäten, sagt Irmi Stelling.

    "Jeder lässt sich schon mal was einfallen im Bezug seines Dorfes irgendwie. Wir sind ja Ostendorf und früher war es Ottendorf, ich mach schon mal ne Quarkspeise "Ottendorfer Wiese". Das ist Quark, Joghurt und Waldmeister."

    Auch Stellings leben von der Landwirtschaft. Sie haben 180 Kopf Vieh, davon 80 Milchkühe. Viel Arbeit, da bleibt es nicht aus, dass Melkhus-Besucher ihre Gastgeber manchmal gar nicht zu Gesicht bekommen. Und die Bezahlung für Speis´ und Trank?

    "Ich hoffe ja, dass alle ehrlich sind und ihr Geld in die kleine Kasse stecken. Wenn mal n´ Eis fehlt, da sehen wir dann drüber hinweg. Ich glaub einfach an die Ehrlichkeit der Menschen, sonst hätte man sowas nicht machen sollen."

    Besonders kinderfreundlich ist das Melkhus auf dem Schröder-Hof in Deinstedt. Dort gibt es zusätzlich ein "Spälhus" - ein Haus zum Spielen - und überhaupt jede Menge Platz.

    "Wir haben selber drei Kinder und dementsprechend hatten wir schon einen Spielplatz. Den haben wir noch etwas erweitert, sodass wir doch ein großes Spielangebot haben für Kinder."

    Es gibt sogar ein 500 Meter langes Steinlabyrinth, das Tania Schröder aus Feldsteinen angelegt hat. Und Melken an einer künstlichen Kuh können Jung und Alt auch lernen.

    "Das sind Melkeimer. Oder unsere quadratischen Kühe, sag ich dazu. Das ist ein Eimer, da hängen vier Zitzen dran, kann man oben Wasser rein tun, unten in die Milchkanne kann man dann reinmelken."

    Auf dem Rückweg kommen wir noch mal auf dem Dücker-Hof vorbei. Beschäftigte des Katasteramtes hatten sich zum Betriebsausflug angekündigt. 25 Kilometer per Fahrrad. Zunächst spielte man auf der Wiese zwischen Kühen und Kuhfladen eine Runde "Bauerngolf".

    "Hervorragend war das. Hat sehr viel Spaß gemacht, kann ich nur sagen."

    Nun stärkt sich der öffentliche Dienst entspannt bei Butterkuchen und Kaffee - Milchkaffee natürlich.

    " "Die Melkhüser sind sehr praktisch, vor allen Dingen, wenn man am Wochenende mit der Frau mal fährt, im Melkhus ist es immer gut und günstig und gemütlich. Wir fahren eben gerne da an, Vor allem, wenn´s Wetter gut ist, nech."