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Von Menschen, Affen und Menschenaffen

Tierschutz.- Das EU-Parlament hat eine neue Tierschutzrichtlinie verabschiedet. Einer der Bestandteile: Die Forschung an Menschenaffen ist künftig verboten.

Von Marieke Degen | 08.09.2010
    Franz-Josef Kaup rupft ein paar Zweige vom Busch und hält sie vor das Gehege. Kleine, schwarze Affenhände langen durch die Gitterstäbe, jeder will einen Zweig abhaben. Es gibt Streit.

    "Das ist hier unsere Pavianhaltung, wir haben im deutschen Primatenzentrum die einzige Versuchstierkolonie Paviane. Diese Tiere werden derzeit auch im wesentlich nur von einer Gruppe im süddeutschen Bereich benötigt, die Tierexperimente an Pavianen im Rahmen von Transplantationsversuchen durchführt."

    Franz-Josef Kaup ist der Tierschutzbeauftragte am Deutschen Primatenzentrum in Göttingen. Die Wissenschaftler hier forschen an Affen, und sie züchten die Tiere für andere staatliche Forschungseinrichtungen. Paviane, Makaken und Lemuren sind darunter, Menschenaffen wie Schimpansen gibt es hier nicht.

    "Im deutschen Primatenzentrum haben wir übrigens auch nie Menschenaffen gehalten oder Tierversuche an Menschenaffen durchgeführt."

    In Deutschland waren Versuche mit Menschenaffen bislang erlaubt. Vor dem deutschen Tierschutzgesetz sind alle Tiere gleich, und das bedeutet auch, dass Schimpansen offiziell in der Forschung eingesetzt werden können. Die neue europäische Tierversuchsrichtlinie macht Schluss damit. Sie stellt die Tiere unter einen besonderen Schutz. Versuche mit Menschenaffen sind in Zukunft grundsätzlich verboten, europaweit. Konkret geht es dabei um Schimpansen, Orang-Utans. Und auch Gorillas sind nicht für Tierversuche relevant. In der Praxis ändert sich auf den ersten Blick aber wenig, denn:

    "Seit geraumer Zeit, wenn ich richtig informiert bin seit 2003, werden in Europa keine Tierversuche mehr an Menschenaffen durchgeführt. In Deutschland ist es schon seit einem viel längeren Zeitraum üblich, dass wir keine Menschenaffen mehr benutzen."

    Erstens war es immer schon extrem teuer und aufwendig, Versuchsschimpansen zu halten. Zweitens: Schimpansen sind hoch entwickelt. Sie dürfen nur dann als Versuchstiere eingesetzt werden, wenn es keine Alternative gibt. Jahrelang haben Forscher bestimmte Infektionskrankheiten an Schimpansen erforscht, zum Beispiel HIV und Hepatitis C. Inzwischen gibt es dafür andere Tiermodelle. Auch in der Pharmabranche spielen Versuche mit Menschenaffen schon lange keine Rolle mehr.

    "Die Pharmafirmen machen ja auch Tierversuche im Rahmen der Arzneimittelzulassung. Das sind vorgeschriebene Tierversuche, die wurden nie am Menschenaffen gemacht. Also da hat man nie den Schritt auf den Menschenaffen nötig gehabt, um die Risikoabschätzung für den Menschen durchzuführen. Was die Entwicklung von pharmakologischen Substanzen im Rahmen von Tierversuchen angeht, hat man auch in den letzen Jahrzehnten keine Menschenaffen eingesetzt."

    Trotzdem, sagt Franz-Josef Kaup, wird sich das generelle Versuchsverbot an Menschenaffen auf die Forschung auswirken. Viele Wissenschaftler arbeiten zwar nicht direkt mit lebendigen Schimpansen, aber sie arbeiten mit Zellen von Schimpansen. Zum Beispiel, um die Funktion von Genen zu untersuchen. Bislang sind die Forscher relativ problemlos an Blutproben herangekommen. Wenn Schimpansen im Zoo vom Tierarzt untersucht werden, bekommen sie nämlich ohnehin Blut abgenommen.

    "Da hat man sicher vielleicht bei der ein oder anderen Institution in der Vergangenheit auch mal was für wissenschaftliche Untersuchungen mitgenommen. Das war möglich."

    Durch die neue EU-Richtlinie sind solche Blutabnahmen für Forschungszwecke verboten. Die Forscher müssen aber trotzdem nicht auf ihr Zellmaterial verzichten. Die Proben könnten von Schimpansen genommen werden, die außerhalb Europas leben, zum Beispiel in Freilandstationen in Afrika. Die Forschung mit Menschenaffen mag in Zukunft in Europa zwar generell verboten sein. Aber es gibt auch hier den berühmten Ausnahmefall.

    "Man kann ja nicht für die Zukunft alle Eventualitäten planen und so hat man mit hineingeschrieben in die Richtlinie, dass für den Fall einer sehr schweren Krankheit, die die Menschen bedrohen könnte, beispielsweise eine neue Infektionskrankheit, beispielsweise eine neue Ebola-Variante, wo man nur die Tests an Menschenaffen machen könnte, man diese Tiere doch noch mit gewissen Maßnahmen nehmen könnte."

    Dann dürften Forscher auch in europäischen Labors wieder mit Schimpansen arbeiten, zumindest theoretisch. Die praktische Umsetzung dürfte im Ernstfall schwierig werden: Kaum eine europäische Forschungseinrichtung wäre auf die Haltung von Schimpansen eingerichtet. Auch das deutsche Primatenzentrum in Göttingen nicht.