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Von Menschen und Mücken

Medizin. – Wie auch bei der Schweinegrippe, ist der Krankheitsverlauf des Dengue-Fiebers meist relativ harmlos. Dennoch stecken sich ganze Städte schnell mit dem Fieber an. Wie die Ausbreitung abläuft, untersuchen derzeit Wissenschaftler in Dresden – mit Hilfe von Mathematik.

Von Jan Lublinski | 06.07.2009
    Alejandro Mora ist Physiker an der Universität von Kolumbien in Bogotà und arbeitet derzeit als Gastwissenschaftler am Max-Planck-Institut für komplexe Systeme in Dresden. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Ausbreitungsmechanismen des Dengue-Fiebers genauer zu untersuchen.

    "In unserem Land fragen die Leute, was können die Physiker für die Gesellschaft tun. Und so haben wir eine Kooperation mit dem Max-Planck-Institut und Epidemiologen von der Universität Florida begonnen. Dengue-Fieber ist keine besonders gefährliche Krankheit. Aber die ökonomischen Auswirkungen in unseren südamerikanischen Ländern sind massiv."

    Das Dengue-Fieber wird, im Gegensatz zur Grippe, nicht direkt von Mensch zu Mensch, sondern durch Stechmücken übertragen. Aber auch der Mensch sorgt für die Ausbreitung der Krankheit. Wenn infizierte Personen reisen, werden sie unterwegs von Mücken gestochen, die dann den Erreger weitertragen. Außerdem können Menschen mehrfach erkranken: Es gibt mindestens vier verschiedene Dengue-Fieber-Erreger. Alejandro Mora hat für diese verschiedenen Prozesse ein mathematisches Modell entwickelt.
    "Die Mücken sind in diesem Modell einzelnen Häusern zugeordnet und können natürlich zu Nachbarhäusern fliegen. Die Menschen wiederum können weitere Strecken reisen. In unserem Modell versuchen wir, all diese Dinge zusammen zu bringen, um zu beschreiben, wie sich die Krankheit ausbreitet."

    Alejandro Mora arbeitet in Dresden mit Thilo Gross zusammen. Dieser beherrscht spezielle mathematische Tricks für so genannte adaptive Netzwerke. Das sind Netzwerke, bei denen sich Verknüpfungen oder Kontakte ändern können. Zum Beispiel wenn Leute die Telefonnummern-Liste in ihren Handy-Adressbüchern und somit ihre Kontakte neu zusammenstellen. Im Fall des Dengue-Fiebers ist es so, dass manche infizierte Menschen ihr Reiseverhalten verändern, einige Tage nachdem sie erkrankt sind: Sie bleiben im Bett – und sorgen so dafür, dass sich die Krankheit lokal ausbreitet. Die mathematischen Formeln, mit denen Physiker solche veränderlichen Netzwerke beschreiben, sind extrem kompliziert. Sie erfordern eine andere Herangehensweise, als dies etwa bei ingenieurtechnischen Fragestellungen der Fall ist.

    "Diese Beschreibungen, die Ingenieure machen, sind sehr, sehr komplex, und es ist sehr schwierig, die Gleichungen zu lösen. Aber es ist klar, was die Frage ist.
    Wenn wir jetzt über Epidemien reden, dann sind das Systeme, die wir sehr schlecht kennen. Wo die Gleichungen selbst sehr unsicher sind. Und wir müssen uns Strategien überlegen, wie wir diese Systeme robust beschreiben können, trotz der großen Unsicherheiten, die es da gibt."
    Thilo Gross Hauptstrategie besteht darin, die komplizierten Netzwerk-Gleichungen auf intelligente Art und Weise einfacher zu machen. In diesen simpleren Formeln sucht er dann nach sehr allgemeinen Eigenschaften und Zusammenhängen der Systeme, die er untersucht.

    Alejandro Mora interessiert sich zum Beispiel dafür, wie die Infektionswellen sich in einer Stadt ausbreiten. Oder er will wissen, welchen Einfluss die Größe von Wohnungen auf eine Epidemie hat. Er simuliert diese Entwicklungen auf dem Computer, und kann am Bildschirm im Detail beobachten wie das Dengue-Fieber um sich greift: Mit grünen Punkten hat er gesunde Menschen markiert, mit roten Infizierte und mit blauen Punkten Leute, die sich von einer Erkrankung gerade erholt haben.

    "Hier haben wir ein wohlhabendes Viertel mit großen Häusern und Garten, und direkt daneben ein ärmeres Viertel, wo die Leute dichter aufeinander wohnen. Im reichen Viertel sehen wir Schwankungen zwischen rot und blau, Immunität und Ansteckung - im anderen Viertel ständige Erkrankung. Es gibt offenbar Infektionsherde in bestimmten Gegenden und hier könnten Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Krankheit ansetzen."

    Noch sind Moras Rechnungen nicht weit genug ausgereift, als dass er den Epidemiologen vor Ort eine wirkliche Hilfestellung bieten könnte. Er will sein Modell aber in Zukunft weiter verfeinern und es auch auf andere Infektionskrankheiten anwenden, wie etwa Malaria oder Gelbfieber.