Freitag, 19. April 2024

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Von Realp ins Obergoms
Mit der Furkapass-Dampfbahn übern Berg

Die bei Eisenbahn-Fans beliebte Furka-Dampfbahn (DFB) verbindet seit sieben Jahren wieder das Urserntal mit dem Wallis und verabschiedet sich heute, am 8. Oktober, in den saisonalen Winterschlaf. Die Bahn fährt durch eine hochalpine Bergwelt, die auch schon so manchen Prominenten angelockt hat.

Von Katrin Kühne | 08.10.2017
    Die Dampflok "F 04" von 1913 auf der historischen Drehscheibe.
    Die Dampflok "F 04" von 1913 auf der historischen Drehscheibe. (Deutschlandradio / Katrin Kühne)
    "Andermatt ist sicher ein Ort, wo alpiner Tourismus losgegangen ist, Anfangs des 19.Jahrhunderts, und Andermatt war natürlich durch seine Lage, durch seine Erreichbarkeit durch die legendäre Gotthard-Postkutsche auf dem Plan, das heißt, auf der Landkarte."
    Bänz Simmen ist echtes "Urschner" Urgestein, wie sich die Leute hier im Herzen der Schweiz nennen, im Urserntal.
    "Mir ist’s unter allen Gegenden, die ich kenne, die liebste und interessanteste."
    Schreibt Goethe 1779 über das Urserntal auf der zweiten seiner drei Schweiz-Reisen. Zu Fuß, eine Postkutsche gibt es damals noch nicht, wandert der Dichter aus dem Obergoms bei Schneetreiben über den 2.431 Meter hohen Furkapass hinunter nach Realp.
    "Das Wort Furka ist ein walserisches Wort, wir brauchen es heute noch in unserem Dialekt, wir sagen zu einem Pass nicht Pass, sondern 's Furkali' oder 'Furka'."
    Freiwillige halten die Bahn am Leben
    Realp in der Nähe von Andermatt - das heute mit einer großen Resort-Anlage von sich reden macht - ist seit 2010 Abfahrtsort der wiederhergestellten Furka-Dampfbahn-Bergstrecke nach Oberwald im Obergoms. Die Zahnradbahn und Fahrt durch die hochalpine Bergwelt lassen das Herz eines jeden Eisenbahnfans höher schlagen. Roger Hossmann ist ein sogenannter "Froni", einer der vielen freiwilligen Helfer aus aller Herren Länder, die sich mit Herzblut um das Ganze kümmern.
    Die Bahnlinie ist vermutlich nicht für den Transport von Schweizer Braunvieh "von hinüber nach herüber" gebaut worden?
    "Das war von Anfang an geplant als Touristenbahn. Die erste Etappe war Brig-Gletsch, die wurde 1914 eröffnet und dann gab es eben einen Unterbruch bei dem Ersten Weltkrieg und nach dem Ersten Weltkrieg wurde weiter gebaut von einer Schweizer Gesellschaft und 1926 hat man Disentis erreicht."
    Die Furka-Bergstrecke kann, wegen des frühen Wintereinbruches, nur im Sommer betrieben werden. Als 1982 der Basistunnel eröffnet wird, durch den heute der Glacier-Express saust, soll diese abgerissen werden. Aber ein privater Verein stemmt sich dagegen, die jetzige Dampfbahn-Furka-Bergstrecke AG. Ihre Mitglieder sorgten mit ihrem Engagement dafür, dass die Zahnradbahn seit sieben Jahren wieder fahrplanmäßig verkehrt. Da kommt sie nun, "unsere" blitzblanke, schwarz lackierte "F 04", gebaut in Winterthur, 1913. Im Führerstand Lokführer Reto Gisler mit seinem Heizer. Sie fahren auf die historische, kugelgelagerte Drehscheibe aus Pontresina, die die "Fronis" wieder aufgemöbelt haben. Nur zwei Personen sind nötig, um die 42 Tonnen der mit Kohle und Wasser voll beladenen Dampf-Lokomotive in die richtige Fahrtrichtung zu bringen. Und los geht’s auf 1546 m Höhe. Vorsichtig rastet der Zug mit seinen Zahnrädern in die Zahnstange ein. Langsam gewinnen wir an Höhe, überqueren die rauschende Furkareuss und fahren über den Steffenbach, im Winter ein gefürchteter Lawinenzug. Seit 1925 überquert ihn eine Stahlbrücke. Sie wird zu Saisonende in drei Teilen zusammengeklappt beziehungsweise aus der Gefahrenzone gezogen, damit sie nicht zerstört wird.
    Ein Grand-Hotel im Nirgendwo
    Mit 2.163 Metern ist der höchste Punkt der Strecke am Bergbahnhof Furka erreicht. Eine halbe Stunde hält der Zug vor dem knapp zwei Kilometer langen Scheiteltunnel, der etwas unterhalb des Passes ins Obergoms hinüberführt. Zeit für einen Schwatz mit Lokführer Reto Gisler aus Erstfeld. Der wienert an seiner Lok herum. Die blauen Augen glänzen vor Begeisterung. Hatte er als Kind bereits eine Modelleisenbahn?
    "Das stimmt, die habe ich heute noch, sie ist einfach ein wenig größer jetzt als dazumal."
    Reto Gisler ist eigentlich, was sonst, Lokführer bei den Schweizerischen Bahnen. Wenn er nicht gerade in seiner Freizeit die alten Dampfschätzchen der Furka-Bahn fährt. Im Führerstand hat Gisler mit vielen Drehrädern zu hantieren. Eine schwere Arbeit.
    "Ja, aber das kommt mit der Zeit. Am Anfang ist das zwar schwierig, aber irgendwann hat man das eingespielt und dann hat man es im Blut!"
    Sprach‘s und schwingt sich auf sein Dampfross und wir uns in unsere, von den "Fronis" liebevoll restaurierte Holzklasse gleich hinter der Lokomotive. Unter ohrenbetäubendem Gequietsche und wildem Geruckel auf den Holzbänken erreichen wir Gletsch auf 1762 Meter Höhe. Einst berühmt wegen seines Mitte des 19. Jahrhunderts "in the middle of nowhere" errichteten Grand-Hotels "Glacier du Rhone" und seines atemberaubenden Gletscherblicks. Paul Güdel setzt sich für die Restaurierung der sich in Kantonsbesitz befindenden, heute etwas traurig dreinblickenden Hotelanlage ein.
    Orte wie zu Goethes Zeiten
    "An sich waren die meisten Gäste aus Übersee und vor allem aus England. Das war dann möglich, mit den Dampfschiffen an die Küste des Kontinents zu kommen, sodass es überhaupt möglich war, in diese Alpenwelt zu kommen."
    So logiert Queen Victoria, von der Furka kommend, im August 1868 im "Glacier du Rhone". Der Rhonegletscher reicht damals noch bis auf 100 Meter an das Hotel heran. Heute hat er sich auf über 2270 m Höhe zurückgezogen. Mit Oberwald auf 1368 Metern erreichen wir die Endstation unserer Fahrt und das weite, grüne Tal von Obergoms. Wie zu Goethes Zeiten laden Orte wie das alte Reckingen mit seiner typisch Walser Holzarchitektur zum Wandern und Verweilen ein.