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Von Reden und Taten

Umwelt. - Auch der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung "Globale Umweltveränderungen" WBGU fordert in einem am Montag vorgelegten Papier eine Wende in der Klimapolitik. Die Experten empfehlen, die Treibhausemissionen global bis 2050 im Vergleich zu 1990 zu halbieren. Professor Jürgen Schmid von der Universität Kassel und Mitglied im erläutert sie im Gespräch mit Arndt Reuning.

12.02.2007
    Reuning: Herr Schmid, sind wir denn überhaupt technisch dazu schon in der Lage, diese Trendwende in der Klimapolitik zu schaffen?

    Jürgen Schmid: Ja, wir haben das meiste an erforderlicher Technik schon zur Verfügung, wenn auch einzelne Elemente noch etwas teurer sind als konventionelle. Aber um noch einmal zurück zu kommen auf eine Wende in der Klimapolitik. 50 Prozent globale Reduktion bedeutet für die Industrieländer 80 Prozent Reduktion, das heißt es müssen schon sehr gewaltige Anstrengungen unternommen werden, um dieses Ziel zu schaffen. Lassen Sie mich einige Technikelemente nennen, am bekanntesten ist wohl die Windenergie, die am schnellsten wächst und auch die beste Wirtschaftlichkeit schon heute besitzt. Der zweite Pfeiler der zukünftigen Energieversorgung wird ganz sicher die Nutzung energetischer Biomasse darstellen, dort vor allem die Verwendung des Gaspfades, der nicht nur für die Stromerzeugung, sondern auch für die Kraft-Wärme-Kopplung und für den Verkehr in Form von Erdgas-Autos möglich ist.

    Reuning: Das heißt, man könnte auch Biogas direkt in das Erdgasnetz einspeisen?

    Schmid: Das wird eine Schlüsseltechnologie der Zukunft werden, die mehrere positive Eigenschaften hat. Zum einen ist diese Technik sehr verwandt mit der Kohlevergasung und auch mit Kohle lässt sich Gas in Erdgasqualität erzeugen und in das Netz einspeisen. Das heißt, wir werden in Zukunft auch eine sichere Energieversorgung aus diesen drei Quellen haben.

    Reuning: Trotzdem besteht ja so ein wenig der Eindruck, irgendwo hakt es da noch. Zum Beispiel der Benzinverbrauch von Kraftfahrzeugen. Wir haben alle die Diskussion in den letzten Wochen um die EU-Pläne für eine verbindliche Senkung der Kohlendioxidemissionen gehört. Wieso fällt uns diese Kohlendioxidwende so schwer?

    Schmid: Leider ist unsere Automobilindustrie auch hier dabei, sich in eine Sackgasse zu verrennen, denn die Faktoren einer Reduktion schaffen wir nicht mit einer weiteren geringen Verbesserung der heutigen Motorengeneration. Der Schlüssel ist die Hybridtechnologie, was uns die Japaner schon vormachen. Die sind weit über die 20 Prozent Energieeinsparung hinaus. Extrem wichtig, weil sie erstmals erlauben, auch Elektrizität im Verkehr einzusetzen und damit die Wirkungsgrade um Faktoren zu verbessern.

    Reuning: Worüber wir jetzt geredet haben, das sind ja alles irgendwie bekannte Techniken. Sie sagen ja selbst, eigentlich seien die vorhanden. Wie ist ihre Wahrnehmung als Wissenschaftler, wird im Moment noch zuviel geredet und zu wenig gehandelt?

    Schmid: Es wird sicher zu wenig gehandelt, mit einigen wenigen Ausnahmen. Die Windenergie wächst in Deutschland erfreulicherweise mit mehr als 20 Prozent pro Jahr. Wenn die Biomasse auch so schnell wächst - und zwar weltweit - dann wären wir in der Lage, zusammen mit der Wasserkraft schon in 20 Jahren mehr als die Hälfte des Stromes auf diese Art regenerativ zu erzeugen. Aber Voraussetzung sind der politische Wille und die entsprechenden Randbedingungen.

    Reuning: Sehen Sie denn diesen politischen Willen schon?

    Schmid: Teilweise ja, aber wir spüren auch kräftigen Gegenwind vom "Verein der Besitzsstandwahrer", denn es ist selbstverständlich, wenn ein System so gewaltig umgebaut wird, gibt es Gewinner und Verlierer, und die Verlierer versuchen, sich natürlich zur Wehr zu setzen - das heißt, ihre bestehenden Systeme so lange wie möglich zu betreiben.