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Vor 1.275 Jahren
Der fränkische Herrscher Karl Martell gestorben

Schon bald nach seinem Tod wurde Karl Martell mit dem Beinamen "der Hammer" versehen. Diesen verdankte er den vielen Feldzügen, die der mächtige Fürst zum Zwecke des inneren und äußeren Machterhalts führte. Bis heute gehört die Schlacht bei Poitiers und damit der Sieg über die nach Mitteleuropa drängenden Araber und Berber zu den bekanntesten seiner Karriere.

Von Bernd Ulrich | 22.10.2016
    Karl Martell bei der Schlacht bei Poitiers.
    Karl Martell bei der Schlacht bei Poitiers im Jahr 732. (imago/United Archives International )
    Der italienische Komponist und Liedermacher Fabrizio Cristiano de André widmete Karl Martell und dessen Sieg über die "mori" – die Mauren - eine 28 Terzetten umfassende Ballade: "Carlo Martello ritorna dalla battaglia di Poitiers" – "Karl Martell kehrt aus der Schlacht von Poitiers zurück". Das Ende der 1960er-Jahre entstandene Lied belegt in poetischer Weise, dass der fränkische Herrscher Spuren hinterlassen hat, die bis in unsere Gegenwart hinein reichen. Der an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften tätige Mediävist Andreas Fischer weiß auch warum:
    "Maßgeblich dazu beigetragen haben seine militärischen Erfolge, die ihm seinen Beinamen Martellus, "der Hammer", einbrachten. Insbesondere sein Sieg über die Araber und Berber in der Schlacht bei Poitiers im Jahr 732 hat ihn zur Identifikationsfigur für die Verteidigung des christlichen Europa gegen den Islam werden lassen."
    Er wurde in einem kampfreichen Leben zum damals mächtigsten Fürsten
    Allerdings hinterließ die Schlacht bei Poitiers auch in der späteren arabischen Geschichtsschreibung tiefe Furchen – kommt freilich in ihrer Synthese zu einem anderen Ergebnis, wie der in Bonn lehrende Islamwissenschaftler Stephan Conermann berichtet:
    "Das heißt also: Zur Verteidigung der eigenen Kultur hat man Anfang des 20. Jahrhunderts von arabischer Seite behauptet, wenn dieser Karl Martell uns nicht besiegt hätte, dann hätten wir eben tatsächlich das gesamte Abendland besiegt. Dann wäre es allerdings auch nie dazu gekommen, dass Europa uns im 16., 17., 18. Jahrhundert so besiegt und so dominiert hätte wie es jetzt der Fall ist."
    Wie auch immer – zeitgenössisch stärkte der Sieg bei Poitiers Karl Martells Stellung innerhalb der fränkischen Notablen und förderte sein Machtstreben. Der Sohn Pippin II. gilt als Begründer der Karolinger-Dynastie. Er wurde in einem kampfreichen Leben zum damals mächtigsten Fürsten des europäischen Kontinents. Und das, ohne je König gewesen zu sein, wie später sein Enkel Karl der Große. Aber Martells Alltag und der seiner Truppen blieb zwischen 718 und 739, also bis kurz vor seinem Tod, geprägt durch bewaffnete Auseinandersetzungen. Der Mediävist und Karl Martell–Spezialist, Professor Ulrich Nonn:
    "Sein ganzes Leben ist im Wesentlichen geprägt von einer Vielzahl von Feldzügen. Es gibt in den kargen Annalen, den Jahrbüchern aus dieser Zeit, zum Jahr 740 ist es, glaube ich, die Nachricht: kein Feldzug. Das wurde als eine Besonderheit dargestellt, weil Karl fast jedes Jahr – sei es gegen Sachsen an der Grenze, sei es gegen Alemannen, sei es gegen Aquitanien, also modern: im Süden Frankreichs kämpfte, und eben in einer Reihe von Schlachten gegen die große Bedrohung der Sarazenen."
    Der mächtige Frankenfürst starb erstaunlicherweise im Bett
    Der Kampf Karl Martells begann indessen schon in frühen Jahren. Sein Vater hatte ihn mit einer Nebenfrau gezeugt – von der wenig mehr bekannt ist als ihr Name: Chalpaida. Das Geburtsjahr wird auf etwa 688 datiert, bleibt aber in der Forschung umstritten. Nach dem Tod Pippin II. war es dessen Hauptwitwe Plektrud, die nach der Macht gierte – oder doch wiederum für ihre Enkel bewahren wollte. Ihre mit Pippin gezeugten Söhne waren nämlich schon verstorben. Um zu verhindern, dass womöglich Karl Martell an die Macht kam, ließ sie ihn kurzerhand einkerkern. Doch Karl gelang die Flucht. Vor allem seine militärischen Siege, aber auch die Techniken der Gefolgschaftstreue sicherten ihm künftig den Erfolg. Die Privatdozentin für mittelalterliche Geschichte Monika Suchan beschreibt diese Herrschaftspraxis so:
    "Er band Gefolgsleute und Familienangehörige durch die Übertragung von Funktionsstellen wie Bischofs- oder Abtswürden an sich, setzte sich aber auch für den Schutz kirchlichen und klösterlichen Besitzes ein und sorgte damit für das eigene Seelenheil vor."
    Das ist ein Kampf erfülltes Leben, ein Leben des Gegensatzes, wie die Wissenschaftsjournalistin Annette Gloser präzise summiert: "Obwohl er praktisch sein ganzes Leben lang damit beschäftigt ist, das Land der Franken nach innen und außen zu verteidigen, gelingt diesem Mann, der selbst nie richtig lesen und schreiben gelernt hat, der Aufbau einer tragfähigen Verwaltung, herrscht er souverän und letztendlich auch unangefochten über das Frankenland."
    Am 22. Oktober 741 starb der mächtige Frankenfürst, erstaunlicherweise im Bett, in einem Haus nahe dem Ort Quierzy im heutigen Nordosten Frankreichs, eben dort wo bald danach eine karolingische Königspfalz entstand. Bestatten ließ sich Karl Martell in der einstigen Abteikirche Saint-Denis, seit 564 Grablege aller fränkischen und lange Zeit auch der französischen Herrscher.