Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Vor 1.800 Jahren
Die Ermordung des römischen Kaisers Caracalla

Der römische Kaiser Marcus Aurelius Antoninus, genannt Caracalla, zählt zu den Tyrannen, die aus Machtgier sogar eigene Familienangehörige ermorden ließen. Am 8. April 217 jedoch wurde er selbst Opfer eines Mordkomplotts - und das in einer mehr als peinlichen Situation.

Von Winfried Dolderer | 08.04.2017
    Eine Zeichnung des römischen Kaisers Marcus Aurelius Antoninus, genannt Caracalla
    Vor 1800 Jahren wurde der römische Imperator Caracalla ermordet - seine Mutter nahm sich daraufhin das Leben. (imago)
    Der Tod kam in der Pinkelpause. Auf dem Marsch von Edessa nach Karrhae im Südosten der heutigen Türkei soll sich Roms Imperator in die Büsche geschlagen haben, um nach den Worten seiner Biografen "dem Bedürfnis der Natur" zu folgen. Das war am 8. April 217 die Gelegenheit, auf die sein Mörder gewartet hatte. Vier Tage zuvor war Kaiser Marcus Aurelius Antoninus, genannt Caracalla, 29 Jahre alt geworden.
    Seine Mutter, Kaiserinwitwe Julia Domna, nahm sich auf die Todesnachricht hin das Leben. In Roms besseren Kreisen hielt sich die Trauer in Grenzen, war doch der Verstorbene gefürchtet und berüchtigt gewesen.
    "Keinem Menschen schenkte er je sein Herz. Er hasste vielmehr alle, die sich irgendwie hervortaten, am meisten jene, die er am meisten zu lieben vorgab."
    Das schrieb über ihn der römische Senator und Chronist Cassius Dio, der Caracalla gut gekannt hat und die Zahl seiner Opfer nach Zehntausenden bezifferte. Die Majestät mordete auch in der eigenen Familie, ließ Bruder, Gattin, Schwager und Schwiegervater umbringen.
    "Er ist sicherlich einer der Tyrannen auf dem Kaiserthron, allerdings muss man sagen, dass das ja nichts Ungewöhnliches ist in der römischen Kaisergeschichte, sondern dass auch Kaiser, die ein deutlich positiveres Bild in der Geschichte haben, auch vor ihm solche Dinge getan haben."
    Der Archäologe und Althistoriker Martin Kemkes leitet das Limesmuseum in Aalen und hat dort eine Ausstellung über Caracallas Germanenfeldzug des Jahres 213 organisiert. Er verweist auf traumatische Kindheitserfahrungen des Jungen, dessen Vater Septimius Severus sich den Thron in einem vierjährigen Bürgerkrieg - auch unter Lebensgefahr für seine Angehörigen – hatte erkämpfen müssen.
    "Wenn man sein ganzes Leben betrachtet, eben von dieser Kindheit an, wo er quasi (...) von klein auf auch durch den Bürgerkrieg, dem der Vater unterlag, (...) gesehen hat: Man wird in Rom eigentlich nur – kann sich als Kaiser halten, wenn man bereit ist, seine Konkurrenten plus deren Familie aus dem Weg zu räumen. ... Das hat er von klein auf kennengelernt und hat das dann brutal umgesetzt."
    Der Vater war Nordafrikaner, geboren im heutigen Libyen. Die Mutter Syrerin, Tochter eines Priesters in Emesa, dem heutigen Homs. Es gab noch einen jüngeren Bruder, Geta.
    Septimius Severus hatte sich gewünscht, dass beide Söhne nach seinem Tod das Reich gemeinsam regieren sollten. Als er im Februar 211 starb, lautete sein Rat:
    "Bleibt einträchtig, bereichert die Soldaten und schert euch nicht um all das andere."
    Doch schon zehn Monate später war auch Geta tot, ermordet im Auftrag Caracallas. Der anschließenden Säuberungswelle in Rom sollen 20.000 seiner Sympathisanten zum Opfer gefallen sein.
    Turbulente Zeiten in der Römischen Republik
    Nach einer langen Periode der Stabilität geriet das Römische Reich im dritten Jahrhundert zusehends in Turbulenzen. Im Inneren wurde die Armee zum ausschlaggebenden Machtfaktor. Jenseits der Grenzen formierten sich neue Bedrohungen. Vor diesem Hintergrund ist Caracallas Vorstoß im Südwesten Deutschlands zu sehen, wo das Kräfteverhältnis zwischen einheimischen Völkerschaften instabil geworden war.
    "Der Feldzug ist deswegen wahrscheinlich nicht nur ein reiner Propagandafeldzug gewesen, sondern Caracalla hat wirklich – natürlich aus Propagandagründen, das war für einen römischen Kaiser immer wichtig, gegen Germanen zu gewinnen - auf eine aktuelle Bedrohung reagiert, die mindestens im Main-Gebiet, wenn nicht sogar weiter nördlich stattgefunden hat."
    Caracallas Expedition im Spätsommer 213 bescherte dem Grenzgebiet am Limes für zwei Jahrzehnte Ruhe.
    Epochale Weichenstellung
    Mit der Herrschaft dieses Kaisers verbindet sich aber auch eine epochale Weichenstellung: Im Jahr 212 verlieh er allen freien Bewohnern seines Reiches das römische Bürgerrecht. Vor allem in den östlichen Provinzen war die Mehrheit bis dahin davon ausgeschlossen gewesen. Erst jetzt wurde das Imperium ein einheitlicher Rechtsraum. Für die Begünstigten hatte das neue Recht nicht nur Vorzüge, denn es brachte neue Steuern mit sich, indes:
    "Dass wir in vielen Inschriften gerade im Osten des Reiches nach Caracalla die Betonung dieses Bürgerrechtes durchaus finden, zeigt, dass für die Bürger eigentlich die positiven Aspekte wahrscheinlich überwogen."
    Zum Verhängnis wurde Caracalla schließlich ein Mordkomplott seines Gardepräfekten. Der hatte gehört, ein ägyptischer Wahrsager habe ihn als künftigen Kaiser gesehen. Ihm war klar: Wenn Caracalla die Prophezeiung auch kannte, war er ein toter Mann. Ein Auftragskiller löste für ihn das Problem.