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Vor 100 Jahren
Spanischer Gewerkschaftsführer Marcelino Camacho geboren

Am 21. Januar 1918 erblickte Marcelino Camacho das Licht der Welt. Er gilt als Symbolfigur der linken Arbeiterbewegung und des Widerstands gegen das Franco-Regime. In den 1960er-Jahren war er Mitbegründer der "Comisiones Obreras". Viele Jahre seines Lebens verbrachte er im Gefängnis.

Von Wolfgang Hamdorf | 21.01.2018
    Der spanische Gewerkschafter Marcelino Camacho im Jahr 1960
    Der spanische Gewerkschafter Marcelino Camacho im Jahr 1960 (imago / Zuma Press)
    Nur zwei Jahre vor dem Tod des Diktators Francisco Franco wird Marcelino Camacho in einem Schauprozess zu einer 20-jährigen Haftstrafe verurteilt. Da saß der Gewerkschaftler bereits sechs Jahre lang im Gefängnis und war längst weltweit zu einem Symbol für den Kampf gegen den Faschismus geworden:
    "Unsere Herausforderung lag darin, den Widerstand gegen das Regime auch aus dem Gefängnis heraus weiterzuführen, der Außenwelt so viel wie möglich von unserem Kampf zu vermitteln."
    Marcelino Camacho wird am 21. Januar 1918 in Osma – La Rasa, einem kleinen Dorf in Nordkastilien, geboren. Sein Vater ist Bahnarbeiter und Mitglied der sozialistischen Gewerkschaft. Schon als 17-Jähriger tritt Marcelino ebenfalls in die Gewerkschaft ein. Wenig später wird er Mitglied der kommunistischen Partei und beginnt eine Ausbildung bei der Eisenbahn.
    Doch der Militärputsch Francos und der Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs verändern sein Leben schlagartig. Camacho flieht vor den Faschisten nach Madrid und kämpft für die Republik.
    Ein jahrelanger Leidensweg
    Nach dem Sieg Francos 1939 beginnt für Marcelino Camacho ein jahrelanger Leidensweg durch Konzentrationslager und Gefängnisse. Aus einem Arbeitslager in Spanisch-Marokko gelingt ihm 1944 die Flucht in die französische Zone.
    Zwölf Jahre verbringt er im algerischen Exil und kehrt erst nach einer Amnestie ins faschistische Spanien zurück, fest entschlossen, den Kampf gegen die Diktatur fortzusetzen. Als Metallarbeiter in einer Motorenfabrik organisiert er 1964 in Madrid die illegalen "Comisiones Obreras", die sogenannten Arbeiter-Kommissionen, die den Widerstand gegen Franco aus den Betrieben heraus organisieren. Das Regime reagiert darauf mit aller Härte. Doch Camachos Kampfgeist können die Franquisten auch im Gefängnis nicht brechen:
    "Ich bin acht Mal in den Hungerstreik getreten. Danach haben sie mich immer noch härter bestraft."
    Vom Klassenkampf zur Friedens-, Frauen- und Umweltbewegung
    Am 25. November 1975, fünf Tage nach dem Tod Francos, begnadigt König Juan Carlos die verurteilten Gewerkschafter. Es dauert allerdings noch fast zwei Jahre, bis die "Arbeiterkommissionen" legalisiert werden.
    Unter Camachos Führung werden die "Comisiones Obreras" zum stärksten spanischen Gewerkschaftsbund. Aber die Arbeitswelt verändert sich: Die traditionelle Industriearbeiterschaft verschwindet, an ihre Stelle tritt ein immer stärkerer Dienstleistungssektor und eine florierende Bauwirtschaft. Der alte Klassenkampfgedanke wird von neuen sozialen Protestformen abgelöst, und Camacho fordert eine Öffnung seiner Gewerkschaft hin zur Friedens-, Frauen- und Umweltbewegung.
    Der demokratischen Verfassung von 1978 fühlt sich der Kommunist Camacho durch und durch verpflichtet. Doch das neue Spanien weist für ihn vor allem in der Frage der sozialen Gerechtigkeit noch große Defizite auf.
    Daran ändert sich auch nichts, als 1982 die sozialistische Partei mit großen sozialen Versprechungen an die Regierung kommt, so Camacho 1985 in einem Radiointerview:
    "Der Wandel, den man vor drei Jahren angekündigt hatte, fand nicht statt. Aus den versprochenen 800.000 neuen Arbeitsplätzen wurde eine Million zusätzlicher Arbeitsloser. Die neuen politischen Verhältnisse haben viele Freiheiten gebracht, aber unsere sozialen und wirtschaftlichen Rechte sind auf der Strecke geblieben."
    Eine Auseinandersetzung, die noch im gleichen Jahr im Generalstreik der kommunistischen und sozialistischen Gewerkschaften gegen die Rentenkürzungspläne der sozialistischen Regierung gipfelt.
    1987 gibt er den Vorsitz der Gewerkschaft aus Altersgründen ab, bleibt aber als Ehrenpräsident und Mitbegründer der "Izquierda Unida", der vereinigten Linken, politisch aktiv.
    Dem spanischen Gewerkschafter Marcelino Camacho Ehre erweisen: der spanische Kronprinz Prinz Felipe am 29.10.2010
    Dem spanischen Gewerkschafter Marcelino Camacho Ehre erweisen: der spanische Kronprinz Prinz Felipe am 29.10.2010 (dpa / EPA / Javier Lizon)
    Als Marcelino Camacho am 29. Oktober 2010 im Alter von 92 Jahren in Madrid stirbt, ist er über die politischen Grenzen hinweg als einer der Väter des neuen demokratischen Spaniens anerkannt: als Kommunist und Demokrat, prinzipientreu und immer dialogbereit gegenüber anderen demokratischen Bewegungen.