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Vor 100 Jahren wurde der Saxophonist Coleman Hawkins geboren

Das Gesicht des Jazz würde ohne Coleman Hawkins ganz anders aussehen. Er spielte nicht nur das erste Tenorsaxophon-Solo der Musikgeschichte, er darf für sich in Anspruch nehmen der Erfinder des Jazzsaxophons zu sein.

Von Uwe Golz | 21.11.2004
    Andere Saxophonisten wurden berühmter, Charlie Parker gar zur Legende. Den Anfang aber machte der kleine Tenorsaxophonist, den seine Fans liebevoll Hawk, Habicht, oder – auf seine rundliche Figur anspielend – Bean, Bohne, nannten.

    Coleman Hawkins wurde am 21. November 1904 in St. Joseph im US-Bundesstaat Missouri geboren. Mit zehn Jahren entdeckte er das Saxophon für sich, doch als er sich zu Beginn der 20er daran machte, die Jazzbühne zu betreten, gehörte das Saxophon noch zu den Exoten der Musik. Zehn Jahre dauerte Hawkins Kampf um Erfolg, zehn Jahre die in einer 50 Jahre währenden Karriere mündeten.

    Coleman Hawkins ist 18 Jahre alt als er von der Bluessängerin Mamie Smith in einem Theater in Kansas City für ihre Jazz Hounds entdeckt wird. Zwei Jahre später, 1924, stößt Hawkins zum Orchester von Fletcher Henderson. In Hendersons Band sichert er sich nicht nur seinen Ruf als künstlerische Autorität, hier spielt er sich an die Spitze der Tenorsaxophonisten. 1934 zieht es ihn, wie so viele Musiker später, nach Europa - in Frankreich lässt er sich nieder, ist aber überall zu Hause. In England spielt er im ersten Orchester von Jack Hylton und 1937 steht er mit dem berühmten Gitarristen Django Reinhardt, dem Geiger Stephane Grapelli und dem Saxophonisten Benny Carter im Studio.

    Bei Ausbruch des II. Weltkriegs kehrt er in die Staaten zurück. Im Oktober dieses Jahres entsteht seine Version von "Body & Soul", heute ein Klassiker des Jazz.

    Wo ist die Melodie, ich kann keine Melodie hören – das hat man gesagt – da ist keine Melodie. Mach noch so ein Stück wie "Body & Soul". Ich hab hunderte von diesen Stücken gemacht. Und "Body & Soul" ist halt im richtigen Moment entstanden.

    Hawkins selber hat nie viel Aufhebens um "Body & Soul" gemacht. Doch dieses kleine Stück katapultierte ihn wieder an die Spitze der Tenorsaxophonisten seiner Ära.

    Es war die Zeit des musikalischen Umbruchs - der Swing hatte seine Schuldigkeit getan - und Hawkins, stets bemüht die Grenzen zu überschreiten, war wieder an vorderster Front mit dabei. Er improvisierte in einem Flechtwerk sich verwebender Ideen, seine Phrasierung war geprägt von einer scheinbar "ewigen" Suche nach Umspielungen, Ausweitungen und Vervollständigungen – in jener Zeit fast schon unverschämt "frei", blieb er dennoch immer der festen harmonischen Basis verpflichtet.

    Hawkins Talent war die Assimilation. Wie kein anderer schlüpfte er immer wieder in neue, musikalische Rollen, versperrte Vorurteilen seine Tür, und pflegte seinen satten, runden Saxophon-Ton, der ohne aufdringliche Schwingungen selbst den gewagtesten Läufen Konstanz verlieh.

    I don’t see music in way people think about it. I don’t think music as new or modern. Music doesn’t go seasonable to me, I think, I don’t know, you just play.

    Coleman Hawkins hat nie über seine Musik nachgedacht, er hat, wie er sagt, einfach gespielt. Er wurde zum "elder Statesman" des Jazz, einer den selbst Vertreter des "Cool" und des "Modern Jazz" als Einen der ihren akzeptierten. Er spielte an der Seite von Thelonious Monk, dem er zu einer ersten Plattenaufnahme verhalf, an der Seite von Max Roach, Eric Dolphy und John Coltrane.

    Coleman Hawkins war nicht nur ein Pionier seines Instruments, er bereitete die Jazzbühne für jene, die nach ihm kamen. Als er am 19. Mai 1969 in New York City starb, verlor die Welt einen Musiker, der wie es der Produzent Norman Granz ausdrückte, den Jazz zu dem gemacht hatte, was er heute ist.