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Vor 110 Jahren absolviert
Der erste Luftpostflug von Henri Pequet

13 Minuten in 50 Metern Flughöhe – so lange dauerte der Flug, den der Pilot Henri Pequet am 18. Februar 1911 absolvierte. Es war das erste Mal, dass Briefe per Luftpost befördert wurden. Pequet flog die acht Kilometer von Allahabad nach Naini in Indien, im Gepäck war auch Post für königliche Hoheiten.

Von Jürgen Bräunlein | 18.02.2021
    Pilot Henri Pequet sitzt in der Humber-Sommer Biplane, die den ersten Flug mit Luftpost absolvierte
    Der Doppeldecker, mit dem Pequet flog, war eine Innovation (picture alliance / Mary Evans Picture Library)
    Dezember 1910. Das britische Handelsschiff SS Persia bringt riesige Kisten mit Flugzeugteilen nach Bombay, die dort in Spezialwaggons verladen und nach Allahabad gebracht werden, der heiligen Pilgerstadt, wo die Flüsse Ganges und Yamuna zusammenfließen. Kommandant Sir Walter George Windham und seine Leute haben Großes vor: Auf der Industrie- und Landwirtschaftsausstellung in Allahabad wollen sie sich als Flugpioniere präsentieren. Die Ära der modernen Luftfahrt, eingeleitet von Otto Lilienthal und den Gebrüdern Wright, hat gerade begonnen, und der indische Subkontinent ist für Großbritannien eine strategisch wichtige Kolonie. Auf einem Polofeld bauen die britischen Mechaniker in fünf Tagen fünf Flugzeuge zusammen. Darunter als Hauptattraktion einen Doppeldecker. Fliegen soll ihn der 23-jährige Henri Pequet, der seine Pilotenlizenz erst frisch in der Tasche hat.

    Post für hohe Persönlichkeiten

    "Ich hatte einen Vertrag mit der Humber Motor Company und war der einzige Franzose unter lauter Briten, was eine Ehre war. Täglich sollte ich während der Ausstellung einen Schauflug machen", erzählt er später Journalisten. Der Doppeldecker, den er fliegt, ist eine Innovation: Mit seinem geringen Gewicht und einem 50 PS starken Siebenzylinder-Rotationsmotor wird er in den kommenden Jahren vielfach eingesetzt. In Allahabad betrauen die Briten Henri Pequet noch mit einer anderen Mission: "Am Ende der Ausstellung sollte ich mit meinem Doppeldecker 6.000 Briefe und Postkarten acht Kilometer weit nach Naini fliegen, darunter Post für hohe Persönlichkeiten und mehrere Könige aus Europa."
    Die Briten wollten mit dem Luftpostflug nicht nur Geld einnehmen, sondern auch aller Welt zeigen, wie zuverlässig die Luftfahrt Kommunikation zwischen den Menschen ermöglicht, etwa in Kriegszeiten, wenn Städte und Land belagert sind.
    So wird die indische Bevölkerung dazu aufgerufen, Briefe und Postkarten einzusenden, die eine Unze Gewicht – rund 30 Gramm - nicht überschreiten. Für die Flugpost entwerfen die Briten einen Sonderstempel, der einen Doppeldecker zeigt, der über hohe Berge fliegt. Die Aufschrift lautet "First Aerial Post": erste Luftpost.

    "Gleich nach dem Start musste ich über den Ganges fliegen und sah viele Wasserbüffel"

    Am 18. Februar 1911 ist es soweit. Hunderte von Schaulustigen haben sich versammelt, als Henri Pequet um 17.30 Uhr mit seinem Doppeldecker in Allahabad abhebt. Auf dem Rücksitz ein 15 Kilogramm schwerer Postsack.

    "Gleich nach dem Start musste ich über den Ganges fliegen und sah viele Wasserbüffel. Doch nicht ein Absturz ins Wasser beunruhigte mich, sondern die Krokodile unter mir. So angenehm war der Flug nicht. Ich hatte kein Armaturenbrett vor meinen Augen, sondern nur gähnende Leere. Am rechten Handgelenk trug ich eine Uhr, am linken Knie einen Höhenmesser", erzählt er später. Die Maschine erreicht eine Geschwindigkeit von 60 Stundenkilometern und eine Flughöhe von 50 Metern. Nach 13 Minuten landet Henri Pequet in Naini, wo Sträflinge beauftragt wurden, ein Gelände für die Landung freizuräumen. Der Pilot übergibt den Sack mit den Briefen und Postkarten einem Postbeamten. Damit ist der erste Luftpostflug geglückt, eine neue Ära eingeläutet. Von nun an sind die riskanten Ballonpostflüge überflüssig und auch das Zeitalter der Brieftaubenpost beendet. Zu den Empfängern der ersten Luftpost gehört König George V. von England, dessen Sekretär an Walter Windham schreibt:

    "Der König wünscht, dass ich Ihnen seinen Dank für den Brief aus Indien mit der Aufschrift ‚First Aerial Post‘ übermittle, der eine interessante Ergänzung der Briefmarkensammlung Seiner Majestät darstellt."

    Pequet bleibt auch nach seinem Tod populär

    Wie es der Zufall will, findet der erste deutsche Luftpostflug am 18. Februar 1912 statt, also genau ein Jahr nach Henri Pequet. Ein versiegelter Postsack mit 500 Briefen wird von Bork ins zehn Kilometer entfernte Brück im Land Brandenburg geflogen. Während des Zweiten Weltkriegs wird die Luftfeldpost enorm wichtig, damit die Soldaten die Verbindung zu ihrer Heimat nicht verlieren. Henri Pequet arbeitet während der deutschen Besatzung bei der Résistance, wird nach dem Krieg Direktor des Flughafens Vichy und bleibt auch nach seinem Tod 1974 populär. Bei Philatelisten sind die damaligen Luftpost-Belege heute noch heißbegehrte Sammelstücke, für die schon einmal 2.000 Dollar ausgegeben werden. Vor allem, wenn sich darauf die Signatur von Henri Pequet befindet. Denn 400 der damals mitgeflogenen Postkarten hat er selbst signiert.